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vor 7 Jahren - 02.10.2017
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Schwarz, oder: Der Ford, den ich liebte – Ein olfaktorischer Mysterythriller in drei Akten

Erster Akt: Der Fall

Die letzten herbstlichen Sonnenstrahlen des Tages fallen durch mein durch Ruß und Staub getrübtes Hauptstraßenfenster. Draußen herrscht hektisches Treiben. Berufsverkehr. Die Menschen wollen nach Hause – stadtein- und stadtauswärts. Rigoroses Hupen, Rumgebölke – der Sinn einer Bedarfsampel scheint sich Vielen einfach nicht Erschließen zu wollen. Motoren heulen auf, Reifen drehen durch – im Straßenverkehr fällt ein Jeder in seine animalischsten Grundmuster zurück.

Ich sitze in meinem abgewetzten Ledersessel, blinzle hinaus und nippe gedankenverloren an meinem fünften Scotch des Tages.

Leere.

Dieser Fall lässt mir keine Ruhe – und ich weiß einfach nicht weiter. Seit Monaten leert jeder weitere Schluck den Kübel meiner Hoffnung, irgendwann einmal die Lösung zu finden. Das zwischenzeitlich durchaus aufgeflackerte Licht am Ende des Tunnels wird zunehmend ertränkt im Wasser des Lebens.

Seit Jahren verfolge ich nun schon diesen Fall. Ich bin Privatdetektiv – eine wahre Spürnase, schenkt man den wenigen sozialen Kontakten, die ich noch pflege, Glauben. Torf, Rauch, Malz, Ethanol – die Wetzsteine meines dritten Sinnes.

Ich komme nicht weiter, es ist der Fall meines Lebens. Man gab mir lediglich folgendes zum Auftrag: „Finde IHN!“. Nun ja, in den Fußnoten stand dann noch: „Wie heißt er? Gibt es den auch in 30ml? Wieviel kostet er? Und kann ich ihn wirklich nur im Alsterhaus kaufen?“.

Was geschah bisher?

Ende April dieses Jahres stand ich bereits kurz vor der Kapitulation. Ich begann zu zweifeln – Spürnase, jaja. Vielleicht sollte ich mein Arbeitsgebiet doch auf Hochprozentiges aus Schottland beschränken.

Doch dann bekam ich unverhofft Hilfe, wie ich sie niemals für möglich gehalten hätte. Tausende Kollegen verschafften mir Einblicke in ihre Aufzeichnungen – einfach so. Aufzeichnungen, die auch sie seit Jahren akribisch anlegten, stets ebenfalls auf der Suche nach „IHM!“. Sie schickten mir gar Spuren, Hinweise, Beweisstücke in Form von kleinen Glas- oder Plastikfläschchen mit verschiedensten Inhalten. Ich war nicht allein und schöpfte neuen Mut. Mit dieser Unterstützung musste es mir einfach gelingen, „IHN!“ endlich zu finden.

Ich verbrachte meine Tage mit dem Durchforsten von Aufzeichnungen, mit dem Sichten von mir zugesandten Beweisen. Es waren stets viele überwältigend eindeutige Fundstücke dabei – ich war so oft fest davon überzeugt, kurz vor der Lösung zu stehen. Zu früh gefreut, falsch gedacht, Ernüchterung – jedes Mal.

Vor ein paar Monaten dann, ich war gerade wieder einmal auf dem besten Wege, mich in den Schlaf zu trinken, öffnete ich die Postsendung einer Kollegin aus dem Süden. Drei kleine Beweisfläschchen, um zwei von ihnen hatte ich explizit gebeten. Wieder einmal zwei Spuren, die mich in den Glauben versetzten, der Lösung ganz nah zu sein. Dem dritten Fläschchen jedoch schenkte ich erst ein paar Tage später Beachtung. Ich war zuvor zu beschäftigt damit, die bereits wieder einmal schnell eingesetzte Erkenntnis, meine vor kurzem erst zur Kardinalspur erkorenen Beweisstücke zu den anderen nicht zielführenden Spuren zu stellen und die Enttäuschung darüber mit einer Flasche Hochlandmalz zu ertränken.

Dann kam er, der Moment, welcher mich in die bisher rätselhafteste Phase der Beweisfindung meines Spürnasendaseins katapultieren sollte.

Das mir ebenfalls zugesandte dritte Fläschchen beinhaltete eine dunkelbraune Flüssigkeit – welch schöne Farbe, karamelliert, fast bernsteinern. Leicht trüb – wie die letzten Strahlen der Herbstsonne durch mein Hauptstraßenfenster betrachtet. Etwas ölig anmutend – wie der langsam abperlende Tropfen Whisky in meinem Nosingglas. Auf dem kleinen Fläschchen stand lediglich folgender Hinweis: „Tom Ford. Noir.“

Tom Ford. Aha. Schon mal gehört, mir durch die Aufzeichnungen meiner Kollegen erstmals nähergebracht. Noir. Hm. Französisch für Schwarz. Interessant.

