MissViolett

Vor einigen Jahren:

Später Nachmittag in der Großstadt.

Zeit etwas Neues auszuprobieren!
Zeit sich ins Leben zu stürzen!
Zeit nicht an morgen zu denken!
Zeit zum Übertreiben!

Ich stehe mit meiner besten Freundin direkt vor dem nobelsten Hotel was wir jungen Hupfer je aus nächster Nähe gesehen haben.
Gerade bestaunen wir den pompösen, glänzenden, gläsernen Eingang.
Davor ein großes Rondell für die ankommenden und abreisenden Gäste. Ein Taxi steht dort mit seinem zeitungslesenden Fahrer.
Plötzlich kommt ein dunkelgrüner Jaguar angerauscht, bremst kühn direkt neben uns und hakt forsch zurück, wieder ein Stück nach vorn und wieder ungestüm zurück mit dem Ziel dem Bordstein und dem Hoteleingang möglichst nahe zu sein. Am Steuer sehe ich einen eleganten, beigen Hut mit der ausladendsten Krempe die ich je gesehen habe.

KRAWUMMS
macht es plötzlich und der Taxifahrer springt erschrocken, nach den ersten Schocksekunden, aus seinem Auto und bestaunt den, durch den Jaguar verursachten, leichten aber sichtbaren Schaden.
Die Dame im Jaguar zieht derweil unbeeindruckt ihren Lippenstift mit Blick in den Rückspiegel nach.
Der Taxifahrer hält es nicht länger aus und öffnet leicht nervös die Fahrertür des Jaguars.
Eine Duftwolke kommt aus dem Auto und erfasst uns noch in gut 1,5m Entfernung. Einen auffälligeren Duft hatte ich noch nie gerochen. So intensiv, so süß, so würzig, so geheimnisvoll, so gewagt!
Whow!
Die Dame steigt seelenruhig aus und streicht ihren Bleistiftrock und ihre perfekt sitzende Bluse glatt. Ein leichtes Lächeln umspielt ihre Mundwinkel. In keinster Weise arrogant, nur freundlich und gelassen.

Es folgt ein kurzer Dialog:
Taxifahrer: "Sie haben mein Taxi angefahren!"
Dame: (leicht amüsiert): "Soo, hab ich das?"
Beide werfen einen Blick auf den Schaden (sie flüchtig, er intensiv)
Taxifahrer: "Haben Sie mich denn nicht im Rückspiegel gesehen?"
Dame: "Mein Herr, sie sehen doch, dass ich einen Hut aufhabe. Damit kann ich natürlich nicht sehen was hinter mir ist!"
Dem Taxifahrer klappt sprachlos die Kinnlade herunter.

Wir stehen, eingehüllt in ihren opulenten Duftschweif, staunend dabei.
Schon rauscht sie durch die große Glastür und ruft ihm zu, er solle seine Daten an der Rezeption hinterlassen. Sie rufe dann alsbald zurück.
Die Dame bemerkt uns im Vorbeigehen und zwinkert uns verschwörerisch zu "Jetzt möchte ich mich ersteinmal frisch machen!"

Fasziniert folgen wir dieser Gewürzbombe aus Zimt, Nelke, Zimt, exotischen Früchten und...ach ja: Zimt.
Höflich werden wir an der Rezeption empfangen.
Kurze Zeit später halten wir unsere Zimmerkarten in den Händen und fahren mit dem Fahrstuhl ins 5.Stockwerk. Woher wissen wir wohl, dass die Dame auch mit fuhr?!
In Begleitung dieses extravaganten Duftes fühlt sich unser kleines Abenteuer noch viel unwirklicher an.

Später in der Hotelbar steigt mir dieser unverwechselbare Duft bei unserem Willkommens-Cocktail wieder in die Nase. Stieg mir der Drink etwa zu Kopf? Oder dieser Duft? Oder beides?
Sämtliche Köpfe drehten sich nach und nach, manche mehr andere weniger auffällig, sowohl männlich als auch weiblich, in Richtung Tresen.
Da war sie. La grande dame. Im roten Etuikleid, dazu passenden Lippenstift und mit perfekter Hochsteckfrusur. Elegant und selbstsicher schwingt sie sich auf den Barhocker. Alle Blicke gleiten, magnetisch angezogen, immer wieder verstohlen zu ihr.
Ist es ihr Auftreten?
Ist es ihr Aussehen?
Ist es ihr Parfum?
Diese Dame und dieser Duft ergeben eine Einheit.
Kraftvoll, geheimnisumwoben, selbstbewusst und zu verspielter Übertreibung neigend.

Ich musste nicht lange suchen um diesen betörenden Duft zu finden. Nach einer kurzen Beschreibung lächelte die Verkäuferin wissend und zack, hielt ich ihn auch schon ehrfürchtig in den Händen. Der Flacon erschreckte miich beim 1.Anblick, doch dann lächelte ich. Auch der Flacon passte. Der Jaguar, der Hut, die Frau, der Duft, der Flacon. Eine Einheit.
Immer wieder stehe ich vor diesem Parfum, aber es ist nicht meins. Es gehört ihr. Dieser Duft gehört zu ihr, wie zu keiner anderen.

