Naomagic

Dieser Duft lässt vor meinem inneren Auge unweigerlich einen Film ablaufen. Schon beim ersten Sprüher entsteht in meinem Kopf das Bild der legendär schönen Romy Schneider im Spätsechziger-Klassiker "der Swimmingpool", liegend am in der Sonne golden glitzernden Pool; halb gelangweilt, fast schon träge durch die schwere Hitze, aber mit einem wilden inneren Feuer.
Der Duft ist für mich ebenfalls eine interessante Mischung aus Wärme, schwer und - wenn man es übertreibt - kopfschmerzgenerierend wie die südfranzösische Mittagssonne und lebendiger, prickelnder Frische. Der Duftpyramide nach, würde ich hierfür die Kombination aus Benzoe/Vanille & Pfeffer/Zitrusfrüchte verantwortlich machen. Für mich steht der schwere, süße, warme Anteil aber klar im Vordergrund, nur hier und da blitzen vereinzelt frische, abkühlende Funken auf. Einen großartigen Verlauf des Duftes erkenne ich nicht, bei mir schwächt er sich nur (leider relativ schnell) mit der Zeit immer mehr ab. Schade, dass Haltbarkeit und Sillage nicht noch etwas mehr Power haben. Der opulente Flakon mit der glamourösen Krone, in dem das Parfum wie flüssiges Gold changiert, ist aus meiner Sicht perfekt gewählt für diesen ein wenig dekadenten Duft.

Jeanne ist für mich nicht nur ein Parfüm, sondern ein Duft der mich für immer an eine bestimmte Lebenszeit erinnern wird, in der er mich nicht nur begleitet sondern auch geleitet hat. Für meine Promotionsarbeit war ich damals an einer Klinik in einer neuen Stadt und allein die Vorstellung über die bevorstehenden Anforderungen dieser Tätigkeit haben mir schon wochenlang vorher Herzklopfen und Bauchweh bereitet. Irgendwie habe ich mir in der Vorbereitungszeit instinktiv einen neuen Duft gesucht, der mich in diese ungewisse Zukunft begleiten würde, mir Zuversicht, Halt und Unterstützung geben würde. Ich weiß, es klingt mehr, als hätte ich einen Psychologen gesucht, als nach einem Parfüm, aber ich weiß auch, dass es hier bestimmt einige Gleichgesinnte gibt, die mich verstehen. Für mich war Jeanne nämlich genau das; wie eine große Schwester, eine Mentorin, die mich unterstützend an meinem ersten Arbeitstag und auch zu den großen Herausforderungen begleitet. Wenn ich ihn aufgesprüht habe, habe ich mich immer ruhig und zuversichtlich gefühlt. Ich finde diese Komposition aus frischen, frühsommerlichen Beeren (am intensivsten rieche ich definitiv Himbeere) mit Zitronenguss, den hellen Hölzern und und den zarten Blumen macht einfach glücklich und strahlt eine frisch-fröhliche Dynamik aus. Aber kein lautes, überdreht-aufgesetztes "Tchaka-Tchaka, du schaffst es Cowboy", sondern diese tiefenentspannte, selbstbewusste innere Zufriedenheit. Der Duft war für mich auch den ganzen Tag über sehr präsent, so dass ich, neben dem hübschen Flakon, auch die Haltbarkeit und Sillage absolut loben würde.

Der Duft wanderte als Blindkauf, der aktuellen Situation geschuldet, in meinen virtuellen Einkaufskorb. Vom guten Paco war ich bislang kein großartiger Fan, aber die Beschreibungen hier bei parfumo haben mich neugierig gemacht und so habe ich es gewagt - und ich muss sagen, ich hab es nicht bereut! Ihr kennt das sicher auch alle, der erste skeptische Sprüher bei einem neuen Blindkauf verbunden mit dem Stoßgebet "Bitte, biiiitte lass es kein Blindgänger sein" (habe da leider schon so meine leidvollen Erfahrungen trotz traumhaft klingender Duftpyramiden).
Erwartet habe ich so etwas in die Richtung von "Salted Caramel"-Eis oder diesen unglaublich süchtig machenden Brezel-Popcorn-Dingern mit Zuckerbonbonguss. Tatsächlich habe ich beim ersten Sprüher aber erst einmal eine richtig gute Portion Pfeffer abbekommen - wow, direkt ein fulminanter Start. Ich persönlich liebe solche lebendigen Power-Düfte, die einen morgens in Schwung bringen wie ein doppelter Espresso. Damit kommt Leben in die Bude und Energie ins Gemüt. Aber für zarte Blumenmädchen könnte die pfeffrige Ladung möglicherweise irritierend sein. Dazu gesellt sich Salz und Vanille, welche dem Duft den hier schon beschriebenen warmen Unterton verleiht ohne ihn zum süßen Kuschelduft abdriften zu lassen. Ich finde diese Mischung überaus gelungen und bin sehr glücklich über diesen Kauf. Damit fühlt man sich selbst im tiefen Februar-Schnee wie an die Küste Kretas inmitten des tosenden Ozeans versetzt, oder direkt in den Olymp. Unbedingte Empfehlung - auch was Haltbarkeit und Sillage anbelangt - vor allem zu dem Preis.

