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vor 3 Jahren - 19.02.2021
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Erzähl‘ mir nich‘, wat ich hier zu riechen hab‘!

Gedankenmatsche am Freitagabend.

Neulich stolperte ich auf der Startseite über einen Duft, der genau so hieß, wie es die vorgeblichen Hauptkomponenten seiner Duftpyramide implizieren würden. Irgendwas mit salziger Zitrone und Agave. Wenn ich genauer drüber nachdenke, war es vielleicht auch nur ein Werbebanner für mittelamerikanischen Schnaps aus dem Niedrigpreissegment (Lockdown-Suchalgorythmus und so).

Wie auch immer. Mir ist in diesem Moment schlagartig bewusst geworden, dass ich in meiner Zeit als aktiver Duftaficionado unweigerlich oft von Düften las, die das olfaktorisch zu erwartende bereits im Namen trugen. Cuir de Soundso. Litschi 409. Old Banana & Fresh Cigars. Sweaty Gorilla Cave (bitte nicht danach suchen - ist nur ein Beispiel). You get the idea.

Die Statements und Kommentare zu Düften solcher Nomenklatur (wie auch die - und seien wir mal ehrlich - lediglich zur groben Orientierung dienenden Duftpyramiden) bestehen dann in der Regel zu einem Großteil aus Nennungen und Einschätzungen zu eben diesen nominellen Hauptbestandteilen: „Wow, die schönste alte Banane, die ich je gerochen haben!“; „Wahnsinn, total toller Gorillaschweiß!“

Und das ist ja auch völlig legitim und in Ordnung so - und ja auch absolut nachvollziehbar. Was ich damit sagen will: Im Grunde genommen diktiert eine solch - Entschuldigung! - „plumpe“ Namensgebung doch quasi, was ich hier bitteschön zu riechen habe ... und nimmt mir damit einen Großteil der einem Parfum eigentlich inneliegenden olfaktorischen, aber auch zweifelsfrei holistischen Sinneserfahrung. Klar, das kann alles immer noch „gut“ und „schlecht“ riechen ... aber das WONACH ist doch mindestens ebenso spannend (Oder?! Bitte?!)!

Veranschaulichend heruntergebrochen: Wenn ich meinem kleinen Bruder ein altes Hähnchennugget vor den Mund halte und sage „Hier, schmeckt nach Marzipan!“, dann erhöht sich doch definitiv die Chance, dass dieses alte Hähnchennugget für den kleinen Racker nach Marzipan schmeckt. Klingt weit hergeholt (ist es auch - habe weder kleinen Bruder noch altes Hähnchennugget), transportiert meinen wirren Gedanken aber anschaulich, denke ich.

Ein momentan sehr prominentes Beispiel, welches mich in der Intensität seiner hier geführten kontroversen Diskussion zumindest nicht ganz so allein fühlen lässt, ist ein beliebter Beastmodepantydropper (nein? —> Wörterbuch Parfumo - Deutsch), der vom Namen her eine olfaktorisch grandiose Ladung Oud mit sich bringen sollte. Während dies für einige ausdrücklich der beste Oudduft aller Zeiten zu sein scheint, gibt es doch tatsächlich Nasensherlocks, die herausgeschnüffelt haben wollen (oder es sogar wissen - for a FACT), dass da gar kein Oud drin ist. Potzblitz! Jetzt haben wir den Nasensalat (auch hiernach bitte nicht suchen). Es wird gezankt, dass die Zinken flattern! (Entschuldigung hierfür.)

Wie das hier jetzt von wem warum weshalb wie gesehen wird, ist zweitrangig. Es illustriert doch aber ganz wunderbar, was ich weiter oben versucht habe, darzulegen.

In diesem Zuge möchte ich mich zunächst outen, da mich all diese Gedanken und Beobachtungen zu folgender Feststellung gezwungen haben: Meine Sammlung, selbstredend bestehend aus den ganz objektiv gesehen allerbesten Düften der Welt (do-hoch!), setzt sich zum Großteil aus Kreationen zusammen, die mir im Namen NICHT ganz konkret vorschreiben, was meine Nase hier zu erwarten hat! Say whaaat?!

Dazu kommt - und damit möchte ich entsprechenden Fans wirklich nicht auf die wohlgepflegten Füßchen treten - dass ich seit Anbeginn der (Parfumo)-Zeit leider absolut goar nüscht mit der Hausmarke einer britischen Parfümeurin anfangen kann, die ihre Kompositionen notorisch nach ihren jeweiligen zwei Hauptingredienzen zu benennen scheint. Ungelogen. Neuveröffentlichungen dieser Couleur reizen mich aus irgendeinerweise rein - gar - nicht. So gut sie auch sein mögen (was sie garantiert zum Teil wirklich sind!) - ich klick‘ da nich‘ drauf! Einfach nein! Und das in Zeiten von Lockdown und Homeoffice! Don‘t tell me what to smell, Jo!

Aber jetzt habe ich endlich eine Erklärung dafür, warum das so ist: Ich bin ein absolutes (Marketing-)Kitschopfer! Ich will nicht, dass man mir vorschreibt, wonach das hier konkret riechen soll! Schönling des Tages, Wikinger, tragödienbehafteter Lord, tweedsakkotragender Ire - DAS will ich SEIN! DAS! ... und natürlich Zino.

Ich will selber entscheiden, was ich rieche und fühle! Ich bin ein phanstasiebegabtes Wesen! Fragt mal meine Action-Figuren aus der Kindheit - dagegen sind die Erlebnisse von Buzz Lightyear und Cowboy Woody (dieser Name auch schon wieder ... KEIN Holz drin! Alles PLASTIK!!) auf Messdienerniveau. Denken gehört allgemein nicht unbedingt zu meinen Stärken, aber diese kognitive Minimalleistung soll mir nicht auch noch abgenommen werden!

Selbes Ding mit der Namensgebung der Kreationen einer modernen Influencermarke. Ich kauf‘ doch auch keine Schuhe, die „Konfirmationsgottesdienst“ oder „Dancefloor“ heißen! Oder im „Outdoor“-Laden - „Outdoor“! - wieso darf ich die hässliche Softshelljacke nicht auch beim Frühstück am Sonntagmorgen tragen?!

Im Supermarkt. Da geht es mir gut. Ich will Nudeln. Auf der Packung steht „Nudeln“.

So.

Dies ist also ein Plädoyer für mehr Phantasie, mehr Kitsch bei der Namensgebung von Duftkreationen! Weniger Assoziationen leiten - mehr Imagination zugestehen!

Vielleicht bin ich da aber auch zu viel Geisteswissenschaftler - und zu wenig Naturwissenschaftler. Ganz unabhängig von meiner damaligen 4 in Chemie und 5 in Physik.

Und bei dir so?

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Ich bedanke mich für deine Zeit - und weise darauf hin, sofern noch nicht von dir selbst bemerkt, dass die vorangegangenen Zeilen nicht allzu große Ernsthaftigkeit transportieren sollen ;-)

Cheers!

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