Und ich hoffe so, dass ich auch das eine Parfum für mich finden werde, welches alle Sinne ineinander verschmelzen lässt und zu einer vollkomenen Einheit mit mir wird.

oder
Der Kaiserin neue Kleider!

Wunderschöner Frühsommertag.
Einzelne weiße Wattewölkchen am azurblauen Himmel.
Kristallklares, in der Sonne funkelndes Wasser.
Ein erfrischend zitrischer Hauch weht durch den majestätischen Garten. Er kommt von der kleinen Bar, direkt neben dem tollen Pool. Ein Dutzend Gläser stehen zur Erfrischung dort bereit mit klirrenden Eiswürfeln, dazwischen Zitronen- und Limettenscheiben.
Die ersten Früchtchen treffen ein.
Eine freche Kiwi flitzt zielstrebig voran und zack: Arschbombe in den verlockenden Pool. Gelächter und amüsierte Blicke.
Unerwarteter Weise folgt gleich darauf der sonst so stille Herr Rhababer mit einer perfekten Kerze ins kühle, klare Nass. Sohnemann macht es ihm sofort nach. Überraschung und Bewunderung von allen Seiten.
Auch die Melone hält es nicht mehr im Trockenen und fröhlich lässt sie sich ins erfrischende Wasser kullern. Sie taucht mit einem großen Platscher unter, kommt aber schnell wieder zum Vorschein und wird jubelnd von den anderen Früchtchen Willkommen geheißen.
Achtung! Jetzt komm ich!
Vorfreudig, mit hochgerissenen Armen springe ich jauchzend ins Wasser. Mein Krönchen fliegt mir noch während meines übermütigen Sprunges vom Kopf. Rein ins kühle Nass. Glücklich und beschwingt, mittendrin.
Eine wundervolle Erfrischung and the party, called life, goes on, natürlich eingehüllt in meine leckeren Früchtchen.

Sich von der Welt erholen

Ein bewaldeter Hügel im Frühling.
Auf der hübschen Lichtung neben dem Feldweg der in das Alltagsleben zurückführt hat man einen schönen Blick auf die kleine Stadt.
Wundervolles Abendrot. Ein lauer Wind weht und man kann den kommenden Sommer schon erahnen.
2 Mädels aus der Abschlussklasse haben sich hierhin zurückgezogen.
Durchatmen und den bevorstehenden Prüfungsmarathon kurz vergessen. Während sie in die leckeren, fluffigen Zimtschnecken beißen, die sie kurz vor Ladenschluss noch schnell aus dem kleinen Bäcker unten in der Stadt geholt haben, plaudern sie über Zukunftsträume und Fernweh.
Vorfreudig, ängstlich und aufgeregt.

What a time to be alive!

25 Jahre später.
Auf der Lichtung kann man den traumhaften Sonnenuntergang eines der schönsten Sommerabende dieses Sommers bewundern.
2 Damen sitzen dort auf einer Picknickdecke.
Gelassen, ruhig und diesen wundervollen Moment im hier und jetzt genießend.
Vor ihnen ein liebevoll hergerichteter Obstkorb und ein Körbchen mit Zimtschnecken, selbstgebacken!
Die eine von ihnen hat Familie mit 2 Kindern und wohnt nicht weit von hier in einem kleinen Häuschen mit Garten.
Die andere ist viel auf Reisen, sowohl beruflich als auch privat. Lebt in einer sehr modernen Wohnung in der Großstadt, gute 5h von hier.
Beide saugen die Geschichten der jeweils anderen in sich auf und möchten gedanklich, wenn auch nur für eine kleine Weile, ihre gegensätzlichen Leben einmal tauschen.

What a time to be alive!

Wieder 25 Jahre später.
Die langsam untergehende Herbstsonne taucht die Welt in einen goldenen Glanz.
Die Lichter des kleinen Städtchens am Fuße des Hügels müssten jeden Moment zu leuchten anfangen.
Eine Bank steht seit ein paar Jahren auf der kleinen Lichtung.
2 wunderbare Ladys mit silbergrauen Haaren sitzen gerade auf ihr.
Voller Genuss beißen sie in die selbstgebackenen Zimtschnecken und sehen sich glücklich an.
Liebevoll und vertraut.
Gedanken und Plaudereien voller Erinnerungen, wunderbarer, aufregender, liebevoller Erinnerungen.

What a time to be alive!

like ice in the sunshine
I melting away
on a sunny day

Dank euch ihr Lieben!
Dank euch habe ich in diesem verrückten Jahr doch noch meinen Traumurlaub.
Zwar nur wenn ich die Augen schließe.
Zwar nur im heimischen Garten.
Zwar nur in meinen Tagträumen...
die mir aber, dank der Inhalation meines karibischen Zauberwässerchens hier, so wunderbar leicht fallen.

