Mikadomann

Mikadomann

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Mikadomann vor 3 Jahren 37 16
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9.5
Duft
Ein Moment der Intimität und der Sinnlichkeit

Ich glaube, es ist der Beginn einer Reise…

Das Duft-Ticket, das mir die erste Etappe dieser Reise ermöglicht hat, habe ich der Großzügigkeit und dem Kenntnisreichtum eines wunderbaren Parfumo zu verdanken. Daher ist dieser Kommentar Can gewidmet und mit Respekt und tiefem Dank verbunden.

Wer meine Rezensionen und Statements liest, weiß, dass ich mich Düften häufig in Bildern nähere. Die Assoziationen helfen mir, Düfte besser zu verstehen und sie mir zu erarbeiten.

Auch bei diesem besonderen Duft entstanden sogleich Bilder in mir. Aber diesmal war es anders.
In der ersten Sekunde kam mir eine Filmszene in den Sinn. Und noch mehr als die Szene, die ich eigentlich nur oberflächlich erinnere, entstand vor mir das Bild der Figur und das Bild der Schauspielerin, die sie spielt. Diese Szene und das Bild dieser Schauspielerin hat mir den Duft erschlossen.

Der Film von dem ich spreche, ist „Carol“, die Schauspielerin ist die wunderschöne Cate Blanchett. In einer Szene zu Beginn dieses Films, betritt sie die Spielzeugabteilung eines Kaufhauses.
Dabei strahlt sie eine unfassbare Eleganz aus. Sie trägt einen langen, braunen Pelzmantel, darunter Schwarz, einen roten Schal, auf ihren blonden und gelegten Haare eine rote Kappe. Und sie trägt Lederhandschuhe in der Hand. In einer Großaufnahme, die zeigt, wie sie diese Handschuhe auf den gläsernen Verkaufstresen legt, wird rasch deutlich, dass dieses Accessoire noch eine wesentliche Rolle spielen wird.
Und vielleicht sind es sogar diese Handschuhe, die mir als erstes in den Sinn gekommen sind, als ich den Duft zum ersten Mal gerochen habe.
Wenige Minuten später wird Carol sich, bevor sie den Verkaufsraum verlässt noch einmal umdrehen, um der Verkäuferin und auch den Zuschauerinnen und Zuschauern einen atemraubenden Moment weiblicher Eleganz und distinguierter Noblesse zu schenken.

Und eben das ist Tabac blond für mich: Elegant, distinguiert, nobel.

Um eines deutlich zu machen:
Der Duft ist für mich kein Duft für Damen. Er ist auch nicht androgyn. Er ist, was der Mensch, der in trägt ist.
Ich hatte kurz überlegt, ob ich der weiblichen Figur ein männliches Pendant gegenüberstellen möchte. Es wären Männer aus der Literatur: Forsyte, Gatsby, Swann.
Aber Cate Blanchett braucht kein Pendant…


Ich bewahre die Szene, die man durchaus auch in einem Trailer im Netz finden kann, in meinem Kopf und finde so wieder zu dem Duft.

Die Lederhandschuhe, der Pelz. In vielen Szenen des Films rauchen die Hauptfiguren, beide Frauen.

In der Tat ist der Duft rauchig.
Aber es ist kein Rauch im klassischen Sinne, kein blauer Dunst in einem verrauchten Zimmer. Es ist auch nicht der wohl duftende Pfeifentabak.
Es ist der Rauch in einer großzügigen und gediegenen Hotellobby, der sich in einem Sonnenstrahlbündel zeigt, das durch das große Fenster einfällt und in dem er sich kräuselt. Weiß, schimmernd und nicht von Nikotin, sondern von Tabak getragen.
Dieser Rauch, diese Note von Tabak liegt von Beginn an in dem Duft und bleibt beinahe ganz bis zum Schluss die prominente Note.