Ich träufelte etwas von der braunen Flüssigkeit auf mein Handgelenk. Den restlichen Abend über rührte ich keinen Tropfen Lebenswasser mehr an. Ich bekam die Nase nicht mehr weg vom Knotenpunkt Radius/Ulna. Das war süßlich. Das war würzig-holzig. Da war Rauch. Es war weich, lecker – das MUSS er einfach sein!

Sofort machte ich mich an das Durchforsten der Aufzeichnungen meiner Kollegen.

Tom Ford. Noir.

Sechs verschiedene Einträge. Verdammt. Das ist alles andere als eindeutig. Ausschlussverfahren.

„Noir Eau de Toilette“ – kann nicht sein, das ist eine sichtbar durchsichtige Flüssigkeit.

„Noir Eau de Parfum“ – Flakon blickdicht. Also nachlesen. Kollege O., eine in seinen Beschreibungen olfaktorischer Spuren und Beweisstücken von mir hochgeschätzte Koryphäe, ja gar eine Legende unter den Spürnasen, hielt fest: „Pfeffrig-pudriger Geselle mit zu viel Wucht und Penetranz“. Puder? Penetranz? Nein, kann nicht sein. Ich wollte dennoch sicher gehen. Beweis geordert – aufgesprüht. Aha! Sieh an – ja, geht irgendwie in die Richtung, hat aber einen animalischen Unterton, der passte nicht. Vielleicht ist er es denn… Moment mal – die Flüssigkeit ist durchsichtig!

„Noir Anthracite“ – Wieder blickdicht. Aber viel zu neu, kann nicht sein.

„Noir de Noir“ – Recht blickdicht. Aber der Name? Passt doch irgendwie nicht so recht. Beweis geordert – wunderschön, aber nein, der ist es definitiv auch nicht.

„Noir Extreme“ – Ist es denn die Möglichkeit? Blickdicht… Nachlesen! Aus den Aufzeichnungen vom ebenso hochgeschätzten Kollegen K. aus den Südlanden ruft es mir schier entgegen: „Heast, i sag dir glei, des hot nix mit da Männlichkaat zu tun, waaßt. Süß is fia de Madl!“ Ich redete mir ein, dass das so pauschal nicht stimmt, setzte mich auf mein pinkfarbenes Schaukeleinhorn, goss mir einen Asti auf die gefrorenen Himbeeren im Glas und wippte grübelnd vor und zurück. Ein Beweisstück musste her! Geordert, aufgemacht, aufgesprüht – JA! Das ist ER! Süß, weich, dennoch würzig, leicht cre… äh, Moment mal – die Flüssigkeit… schon wieder durchsichtig! Außerdem sticht da irgendwas in der Kopfnote, das passt nicht.

Ich begann, an der Welt und an meinem Verstand zu zweifeln. Gerade zum Schluck eines Torftropfens angesetzt, fiel mir beinahe das Glas von der Lippe – frag doch einfach mal die nette Kollegin, die dir dieses Beweisstück damals zukommen lassen hat. Warum bin ich da nicht früher drauf gekommen – ich sah den Wald vor lauter Eichenfässern nicht!

Ernüchterung. Auch die Kollegin bekam diese Kostbarkeit zuvor nicht näher definiert zugeschickt. Sie wusste leider keine Antwort, konnte mir lediglich versichern, dass ihre Nachforschungen ergeben haben, dass es nicht „Noir pour Femme“ sein kann.

Zweiter Akt: Whisky

Ich trank und schlief.

Dritter Akt: Letzter Akt

In ein paar Tagen trifft Beweisstück „Noir pour Femme“ bei mir ein.

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Ich bedanke mich herzlichst für’s Lesen meines ersten Blogeintrages!

Und während diese Geschichte in ihrem Kern auf wahren Begebenheiten beruht (es ist zum verrückt werden – aber das kennen wir sicherlich alle hier) versichere ich euch, dass ich (noch) kein Alkoholproblem habe, sondern mich lediglich hier und da der Übertreibung bedient habe. Ebenso ist es auch nicht so schlimm mit der Verzweiflung bestellt, wie es vielleicht den Anschein erweckt – aber kurios ist es schon.

Wer da also eine Lösung parat hat… Ich bin ganz Ohr! ;-)

Des Weiteren möchte ich an dieser Stelle einen großen Dank an euch alle loswerden. Ich habe Parfumo früher im Jahr für mich entdeckt und bin begeistert, wie viele tolle Menschen hier das Hobby teilen! Danke für eure genialen Beiträge (Kollegen O. und K. – merci!) und die netten Kontakte und insbesondere an die, die diese Seite mit ihrer Arbeit zu dem machen, was sie ist.

Cheers,

Spürnase N.
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