Partnertausch - Oder: Sind Sie schon einmal neben sich aufgewacht?
Sagen Sie: kennen Sie das? Liegen sie auch manchmal neben sich, oder haben Sie zumindest das Gefühl?
...
Nun höre ich, wie Sie sagen: „Neben sich stehen. Das heißt: Haben Sie auch manchmal das Gefühl, dass sie neben sich stehen? So sagt man das!“
Nein, nein. Liegen… Ich meine wirklich: Haben Sie auch schon einmal das Gefühl gehabt, neben sich zu liegen?
Nun, ich will mich erklären:
Ich führe eine Fernbeziehung.
Eine Fernbeziehung der Art, bei der es nichts ausmacht, wenn man vor der Fahrt ins gemeinsam zu verbringende Wochenende beim Packen des Weekenders einige notwendige Dinge, auf die man nicht gerne verzichtet vergessen hat.
Denn sollte es wirklich einmal geschehen, dass man ein Oberhemd zu wenig eingepackt hat, dann ist am anderen Wohnort ein Hemd, auf das man zurückgreifen kann. Selbst für eine nicht eingepackte Boxershorts findet man Leihersatz in der unteren linken Schublade in der anderen Stadt, in der anderen Wohnung. Und auch Rasierschaum ist da. Sogar die selbe Marke, die man zuhause verwendet. Für das Beste im Mann. In beiden.
Bei dem Thema „Fernbeziehung“ erntet man rasch mitleidige Blicke, wenn man davon erzählt.
Lassen Sie es mich einmal sagen: Es ist unnötig! So schlimm ist es nicht.
Ich möchte nicht soweit gehen, zu sagen: „Im Gegenteil!“, aber es gelingt recht gut. Genauer gesagt: Es gelingt seit sechs Jahren.
Ich komme gleich zu dem Punkt, an dem es dann um Parfüm geht. Haben Sie kurz Geduld.
Also: Fernbeziehung.
Warum gelingt es seit fünfeinhalb Jahren gut, mit 350 km zwischen uns und mehr Tagen in der Woche ohne einander als miteinander? Meiner Meinung nach gibt es dafür drei Gründe:
Erstens: Zunächst liegt es an den Städten. Irgendwie ist es ein bisschen so, als lebe man in zwei Städten. Das hat ein bisschen etwas von Glamour, Luxus, großer Welt - ein bisschen was von „Lebemann“. Deswegen heißt es wahrscheinlich auch, es ist so, als „lebe man“ in zwei Städten… (Ein Kalauer, den die Diktierfunktion in Verbindung mit der Rechtschreibfunktion verursacht hat und den ich nicht liegen lassen konnte...Ich bitte um Nachsicht.
Nein, wirklich. Man sagt zu Freunden Sätze wie: „Ach am Wochenende sind wir in…“ Oder: „Ich weiß gar nicht, in welcher Stadt wir am übernächsten Wochenende sind...“ Und manchmal sagt man: „Unsere Wohnung in… Ist ja im Gegensatz zu unserer Wohnung in…“.
Am Ende verbirgt man hinter dem weltmännischen Getue selbstverständlich nur die Lästigkeit der langen Autofahrt, das Warten im Stau und auch die regelmäßige Sehnsucht, die zwischen dem Sonntagabend und dem Freitagnachmittag liegt. Ich gebe es zu. Manchmal zumindest. Ich bin ein Romantiker.
Dennoch: es ist schön, in zwei Städten sein zu können. Die eine Stadt ist in diesem Fall eine etwas spröde Industriestadt im östlichen Ruhrgebiet, die andere Stadt ist die schönste Stadt der Welt… Zumindest sagen das ihre Bewohner und am Wochenende der Radio-Jingle, der mir im gefühlten Zweiminutentakt auf die Nerven fällt. Aber ja: Ich stimme zu!
Nun warten Sie doch. Wir kommen gleich zu den Düften. Nun also.