Das Leder, das ich in diesem Duft unbeschreiblich schön finde, ist das weiche Leder häufig getragener Handschuhe. Es sind weiche Wildlederhandschuhe, vielleicht Hirschleder.
Und auch wenn es ganz zarte, kaum wahrnehmbare Andeutungen von animalischen Noten gibt (ich könnte nicht entschlüsseln, welche Komponente in der Pyramide dafür verantwortlich ist), dann wird das Leder aber vor allem von einer sauberen, wunderschönen Cremigkeit unterstrichen. Vanille und Amber sind verantwortlich für diese Cremigkeit.
Für mich liegt hier der Schlüssel zur Kunst dieses Eau de Parfums.
Es ist, als hätte man in der Komposition genau den Augenblick eingefangen, in dem die Dame den Handschuh von ihrer gepflegt gecremten Hand abstreift. Es ist genau der Augenblick und ich habe den Eindruck, dass ich diese Szene nicht mit meinen Augen, sondern mit meiner Nase wahrnehme. Es ist, als führe ein Regisseur meine Nase sehr nah an diese Hand. Und in diesem Augenblick fügen sich für mich Rauch, sanft gecremte Haut und der letzte Hauch von weichem Leder zu einem wunderbaren Akkord.
So ist es nicht der Duft der Handschuhe, die aus Leder sind. Es ist der Duft der Haut, die einen Handschuh aus Leder abgestreift hat und auf der ein Rest dieses Duftes liegen bleibt.
Das, was ich als leicht animalisch beschrieben habe, ist die Haut, das Menschliche, Körperliche an dem Duft eine Mischung vielleicht mit den kleinen Perlen am Handgelenk eines sauberen Körpers an einem warmen Tag. In diesem Moment gelingt Tabac blond die Übersetzung eines Dufterlebnisses in das Erleben von Intimität und Sinnlichkeit.

Dass die Gartennelke hier so prominent bewertet wird, hat mich zunächst überrascht. Aber ich glaube, dass es genau diese Note ist, die für das Feine, Edle verantwortlich ist.
Denn in der Tat ist der Duft im Hintergrund - und zum Ende, beinahe in den allerletzten Minuten hin auch zunehmend - floral. Ich nehme die Nelke jedoch nie kräftig wahr.
Sie leitet den Duft ein und sie beendet ihn. Sie begleitet stets im Hintergrund, spielt sich für mich nie in den Vordergrund. Ich käme nie auf den Gedanken, diesen Duft als blumig zu bezeichnen. Er wäre für mich immer rauchig. Aber gleichgültig zu welchem Zeitpunkt: Zu Beginn, wenn der Duft rauchig ist, oder zum Ende, wenn er cremig wird: Die Nelke unterstreicht stets das Beste an ihm. Vielleicht ist es das, was manche Menschen dazu führt, den Duft als Damen-Parfüm einzuordnen.

Es ist mein erster, wirklich klassischer Duft aus diesem Traditionshaus. Mit dem ersten Sprühen wusste ich, dass ich einen Duft gefunden habe, der mich lange begleiten wird. Er hat eine Leidenschaft in mir ausgelöst und mich neugierig gemacht auf die ganz klassischen Düfte.
Wenige Tage, nachdem ich den Duft probiert hatte, habe ich Kontakt mit dem Haus in Paris aufgenommen.
Ich habe das Eau de Parfum bestellt und gleichzeitig nach dem Parfum gefragt.
Die etwas unbeholfen Erklärung half mir leider nicht weiter.
Mit dem Eau de Parfum erhielt ich jedoch eine Probe des Parfums. Heute weiß ich, dass meine Frage offenbar genau wenige Tage vor der Veröffentlichung der neuen Formulierung des Parfums eingetroffen war.
Inzwischen habe ich beide Formate verglichen. Ich möchte an dieser Stelle keine Kategorie von Besser oder Schlechter eröffnen. Das liegt nicht in meiner Natur. Es sind beide wunderbare und einzigartige Düfte. Außerdem fehlt mir auch das Wissen, die Historie, der Vergleich, die olfaktorische Bildung, die mir einen klugen Vergleich erlaubte.
Vielleicht ist die florale Note in der neuen Formulierung zum Ende hin stärker. Die Duftpyramide ließe darauf schließen und stützte den Gedanken. Zuerst hatte ich nur bei dem neuen Parfum, später dann jedoch auch bei dem älteren Eau de Parfum eine ganz leise, assoziative Erinnerung von der Blumigkeit von Xerjoffs „Opera“. Selbstverständlich niemals so laut und so überbordend. Vielleicht können Leserinnen und Leser mich unterstützen und dieser Idee auf den Grund gehen.