Jeder eifrige Klatschblatt-Leser kennt die hübschen, und allein schon wegen ihres wohlklingenden Namen berühmten, Töchter der Reichen und Superschönen. Optische Meisterwerke, denen Erwartungen entgegenschlagen, die allzu oft dann nicht erfüllt werden (können). So ein Kandidat ist für mich Alien Fusion. Ein wunderschön aussehender Flakon, ein Kunstwerk - wie ein roter Diamant. Dazu diese Erwartungen aufgrund der berühmten Mutter - Alien. Die einen lieben Alien, die anderen hassen Alien, aber jeder kennt Alien. Es ist einzigartig. Alien Fusion leider nicht. Der Duft ist schön, keine Frage, er trägt auch die Alien-DNA in sich. Aber ansonsten ist er für mich nichts auffallend Großartiges. Bestellt habe ich mir den Duft blind aufgrund der Kopfnoten: Zimt und Ingwer. Aber beide Duftnoten stehen für mich zu keiner Zeit präsent im Raum. Es ist für mich eher ein kleines, leises Alien mit einer schönen Vanillenote. Aber ein großer Star, der den Raum füllt ist er für mich nicht. Auch die Haltbarkeit und die Ausstrahlung des Duftes sind für mich eher medium-moderat. Aber immerhin reinoptisch ein wunderschönes Schmuckstück.

Immer wenn ich diesen Flakon sehe, muss ich an einen strombergreifen Bürokrieg denken, in dem ich selbst auch kein Engel war. Vor zum Glück langer Zeit hatte ich einmal die zweifelhafte Ehre mir mit einer scheußlichen Kollegin, mit der mich eine tiefe gegenseitige Abneigung verband, einen Büroraum teilen zu dürfen. Ohne jetzt die endlosen Episoden dieses nervigen Zickenkriegs weiter auszuführen, der mir damals allmorgendlich Unbehagen bereitete, waren irgendwann alle Gehässigkeiten ausgetauscht und es war Zeit für subtilere Spielarten auf der Zicken-Klaviatur.
Da kam mir ein unschuldig aussehendes Pröbchen mit dem Namen "Angel", welche meiner Parfümeriebestellung beilag, außerordentlich gelegen. Beim Testen erkannte ich direkt das Potential und besprühte mich am nächsten Morgen vor dem Bürogebäude großzügig damit. Die Kollegin, die seit einiger Zeit in den "ich strafe dich mit eisiger Ignoranz"-Modus gewechselt hatte, kam morgens ins Büro und kam nicht umher ihr selbst aufgelegtes Schweigegelübde zu durchbrechen und mich mit einem angewiderten "Bah, hast du ein neues Parfüm oder was?" zu begrüßen. Wie ein Engelchen schaute ich von meinen Akten hoch und flötete unschuldig "Hm Nein, wieso?". "Dann hat wohl einer vergessen den Müll rauszubringen! Hier fault doch was vor sich hin!" zischte sie.
Trotz allen Differenzen mit dieser Dame, kann ich ihr in diesem Punkt nicht ganz Unrecht geben. Der Duftauftakt erinnert, zumindest auf meiner Haut, tatsächlich an eine provokante Mischung aus vergorenen Zitrusfrüchten, überreifen Melonen, animalischen Noten und vermodernde Erde. Ein flüssiger Komposthaufen in der Sonne mit einer wahnsinnigen Schlagkraft und Potential bei empfindlichen Menschen Kopfschmerzen und mehr auszulösen. In diesem Stadium ist es aber völlig zwecklos sich von diesem Duft befreien zu wollen, selbst Duschen hält er locker Stand und hat dabei auch eine unglaubliche Durchhaltekraft. Nach einiger Zeit verändert er sich dann auf wundersame Weise und zeigt seine gourmandig-cremige Seite, wenn Vanille und Schokolade zum Vorschein kommen. Dennoch bleibt es ein sperriger, wuchtiger Duft, der ein Statement setzt und - zumindest wenn man nicht wirklich sehr sehr vorsichtig dosiert - andere auf Abstand hält. Heute hatte ich nach Ewigkeiten wieder ein Angel-Pröbchen in meiner Bestellung und ich bleibe dabei. Das ist Nichts für blondgelockte kuchenbackende Unschuldsengel, sondern ein Biest mit Krallen, auch wenn der Flakon und der Name eher ersteres verheißen lassen.