Zweitens: Wir sind nun wirklich unterschiedliche Menschen, wir zwei. Das klingt pragmatisch. Das klingt auch selbstverständlich. Und wenn ich jetzt ergänze, dass ich glaube, dass es diesen beiden unterschiedlichen Menschen ganz gut tut, an zwei verschiedenen Orten zu sein, damit sie ihre Unterschiedlichkeit bewahren können und trotzdem eine Einheit bilden, dann klingt das vielleicht sogar ein wenig rüde. Mindestens unromantisch. Aber das ist es nicht! Es funktioniert seit fünfeinhalb Jahren. Das bedeutet nicht, dass es nicht funktionieren würde, wenn wir in einer Stadt, in einer Straße, auf den gleichen 80 m² wohnten. (Gott, lass es 120 Quadratmeter werden!). Aber es funktioniert eben auch so! Und so komme ich zu ... nein, noch nicht zu den Düften… Ich komme so zu
Drittens: Zur Akzeptanz, dass wir so unterschiedliche Menschen sind. Wir leben in einer Zeit, in der ein Film-/ Buch-Titel wie „Call me by your name“ die romantische Verklärtheit einer Beziehung auf die Spitze treibt, in der die Grenzen des einen und die Grenzen des anderen so miteinander verschwimmen, dass es keinen Unterschied mehr gibt, welchen Namen man führt. Etwas höchst Individuelles wie der eigene Name, wird belanglos, austauschbar. Die Grenzen des eigenen Ichs verschwimmen, gehen ineinander auf, werden auf eine beinahe nachlässige Weise im wahren Wortsinne gleich-gültig. Nun soll das hier kein Lob der übersteigerten Individualität werden oder der Abgrenzung, schon gar nicht der Egozentrik. Aber ich finde es hervorragend, dass ich eine Beziehung führe, in dem wir uns gemeinsam über Paare amüsieren, die im Partnerlook durch die Fußgängerzone bummeln und dabei herzerfrischende Einigkeit bei der Auswahl von Khakihosen, rot-beige-karierten Hemden und Sportschuhen der gleichen Marke demonstrieren.
Call me by your name... Und auch wenn ich manchmal die Augen verdrehe, mag ich es eigentlich gerne, dass wir uns in vielen Dingen widersprechen und um die Dinge, in denen wir uns einig geworden sind gerungen haben.
Nun also: 320 Kilometer trennen uns an 5 Tagen pro Woche und verhindern Rangeleien und erlauben Individualität, Abgrenzung und dennoch die Gewissheit, ein starkes Paar zu sein und dann... und dann... UND DANN...geschieht Folgendes:
Eines Morgens in MEINER WOHNUNG. Oberhemd war mitgebracht worden. Shorts auch. Rasierschaum: egal, geschenkt.
Aber dann:
„Du, ich hatte keinen Duft mitgenommen. Ich habe einen von Dir genommen, ja?!“
...
„Ja.“
Ich wollte gerade fragen - mit bemüht unbeteiligter Stimme: „Welchen denn?“, da wurde es mit Öffnen der Badtüre offenbar: Baccarat Rouge 540, oder wie man hier sagt: BR540 von MFK.
Zusammengefasst wurde das erste Dufterlebnis in dem Satz: „Riecht lecker!“
Da analysiert man Duftpyramiden, arbeitet sich durch Kommentare, wägt Silbenzahlen für kurze Statements ab und dann: „Riecht lecker.“
Jo!
Von diesem Augenblick an hatte ich an diesem Tag zwei Düfte in der Nase. Beides meine Düfte. Ich fühlte mich die ganze Zeit als wäre ich zwei. Verwirrend.
Sillage (Ist Ihnen eigentlich schon einmal aufgefallen, wie wichtig die korrekte Schreibung mit Doppel-„l“ hier ist? Wenn nicht, dann schauen Sie das doch einmal nach…) und Haltbarkeit sind ja hier nicht von schlechten Eltern. Daher gelang es auch nicht, großzügig darüber hinwegzuriechen.
Gleichgültig. Der Tag nahm seinen Lauf, der Duftverlauf auch.
Dann kam die Nacht!
Die. Nacht.
Es begann bereits beim Einschlafen. Eigentlich schlafe ich immer in den ersten 1,5 Sekunden ein, noch bevor ich meine Augen schließe. In dieser Nacht nicht. Mir gingen Gedanken durch den Kopf wie: Warum performt dieser Duft bei mir nicht so stark? Die Safrannote klingt bei mir nicht so harmonisch mit den anderen Duftnoten. Irgendwie ist er ja schon sehr süß... (Den Duft meine ich.)