Ich glaube es ist der Beginn einer Reise…
Eine Reise, die mich zu den Klassikern führt. Inzwischen habe ich „Pour un Homme de Caron“, „Yatagan“, aber auch „Jicky“ und „L‘heure bleue“ probiert. Ich habe den Eindruck, als entdeckte ich meine Leidenschaft für Düfte neu.

Diese Reise beginnt erst gerade.
Ich freue mich, wenn mich Leserinnen und Leser dieses Beitrages mit Hinweisen auf lohnenswerte Zwischenziele unterstützen.
16 Antworten
Mikadomann vor 3 Jahren 37 15
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Duft
Kein Planet! - Ein Liebling der Götter!
„Ganymed […] ist der dritte und größte der vier Galileischen Monde […]“ (Wikipedia)

„Ganymed, auch Ganymedes ist in der griechischen Mythologie ein Sohn des trojanischen Königs Tros und der Kallirrhoë […] und der „Schönste aller Sterblichen“. Er wurde von Zeus geliebt.“ (ebd.)

So muss dieser Duft entstanden sein:

Auf dem Felsen liegt, halb wach, halb schlafend, Ganymed.
Durch schwere Lider sieht er, wie die Mittagssonne in verspielter Komplizenschaft mit den Silberblättern des Olivenbaums Muster malt auf seine Haut, als seien ihre Strahlen leichte Pinsel und der Blätterschatten Farbe, die sie tupft und wirft und wirbelt.
Sein Lächeln, das eben noch der eigenen Schönheit galt, fällt matt von seinen Lippen und in der Mittagshitze überkommt ihn Schlaf.
Auf seiner Haut an Stirn und Brust rinnen glitzernd Perlen; hinterlassen, in der Wärme trocknend, weiße Spuren. Würde er sie schmecken, dann wären sie salzig - und süß.

Im Traum sieht er sich stehen am weißen Strand. Der Blick aufs Meer und in die Weite. Weit und weit darüber noch hinaus. Er sieht, was alles hinter all dem liegt. Was zu entdecken sei, was zu kämpfen, zu erobern, was zu lieben und seine Füße stehen fester jetzt im Sand.
Da hört er in der Ferne ein Rauschen und ein Wehen.
Hundert Stürme scheinen sich zu einem zu verbinden.
Da ballen sich die Wolken, türmen sich und fügen sich zum dunklen schweren Tuch. Umgeben ihn. Umwehen ihn. Legen sich über ihn.

Dann wird es still.
Dann wacht er auf.
Dann hebt er seine Lider.

Auf dem Stein, ganz nah der Adler. Seine Flügel noch gespreizt vom mächtigen Flug und der letzte Windzug klingt noch rauschend in den Federn aus.
Keiner der beiden ist erschrocken. Das bedarf es nicht.
Er ist. Und er ist. Schön. Beide.
Die junge Männlichkeit des Einen. Gott-Königliche Kraft des Anderen.
Tief sind die Augen des Vogels und sein Blick liegt auf dem Mann.
Der stütz sich auf den einen Arm, versenkt den Blick in den des Vogels und mit einer nachlässigen Bewegung erhebt er sich von seinem Stein, auf dem er geruht hat und geträumt.
Dann steht er da.

Und als seien die Bewegungen der beiden eine, öffnet der Vogel seine Schwingen und schließt sie um den Mann, umschließt ihn, schließt ihn ein. Und hält ihn. Und die Zeit. Und die Zeit. Und die Zeit geht hin.

Dann öffnet er die Flügel.
„Warum weinst Du, Ganymed?“
„Weil ich von nun an ein Mann bin.“

„Und warum weinst Du, Zeus?“
„Weil ich von nun an kein Gott mehr sein will.“

Und beider Tränen mischen sich am Boden.

So muss dieser Duft entstanden sein.
15 Antworten
Mikadomann vor 3 Jahren 52 24
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9
Duft
Zur Hölle!
Nuit de Bakelite

Mich fasziniert dieser Duft nun seit Monaten.
Seit Monaten versuche ich einen Kommentar zu diesem Duft zu schreiben.
Seit Monaten versuche ich, meine Assoziationen in Wörter zu fassen.
Seit Monaten sammle ich Stichwörter.
Seit Monaten entgleiten sie mir.
Zur Hölle!

Nun, sei‘s drum!
Nehmt einfach das und macht damit, was Ihr wollt!