Es war ein Blindkauf, 50ml im Angebot, zack, einfach zugeschlagen, und das aufgrund eurer tollen, hilfreichen Kommis und States. Sowohl die positiven, als auch die negativen brachten mich blitzschnell zu der Überzeugung, dass das mein Duft dieses verrückten Corona-Sommers wird.

Ungeduldig die Packung vom Leib gerissen, Flacon begutachtet, die Rose geköpft, 2 Sprühstöße, bin so gespannt, schnuppere vorsichtig, Herzklopfen, schließe die Augen, werde mutiger, fange an zu inhalieren, bin glücklich.
Augen bleiben geschlossen. Zauberhafte Bilder von glasklaren türkisen Wasser soweit das Auge reicht. Ein weißer, feiner Sandstrand vor mir. Eine saftig-grüne tropische Gartenanlage hinter mir, Blütenträume in pink, orange und gelb. Eine Hängematte zwischen 2 Palmen gespannt. Ich schaukel braungebrannt, einen guten Schmöker lesend, sanft darin hin und her. Gerade wird mir ein leckerer, großer, gut gekühlter Kokos-Fruchtdrink serviert. Beschließe die Augen für den Rest des Sommers geschlossen zu halten, da verflüchtigt sich langsam mein Träumchen. Wo bist du nur? Verweile doch!
Ich öffne verwirrt die Augen.
Bin schon jetzt süchtig...
habe Fernweh nach meinem Tagtraum...
aber zum Glück steht da meine kleine Duftdroge vor mir, die es mir so wunderbar leicht macht den Sommer zu genießen.

Ohne Euch hätte ich diesen Duft, aufgrund des Namens und leicht irreführenden Flacons nicht getestet!
Habt vielen Dank ihr Lieben!

So weiß wie Schnee
So rot wie Blut
So schwarz wie Ebenholz
Ein märchenhafter, weißer Winterwald. Watteweicher Schnee ziert die Bäume und bedeckt gänzlich unberührt das saftig, grüne Erdreich.
Himmlische Stille. Die Luft ist kühl und kristallklar. Reiner kann ein Augenblick nicht sein. Lautlos fallen sacht Schneeflocken vom Himmel und fügen sich einzigartig und vollkommen in die Landschaft ein.
Ein Duft nimmt Gestalt an.
Anmutig schreitet, mit bloßen Füßen eine Erscheinung zwischen den Bäumen entlang. Auf einer Lichtung bleibt sie stehen. Ein rubinroter, seidigweicher Umhang umhüllt die Gestalt. Die große Kapuze verdeckt ihr zartes Gesicht. Ihre entblößten schlanken Beine versinken fast bis zu den Knien im Schnee.
Langsam schlägt sie die Kapuze zurück und ihr langes, glänzendes schwarzes Haar fällt ihr in Wellen, wie ein Wasserfall bis über die Hüften. Das zauberhafte Gesicht gen Himmel gerichtet genießt sie mit geschlossenen Augen die zärtlichen, eiskalten Berührungen der Schneeflocken. Sie öffnet leicht ihre perfekt geschwungenen blutroten Lippen und stöhnt kaum hörbar wohlig. Langsam leckt sie mit ihrer Zunge die nach und nach schmelzenden Schneekristalle von ihren Lippen. Sie breitet die Arme aus und beginnt sich zu einer lautlosen Melodie im Kreis zu drehen. Dabei rutscht der Umhang von einer Schulter und entblößt ihre makellose Haut. Sie lächelt mit geschlossenen Augen versunken.
Ich wünschte, ich könnte ihre Gedanken lesen.
Ich wünschte, ich könnte ihre Gefühle spüren.
Ich wünschte, ich könnte in ihren Körper schlüpfen.
Ich wünschte, ich wäre sie!
Plötzlich hält sie inne. Der Duft ist greifbarer geworden. Eine Kindheitserinnerung, ein Bonbon-Stand der keine Wünsche offen lässt, von fruchtig und cremig, über Kräuterbonbons bis Lakritz. Doch auch etwas anziehendes Verbotenes, Giftiges.
Sie dreht sich zu mir um und öffnet unter langen, dichten Wimpern ihre smaragdgrünen Augen. Ihr Blick dringt direkt ins Herz. Langsam schreitet sie mit einem betörenden Lächeln auf mich zu. Dabei greift sie, ohne den Blick von mir zu lösen, in die Tasche ihres rubinroten Umhangs. In ihrer Hand hält sie einen violetten, gläsernen, kunstvoll verzierten Apfel mit einem zarten goldenen Stiel. Sie überreicht ihn mir und langsam löst sie sich auf, und mit ihr verschwinden die Lichtung, der Wald und der Schnee.