Miesje

Es ist als hätte der Parfumeur dieses Gedicht gekannt und versucht, es in einem Duft einzufangen:

Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,
Ein Birnbaum in seinem Garten stand,
Und kam die goldene Herbsteszeit,
Und die Birnen leuchteten weit und breit,
Da stopfte, wenn's Mittag vom Turme scholl,
Der von Ribbeck sich beide Taschen voll,
Und kam in Pantinen ein Junge daher,
So rief er: "Junge, wist 'ne Beer?"
Und kam ein Mädel, so rief er: "Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick hebb 'ne Birn."
So ging es viel Jahre, bis lobesam
Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.
Er fühlte sein Ende. 's war Herbsteszeit,
Wieder lachten die Birnen weit und breit,
Da sagte von Ribbeck: "Ich scheide nun ab.
Legt mir eine Birne mit ins Grab."
Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus,
Trugen von Ribbeck sie hinaus,
Alle Bauern und Büdner, mit Feiergesicht,
Sangen "Jesus, meine Zuversicht",
Und die Kinder klagten, das Herze schwer:
"He is dod nu. Wer giwt uns nu 'ne Beer?"

So klagten die Kinder. Das war nicht recht.
Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht,
Der neue freilich, der knausert und spart,
Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt,
Aber der alte, vorahnend schon
Und voll Mißtraun gegen den eigenen Sohn,
Der wußte genau, was damals er tat,
Als um eine Birn ins Grab er bat,
Und im dritten Jahr, aus dem stillen Haus
Ein Birnbaumsprößling sproßt heraus.

Und die Jahre gehen wohl auf und ab,
Längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,
Und in der goldenen Herbsteszeit
Leuchtest wieder weit und breit.
Und kommt ein Jung übern Kirchhof her,
So flüsterst im Baume: "Wiste 'ne Beer?"
Und kommt ein Mädel, so flüsterts: "Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick gew di 'ne Birn."

So spendet Segen noch immer die Hand
Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland

Eines der berühmtesten Gedichte von Theodor Fontane, das ich in meiner Schulzeit auswendig gelernt habe und jedes Mal, wenn ich diesen neuen Duft aufsprühe, muss ich daran denken.
So, genau so riechen die Birnen, die der alte Herr Ribbeck den Kindern schenkt. Wundervoll reif und süßfruchtig, aber nicht zu aufdringlich.
Beim Aufsprühen ist der Birnenduft fast so intensiv, dass man sie sehen kann.

Nach ein paar Minuten wird der freundliche Duft etwas holziger, wärmer und so bleibt er auch, ich rieche ihn bis in den Abend an mir. Dabei passt er nicht nur in den Sommer oder Herbst, ich finde, es ist ein Duft den man, sparsam dosiert, ruhig jeden Tag tragen kann.

Fruchtig, frisch und vor allem pudrig ist dieser Duft ein wunderschöner Begleiter im Frühling und Sommer. Ich mag den Feenflakon gerne und das hübsche Türkis.
Ein netter, freundlicher Duft, wenn alle anderen Düfte ausgehen...ha...ha...
Na, genug der Anspielung. Würde er leuchten wäre er immer in meiner Tasche. So ist es der Duft, der nach frisch gewaschener Wäsche riecht, gute Laune macht und heiter stimmt.

Und wenn er endlich leer ist, bekommt meine Tochter die heißbegehrte Elfe die obendrauf sitz...

Wenn jemand aus meinem Freundeskreis gefragt würde, nach was ich rieche, es wäre zu 90% Boudoir.
Die Story wieso ich ihn zum ersten Mal getestet habe würde hier den Rahmen sprengen, im Groben geht es um die große Liebe, den Duft von Herbstnebel und die laute Stille die eine Frau im Herz fühlt wenn sie ein Kind erwartet, Coldplay, die fabelhafte Welt der Amélie und den Geschmack von Rotwein.
Nun, es ist ein sehr dunkler Duft, wie ich finde. Langanhaltend und sehr individuell. Die oben angegebene Duftpyramide brauche ich jetzt nicht zu wiederholen, ich finde ihn in der Beschreibung gut wieder. Ich erkenne ihn auch an Frauen, die ihn auch tragen und das ist leider selten der Fall. Einem guten Duft wünscht man mehr Freunde...
Er hat etwas geheimnisvolles, tiefgründiges, aber auch rebellisches für mich.
Ich kann nicht so gut die einzelnen Komponenten herausriechen , aber ich finde, dass er im Tagesverlauf vor allem eines wird: wärmer und holziger. Ein Duft zum Nase-in-den-bedufteten-Winterschal-stecken-um-dran-zu-schnuppern.
Einmal diesem Duft verfallen hoffe ich, dass er niemals aus der Produktion geht.
Wenn doch bin ich die irre kleine rothaarige Frau, die ihr in einer Pafümerie trefft und die eilig die Restbestände an der Kasse mit ihrem letzten Geld bezahlt :-)

Heute in einer Türkisblauen Parfümerie. Ich, wie immer Ausweichmanöver um die aufdringlichen Verkäuferinnen laufen lande GANZ HINTEN im Laden. Ja und was seh ich da? Einen Flakon, den ich so absurd hässlich finde, dass er mein Interesse weckt. Dann auch noch von Cacharel, da hab ich leider nicht so gute Erinnerungen dran. Nun ja, wie dem auch sei, ich musste schnuppern, die Farbkombination des Flakons erst mal verdauen.
Ein wunderbar pudriger Duft! Aber ich musste direkt an alle schwarzgekleideten Freunde aus der Goth-Ecke denken, das gefällt denen 100%, dachte ich.
Also erst mal raus aus dem Laden, Loulou auf dem Handgelenk.
Es dauerte keine Stunde und ich habe ihn gekauft :-) So ein schöner starker und doch nicht aufdringlicher Duft! Meine Nase ist nicht so gut ausgebildet, dass ich beschreiben kann, was da genau duftet, aber es ist toll. Pudrig und süß, aber doch mit einer herberen herbstlichen Note und ja, ich finde die Beschreibung einer Französin wie Peanut sie beschreibt sehr passend.
Dann die Heimfahrt: ich zeige meinem Mann, welchen seltsamen Flakon ich da gekauft habe und er grinst...es ist der Lieblingsduft meiner Schwiegermutter...

Im Fernsehen lief MTV, aus dem Radio sangen Kurt Cobain, die Shakespeare Sisters und ich weinte zu November Rain von Guns n' Roses meiner ersten großen Liebe hinterher.
Wir trugen Papas Holzfällerhemden, Levis 501 und Doc Martens an den Füssen...das Leben lag vor mir und meinen Freundinnen wie ein noch ungelesenes Buch.
Über allem schwebte EIN Mädchenduft, süß, ein bischen hölzern und in einer Flasche wie ein Schnullerbonbon:
Un touche de Naf Naf.
Wenn mich jemand fragen würde wie meine Jungend gerochen hat: Genau so, an jedem einzelnen Tag! Und, was soll ich sagen, bekomme ich ihn heute in die Nase, explodiert in meinem Kopf ein Meer an Erinnerungen und genau das ist es doch, was einem Duft sein Leben einhaucht, oder?