Nie wäre ich bei dem Duft darauf gekommen, dass er nach Bakelit riechen könnte.
Selbstverständlich nicht. Denn Bakelit ist ein vollsynthetischer Kunststoff, der industriell hergestellt wird. Er ist geruchlos.

Vielleicht ist es gar nicht so schwer, die Natur in einem Duft abzubilden. Jeder weiß, wie Wald riecht. Viele wissen wie eine Katze riecht. Aber wie setzt man etwas um, das überhaupt nicht riecht?

Es sind zwei Dinge, die meine Wahrnehmung des Duftes, den ich beschreiben möchte deutlich mitbestimmen. Es sind
1. die Kommentare und Statements der anderen Foristen und es ist
2. der Name des Parfüms, den die Künstlerin, die es geschaffen hat, ausgewählt hat.

Ich habe hier noch nie einen Duft als erster beschrieben. Ich habe noch nie einen Duft blind und ohne seinen Namen zu kennen getestet.

„Ein Duft für Damen und Herren“ ... Für alle drei Geschlechter.

Ausführungen der anderen machen Eindruck auf mich. Sie mitbestimmen meinen eigenen Eindruck, den ich von einem Duft gewinne. Sie pflügen den Boden, auf den meine Assoziationen fallen und bereiten ihn für meine eigenen Bilder. Genau so ist es mit dem Namen eines Duftes.

Ich fühle mich ungeheuer wohl mit diesem Duft. Er erlaubt mir eine Menge mehr zu sein.

Oft frage ich mich, ob das Thema, das in dem Namen eines Parfüms verborgen ist, wohl zuerst da war und ob wohl die Künstlerin oder der Künstler versucht hat, dieses Thema in einen Duft umzusetzen.
Oder ist es genau andersherum? Hat die Künstlerin ein Kunstwerk geschaffen, dem sie nun einen Namen gibt, der ihren Dufteindruck am besten fasst?

Geruchlose Dinge kann man nicht riechbar machen.

Selten, meine ich übrigens, hat ein Name zu einem Duft so hervorragend gepasst, wie bei diesem Duft.
Nuit de Bakélite. Bakelit-Nacht...

Wenn ich ein Ding beschreibe, dann beginne ich oft mit der Beschreibung seiner Oberfläche. Wenn ich ein Ding in Geruch übersetze, dann übersetze ich möglicherweise seine Oberfläche.

Wenn ich diesen Duft trage, dann fühlt es sich an, als sei meine Schale hart. Ich bin nicht aus Teflon. Aber wenn ich den Duft trage, dann gebe ich meine Persönlichkeit nicht so rasch preis. Ein Duft, der meine Geheimnisse bewahrt.

Eine Bakelit-Nacht: Ist ohne Schatten. Schafft starke Umrisse. Schafft klare Konturen. Ist blau. Ist grün. Ist metallisch. Wie der Panzer eines Käfers. Eines Käfers aus Kunststoff.

Ich spiele Mahjongg. Nicht das Spiel, das man am Computer spielt, um die Zeit tot zu schlagen und das so funktioniert, wie ein Memory. Ich meine das wunderbare Spiel, das in den zwanziger Jahren berühmt war und das seine Wurzeln in China hat. Heute sind die meisten Steine aus Plastik. Die schöneren Spiele sind aus edlem Holz. Die ersten alten Spiele waren aus Elfenbein. Später dann waren die Steine aus Bakelit.

Mich fasziniert dieser Duft. Entfremdet mich von mir. Der Duft bringt mich eher zum Denken als zum Fühlen.

Manche Parfümeure sind Designer.
Manche Parfümeure sind Künstler.
Manche Parfümeure sind Zauberer.
Manche Parfümeure sind Hexer.

Den Duft würde ich nie zu einem Rendezvous tragen… Aber zu einem Date!

Die Musik, die zu diesem Duft gehört, rattert. Sie wird schneller, kantig, eckig, peitscht. Die Noten beschreiben den Klang und nicht die Melodie. Plötzlich geht sie aus und das Licht geht an und auf dem Boden ist der ganze Alkohol ausgekippt.

Man merkt genau, wenn etwas besonders ist.

Als man das Spiel in den zwanziger Jahren gespielt hat, konnte man sehr viel Geld dabei verlieren. In den großen Metropolen spielte man es in den Hinterzimmern. Lange Zigarettenspitzen. An dunklen Tischen. Lackiert. Das Holz der Tische- und die Fingernägel.