Und immer, wenn ich gerade fast eingeschlafen war, wehte mich wieder in der Bewegung neben mir eine weitere Böe an.
„Zuckerwatte“, „Arztpraxis“, „Safran“, „Erdbeere“.
Ein riesiger Wortkreisel, der auf mich zurast oder eine Wortwolke, die immer größer wird, schienen mich zu bedrohen. Plötzlich klangen in einer Kakophonie von Stimmen der Foristen und Foristinnen hier all die Begriffe aus deren Kommentaren und Statements auf mich ein.
Ein „BR540MFKEdP-Crescendo!
Irgendwann bin ich aber wohl doch eingeschlafen.
Und dann wachte ich in der Nacht auf.
Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie verwirrt und erschrocken ich war.
Sicher sind Sie schon einmal wach geworden und wussten nicht genau, wo Sie waren. Vielleicht waren Sie im Halbschlaf verwirrt und haben überlegt, in welchem Zimmer Sie sind, oder wie spät es ist, oder ob Sie es noch pünktlich zur Abiturprüfung schaffen, obwohl Sie bereits 62 und promoviert sind, oder vielleicht auch, wie Sie da in diesen Kleiderschrank gekommen sind… Immer ging es dann um Worte, um Zeit, oder um Verpflichtungen.
Bei mir ging es um nichts Existenzielleres um mein SEIN.
Ich dachte nämlich: Das da neben dir, das bist doch du! Aber wer ist dann der, der hier liegt?
Ich roch noch einmal.
Nein, ganz sicher: Das da bin ich. Auch das Kopfkissen da neben mir ist das Kopfkissen, auf dem ich hier liege, denn es riecht nach mir. Wenn ich mich auf eines verlassen kann, dann ist das meine Nase. So rieche ich. Wer bin ich und wenn ja... Vorsichtig tastete ich mit der Hand.
Ein verschlafenes „Was?“ klingt mir entgegen. Ich liege wirklich da und ich spreche im Schlaf. Na, sag mal: Wie rede ich denn mit mir? Dann taste ich nach meiner zweiten Hand. Konzentrier dich! Gut, da ist sie. Ich bin also noch hier. Besser: ich bin also hier auch noch... Und dort auch.
Die Berührung meiner Hand führt offenbar neben mir zum Wechsel der Schlaflage. Eine Duftwolke. Gott, rieche ich gut da neben mir, denke ich so, während ich neben mir liege. Beinahe kafkaesk... Herr A.
Dann spürte ich, wie die Eifersucht in mir wuchs. „Worauf?“, fragen Sie? Auf das Parfum? Iwo!
Auf den Typen, mit dem ich mich da betrüge.
Genau so ist das nämlich:
Es ist ein bisschen so, als hätte man seinen Partner mit sich selbst betrogen.
Oder er mich mit Sich?
Oder er mich mit mir?
Oder er sich mit mir?
Sehen Sie: Da geht es doch schon los! Man verliert doch völlig den Überblick.
Irgendwann bin ich dann wieder eingeschlafen. Am nächsten Morgen, als die Sonne wie eine goldene Flüssigkeit rotschimmernd durch mein Fenster schien, war dann alles vorbei.
„Du hast übrigens unruhig geschlafen!“, klingt es mit leisem Vorwurf aus dem Bad. Etwas genuschelt, weil Zahnbürste im Mund. „Do hasch misch beinahe ausch däm Bäd geschoschen!“ („Du hast mich beinahe aus dem Bett gestoßen!“)
„Ja, weil ich näher bei mir liegen wollte!“, murmele ich.
„Wasch hasch Do gesasch?“
„Nichts!“
Wasser läuft. Gurgelgeräusche.
„Ach Du, sag mal: Dieses Parfum in der roten Flasche. Wie heißt der? Lyric Man... Ich probie...“
„NEIN!“
„Herr je, ist ja gut! Ich kann doch nichts dafür, wenn Du schlecht schläfst...“
Nein, nein.