„Hier sind fünf Mark. Geh in den Supermarkt und Kauf mir dafür fünf Kilo Liebe!“
„Liebe kann man doch nicht kaufen!“
Kann man doch...

Es bleibt etwas Künstliches. Selbst, wenn man Hilfe in den Bildern der Natur sucht. Denke ich an Blumen bei dem Duft? Vielleicht an Anthurien. Für mich eine der unnatürlichsten Blumen, wenn es das überhaupt gibt.

Wenn man Glück hat, dann findet man so ein Spiel noch zwischen Antiquitäten. Man spürt den Unterschied zwischen Plastik und Bakelit rasch

„Die Welt, die monden ist.“ Rilke

Die Spielsteine aus Bakelit werden auf dem Tisch ausgebreitet und gemischt. Wenn die Steine aneinanderstoßen, dann entsteht ein Geräusch: ein helles Klickern, das man in China mit dem Zwitschern von Sperlingen verglichen hat. Mahjongg heißt dort das „Sperling-Spiel“.

Die Duftpyramide hilft mir überhaupt nicht. Angelika rieche ich auch. Aber was hilft das? Ich glaube, alle Inhaltsstoffe dienen nur dazu, eine flache Oberfläche zu gestalten, an der ein Tautropfen, Regen oder eine Schweißperle hinabrinnen würden.

Ich erinnere mich an ein Bild. Ein Portrait eines Expressionisten. Das Gesicht der Frau rot. Nase und Kinn spitz. Die Haare wie ein dreieckiger Turm schwarz. Tiefe Ringe unter ihren Augen. Die Lippen wie ein Blitz geformt. Hätte die Gemalte diesen Duft getragen, hätte man ihr Gesicht grün malen müssen.

Wenn Fingernägel über Kunststoff Katzen, können Sie abbrechen. Wenn Fingernägel über Bakelit gleiten, hat man das Gefühl, als könne man sie in das Plastik graben und zurück blieben kleine Monde.

Die Oberfläche von altem Bakelit fühlt sich nicht so kalt an, wie unser heutiges Plastik. Es ist kühl in der Hand und wird rasch angenehm warm und dann hat es etwas Wächsernes.

Der Duft ist ein Formwandler. Ein Formwandler auf meiner Haut. Er nutzt sie als Projektionsfläche für sich selbst. Damit ist er der egoistischste Duft, den ich je getragen habe.

Jetzt bin ich sicher. Es muss deutlich leichter sein, einen Waldspaziergang in eine Flasche zu füllen als einen schroffen, kantigen Klumpen aus Kunststoff.

Hier wird keine Liebesgeschichte erzählt und es gibt auch keine Leidenschaft. Kühle Anziehung vielleicht… Aber das ist morgen schon vorbei.

Der erste Eindruck ist ein wenig rauchig. Das ist aber auch schon die sanfteste Assoziation.

Das Licht gestaltet die Oberfläche. Bakelit glänzt nicht. Es ist eher, als schlucke das Material das Licht und werfe nur den Rest des Lichtes, den es übrig behält wieder zurück.
Die Oberfläche schimmert. Wenn es das Wort gäbe: Kerzen-kalt...

Die Männer haben keine Haare auf der Brust. Sie haben gar keine Haare - nirgendwo. Sie sind rasiert - überall. Aber um Haut geht es hier auch nicht. Eher um weißes, steifes Leinen. Nein: der Stoff, aus dem das Hemd ist, muss künstlicher sein.

Ich rieche diesen Duft noch Tage später an mir. An meinen Händen und an meinen Sachen. In meinem Auto. Und immer wenn ich ihn rieche, denke ich: Er ist noch da.

Die Bernstein-Nacht ist versickert im eignen Dunkel. Hier ist der Ballsaal im künstlichen Licht. Männer mit ihrer Hand am Knie der Damen und mit dem Blick an den Lippen des Kellners. Über Ambre Nuit würde man sich hier totlachen.

Diese Blume trägt man nicht im Knopfloch. Man trägt sie in der Gürtelschnalle.

Der Ritter trägt keine Rüstung aus Stahl.

Mit alledem macht jetzt, was ihr wollt.
Der Duft mach das schließlich auch…


24 Antworten
Mikadomann vor 3 Jahren 22 15
Von Rumtopf und Möbelpflege
Kaffeerunde. Toupierte Frisuren in Farben zwischen Hellblau und Schnewittchen-Schwarz…

„Anneliese, nimm noch Rumtopf zum Eis!“
„Ach, Resi, der riecht schon so nach Alkohol… Der ist stark, oder? Ich muss ja noch fahren.“
„Nimm, Anneliese! Da sind nur dunkle Früchte aus dem Garten drin.“
„Hoppla! Ach Gott! Die Couch… Geht das wieder raus?“
„Mach dir keine Gedanken! Nur jetzt nicht reiben! Ich nehme Lederpflege. Die hab ich von HaRa.“
„Ja, aber da riecht die Wohnung ja noch Tage danach. Das kriegst du ja gar nicht mehr aus dem Zimmer raus.“
„Ach, ich rieche das eigentlich ganz gerne…“
„Dann hast du die Creme!“


So, oder so ähnlich stelle ich mir die Szene vor, wenn ich den Duftverlauf von Alexandria II bildhaft beschreiben sollte…

Beim ersten von närrischen fünf Sprühstößen, war ich schon völlig schockiert. Warum ich weiter gesprüht habe? Ich weiß es nicht!

Für viele hier ist dieser Duft offenbar etwas ganz Besonderes!
Daher sage ich vorab: Alles, was ich schreibe ist ganz subjektiv. Ich glaube auch, zu ahnen, was an diesem Duft so fasziniert. Nichts von dem, was ich schreibe, soll die Berechtigung der Begeisterung der Meisten in den anderen Kommentaren anzweifeln...

Dennoch...

Einige der vorherigen, ebenfalls kritischen Kommentatoren und Kommentatoren beschreiben ihren Eindruck mit dem Begriff „medizinisch“.
Ich weiß sehr genau, was sie meinen. Für mich grenze ich das noch einmal ein und bezeichne es als stark alkoholisch.
Das ist aber nicht der sanfte Alkohol eines Likörs und auch nicht der Duft, der die Vielfalt kräuterbasierter Schnäpse oder von Obstbränden beschreibt, sondern es ist für mich eher die stechend alkoholische Note, die starke Pflegereinigungsmittel oder Reinigungspflegemittel besitzen: Eben Möbelpolituren, Lederpflegemittel, Fleckreinigung.

„Fleck-weg! Der reinigt und pflegt. Jetzt mit noch cremigerem Duft“
An dieser Stelle wird dann oft gefragt, ob eine Probe möglicherweise gekippt sei. …. Nein!

Ich hatte selten, noch nie eine so starke erste Abwehrreaktion. Wenn einige Kommentatorinnen und Kommentatoren von Abwaschzwang schreiben, dann habe ich auch hier eine Idee davon, was gemeint ist. Der stechende Duft – vom Geruch zu schreiben, wäre nun zu negativ – geht bei mir tatsächlich auf die Nasenschleimhäute und legt sich auf die Zunge.
Ich hatte mich schon auf einen Tag mit Kopfschmerzen eingestellt. Und ich bin wirklich, wirklich nicht empfindlich.

Leinenhemd, Kashmir-Pullover, Daunenjacke… Die Nase an der Armbeuge erriecht den Duft, als läge nichts zwischen Haut und Riechorgan.
Ich verlasse das Haus ... und der Duft wird angenehmer.
Es ist fast so, als brauche der Duft die Luft um selbst atmen zu können. Wie ein Wein, der im Glas, frisch eingeschüttet in der Nase sticht, aber nach 30 Minuten weicher und samtig wird. Aber durchaus ja auch hier: die spontan notierte Assoziation von Alkohol.
Aber ich weiß jetzt, was gemeint ist, wenn der Duft ihr begeistert beschrieben wird...
Für eine kurze Zeit denke ich, vielleicht muss ich geduldiger sein. Vielleicht finde ich noch Gefallen…

Der Duft umgibt mich die ganze Zeit. Immer wieder fliegt er mir in die Nase. Wenn ich den Kopf drehe, wenn ich das Gesicht senke, wenn ich mir durch die Haare streife …
Ich zögere, von Penetranz zu sprechen. („Selbst schuld!“, höre ich euch sagen. „5 Sprühstöße! Bei Xerjoff! Bei Alexandria!!!“...)

Sobald ich die Wohnung wieder betrete, wird es mir mit dem Duft zu eng. Aber das ist nicht die Intensität oder die Sillage. Das ist schon der Duft selbst, der mich bedrängt.

Ich habe kaum den Duft von Rosen in der Nase. Für mich dominiert das Oud.
Lavendel? Möglicherweise. Amber? Das stelle ich mir weicher vor.

Selten vergleiche ich Düfte miteinander, weil ich oft denke, dass es sich um sehr eigenständige Kompositionen handelt, die man zwar vor dem Hintergrund der eigenen Wahrnehmung beschreiben kann, die aber selten Vergleichen standhalten…
Hier wage ich es, in der Ahnung, dass mir viel Widerspruch zu Teil wird.
Ich trage sehr gerne Guerlains Santal Royal.
In einigen Momenten erinnert mich Alexandria II daran. Aber in dem Duft von Guerlain ist die Komposition von Rose und Oud harmonischer, bildet da einen großen Bogen, wirkt abgestimmt, austariert.

Ich habe zwei ausführliche, begeisterte Kommentare zu zwei Xerjoff-Düften geschrieben: „Accento Overdose“ und „Opera“.
Da haben mich die blumigen Noten, das Überbordende, das Verschwenderische wirklich ergriffen und gepackt. Alexandria gelingt das nicht.
Möglicherweise mag ich eher das Helle, Fruchtige, wirklich Blumige an der Marke.
Obwohl ich grundsätzlich auch kantigere Düfte mag, ist mir das hier zu rumpelig, ja vielleicht etwas zu rüpelhaft.

Zum Ende hin wird der Duft dann sanfter. Er bekommt etwas Cremiges. Aber auch das ist nicht die Cremigkeit von Desserts oder von wohlriechenden Hautpflegen, sondern eben die Creme für die Lederpflege. Und auch darin ist Alkohol.

Ob wirklich Könige so riechen, weiß ich nicht. Wenn, dann müssten es die ägyptischen Pharaonen gewesen sein… Vielleicht.
Aber: Diese Verbindung habe ich nicht.

Der Duft verbindet sich möglicherweise für mich überhaupt nicht mit einem Menschen.
Er bleibt „an sich“. Er ist ein Duft, ohne zu menscheln.
Für mich alkoholt er vor sich hin. Er alkoholt in meiner Nase, auf meiner Zunge, in der Speiseröhre und im Kopf.

Von Enttäuschung zu reden, wäre falsch. ... Aber ich mag ihn nicht.

„Es klopft…“
„Da bist du ja, mein Schatz!“
„Guten Tag, die Damen! Guten Tag, Tante Anneliese!“
„Das ist Euer Sebastian? Mein Gott ist der groß geworden! Und chic! Mit Rose am Revers! Wie alt ist er denn jetzt?“
„36 schon! ... Jura…!“
„Ohhh! Da seid ihr aber stolz! An den Kindern sieht man, wie die Zeit vergeht.“
„Sebastian, nimm Rumtopf!“
„Mama, hier riecht es so…“
„PASS AUF! Ach, Sebastian! Jetzt setz dich doch nicht auf den Fleck da! Jetzt hast du die ganze Möbelcreme an der Hose!“

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Mikadomann vor 3 Jahren 52 24
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Duft
Aufgewacht in den Armen eines Satyrs, eines Fauns…
Aufgewacht in den Armen eines Satyrs, eines Fauns…

Eure lakengedeckten Betten sind nicht meine Sache!
Auch nicht eure Kissen in den engen Kojen, in die ihr euch verkriecht, wenn ihr einsam euren lustvollen Gedanken nachhängt und mehr Mühe darauf verwendet, sie zu verbergen – auch vor euch selbst – als euch ihnen hinzugeben und wirklich werden zu lassen.
Mein Bett ist das Moos. Mein Kissen ist das Laub.
Eure Decken brauche ich nicht. Ich will sehen!

Gestern Abend auf der Lichtung hast du mich gesehen. Und ich dich.
Als ich da lag. Und du warst erschrocken. Nicht alleine meines Anblicks wegen. Denn ich bin schön. Bin schön, wenn auch – nein: weil meine Bocksfüße und meine Hörner dich befremden. Diese – und mein Fell.
Gestern Abend auf der Lichtung hast du mich - noch bevor du mich gesehen hast - gerochen. Ich weiß es.
Ich habe gesehen, wie du dich abgewendet hast. Wie du mit dir gerungen hast. Zwischen Widerwärtigkeit und Faszination warst du. Abgewendet hast du dich und doch nachgespürt, diesem Duft, diesem Geruch.
Und als du dann doch näher kamst, um zu sehen, was das ist und als ich meinen Oberkörper hob, aufgestützt auf meine Arme und als du wegliefst, da wusste ich: Du würdest wiederkommen.

Und du bist da. So rasch.

Neben meinem Bett stehen keine Rosen und keine Lilien. Das ist nicht meine Sache.
Doch gerne lasse ich Blumen für dich blühen. Tiefviolettene mit gelben Adern in ihren fleischigen Blütenblättern. Ganz nah am Boden, wo auch die Pilze wachsen. Sie öffnen sich erst im Dunkeln. Wenn die Schwüle des Tages in die Schwüle der Nacht übergeht. Wenn neben dem Mond der Duft dieser Blume mit ihrer wächsernen Süße die Nacht markiert. Fäden ihres milchigweißen Saftes ziehen die Insekten an. Sie lassen sich auf ihren Kelchen nieder und trinken von dem Saft wie Nektar. Schillernd grün sind ihre Flügel und ihr Summen dumpf. Irgendwann verstummen sie. Denn die Blumen lassen sie nicht mehr los.

Betört dich der Duft? Das feuchte Laub, die Blumen und das Moos? Die Pilze – auch der Verfall?
Wenn schon alles das, wie sehr dann ich!

Da bist du. Nah bei mir. So nah.
Atme mich! Riechst du wie ich dufte? Nicht nach Seife oder lauen Wassern. Das ist etwas für eure Helden. Nach Haut und Fell rieche ich, das überall ist, wohin du fasst. Weich, ganz weich an dieser Stelle. Und an dieser borstig hart. Tropfen von Harz darin, verklebt, von den Bäumen, an denen ich mich gerieben hab. Und in dem Bart an meinem Kinn Honig aus den Waben, aus denen ich getrunken habe. Riechst Du das? Mein Atem nah an Deinem. Nach dem Vanilleöl der Schoten, die ich von den Sträuchern riss. Herb, weil ohne Süße. Und nach Holz und Rinde, die ich kaue nur zum Zeitverteib. Nach Körper rieche ich und allem, was er ist und was er nimmt und was er gibt. Nach Talg und Ölen.

Liebe ist nicht meine Sache. Wollust: Darin bin ich gut!
Ich nähere mich dir. Ich senke meinen Kopf. Und mit dem Senken berührt dich eines meiner Hörner, gerade da, wo du am empfindlichsten bist. An deiner Seite. Mit der Spitze fährt es über deine Haut. Hinab an deiner Flanke und hinab zu deinem Bauch und hinab dahin, wo doch dein Gürtel wäre. Zitterst du?

Leg dein Gesicht an meine Wange, in die Beuge meines Halses, an mein Ohr, in meinen Nacken.
Riech die Blumen, in denen ich mich gewälzt habe. Riech die Früchte, die ich zerdrückt habe und deren Saft ich trank. Riech die Kräuter, zwischen denen ich gespielt habe und mit denen ich mich eingerieben hab. Und riech die Tiere, in deren Höhlen ich gelegen hab. Riech den Regen in meinem nassen Fell. Riech die Spuren aller Lust. Meiner Lust.

Und wenn dann deine Lust dich zerreißt, dann nur, weil du im ohnmächtig-freien Fall verloren gehst im nachtschwarzen Himmel und gleichzeitig deine Finger sich in den feuchtmoosigen Boden krallen und weil Wurzeln aus ihnen schlagen, die dich am Boden, dich hier bei mir halten. Und während du fliegst und gleichzeitig eins mit dem Humus wirst, wirst du Wörter in die Bäume rufen, die du nicht kennst.

Und ein überwältigender Duft wird dich tragen. Aus Blumen, aus Bäumen, aus Säften, aus Tieren, aus Wind und Gras, gegerbt, gesalbt, aus Schweiß und Rauch.

Am Morgen dann in deinem Bett zwischen den zerwühlten Decken. Du wirst ihn riechen, immer noch. Sanft jetzt, ein wenig luftig, harmonisch fast und beinahe lieblich.
Zwischen den zerwühlten Decken - und du weißt:
In dieser Nacht waren es die Arme eines Satyrs, eines Fauns…
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