Nordique

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Nordique vor 1 Jahr 8 4
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Duft
Aristokratische Duftidentitätskrise, oder: Im Palast riecht‘s!
Im Laufe der letzten Jahre schickte sich der schottische Möbel- und Küchendesigner Clive Christian an, einem ganz besonderen Teil seines Dufterbes durch Neuinterpretationen glorreicher Klassiker vergangener Tage zu huldigen: Die „Crown Collection“ ward geboren!

Äh, moment mal - Küchendesigner, Dufterbe … klingt irgendwie seltsam, passt nicht so recht. Dabei habe ich den Text nicht mal von einer KI „schreiben“ lassen …
Ah, klar - beinahe vergessen! In den 1990er Jahren übernahm unser schottischer Bespokemöbelexperte die mittlerweile etwas in die Jahre gekommene „The Crown Perfumery“, welche im ausgehenden 19. Jahrhundert wohl tatsächlich dafür gesorgt hat, dass die Queen Victoria und ihre Gang immer feinst beduftet wurden. (Kritischer Parfumo aus dem Off: Und ich dachte immer, das wäre William Penhaligons Job gewesen - potzblitz, wie verwirrend … Blaublüter, ts!)

Wie dem auch sei - Klassiker wie „Crab Apple Blossom“ oder eben nun auch „Town & Country“ sollten in neuem Gewand erstrahlen und ein wenig des olfaktorischen Glanzes vergangener Tage in die Gegenwart transportieren. Und als wäre der Geschichtsträchtigkeit hier noch nicht Genüge getan, so war es im Falle des hier nun vorliegenden Releases angeblich niemand geringeres als Sir Winston mit Melone und Zigarre, der diesen Duft in seiner ursprünglichen Form regelmäßig trug (Kritischer Parfumo aus dem Off: Und ich dachte immer, für die Churchill-Posse wäre das „Blenheim Bouquet“ entworfen worden … hä?! War Mr. Winston etwa der allererste Parfümverrückte dieser Erde?! Mit gleich mehreren Signaturdüften?!).

Was bietet uns diese zeitgemäße Neuinterpretation denn nun überhaupt rein olfaktorisch?
Soviel dufthistorisches vorweg: Ich möchte stark bezweifeln, dass Mr. Winston etwas trug, dass auch nur annähernd mit dieser Neuinterpretation „seines“ Klassikers d‘accord gehen würde.
Zum Auftakt wartet eine aromatische Kombination auf, dominiert von recht prominentem Wacholder - etwas scharfen Vetiver vermag ich ebenso zu vernehmen, in seiner Gesamtheit doch durchaus reminiszent eines „Terre d‘Hermès“-Vibes, Abstufungen hin zur synthetisch-filligranen Umzäunung eines „Bal d‘Afrique“ und Co. Das Ganze wird getragen von einer guten Portion Synthie-Hölzern (den Begriff habe ich hier irgendwo mal aufgeschnappt - finde ich total klasse, und trifft den sprichwörtlichen Nagel hier voll auf den Kopf!).
Alsbald kommt ein Grundgerüst zum Vorschein, welches ich am ehesten als Unterbau moderner fougèreartiger Herrenzeitgeistler identifizieren würde: Salbei, angesüßter Lavendel - olfaktorische Wärme vermittelnd, dabei jedoch stets frisch geduscht wirkend.
An sich finde ich das ganz und gar nicht unangenehm - und es hätte so schön sein können, doch der Duft stellt sich von vornherein selbst ein (Nasen-)Bein: Das Ganze ist so dermaßen überzogen, laut und brachial inszeniert, dass es alsbald einfach unangenehm daherkommt.
Den ersten Test führte ich vor rund drei Tagen durch - zwei Sprüher aus einer Probenphiole auf ein Stück Papier im Gästezimmer. Endergebnis: Die gesamte Wohnung (inklusive Treppenhaus/Hausflur!) riecht bis heute recht gut wahrnehmbar nach oben beschriebener Kombination.
Ich kann mir schlichtweg einfach nicht vorstellen, wie man so eine „Keule“ freiwillig zu tragen vermag. Und auch die Herzdame ist ob dieser Penetranz alles andere als amused. Mit Stil - British charm/elegance/understatement - hat das Ganze meines Erachtens leider nichts (mehr) zu tun.

Es wirkt tatsächlich ein wenig so, als hätten die friendly folks at Clive Christian nach etlichen Jahren mittlerweile mitbekommen, dass ihre - bisher ja durchaus mit recht klassischem Anspruch versehenen - Kreationen durch online-pop-up Uhrenverkäufer und ältere Herren mit Schuhfetisch (Disclaimer: Ich trage auch gerne Schuhe - ist einfach bequem!) aus good ol‘ Germany einem breiteren Publikum schmackhaft gemacht werden, letztere dem Anschein nach hauptsächlich auf olfaktorische Potenz und Präsenz zu setzen scheinen und die Briten mit ihrer neuesten Kreation versuchen, diesem Kriterium für die entsprechende Käuferschicht zu entsprechen - ohne dabei jedoch ihren gewohnt eher retroesquen Stil zu verlassen. Das will hier so jedoch leider nicht recht funktionieren.
Das ist dahingehend schade, da ich sowohl mit einigen Clive Christian-Kreationen der jüngeren Vergangenheit durchaus etwas anfangen kann, als auch dahingehend, dass ich das olfaktorische Grundgerüst des neubelebten „Town & Country“ keinesfalls misslungen finde. Er ist in seiner doch eher synthetisch anmutenden Brachialität jedoch ins durchaus penetrant-nervige „verkomponiert“ wurden … what a pity that is!

Interessanterweise fühlte ich mich in dieser Tragik sofort an very British Penhaligon‘s Release vom „Sports Car Club“ letztes Jahr erinnert: Ein ebenso durchaus ansprechendes olfaktorisches Grundgerüst, in seiner Präsenz jedoch auch völlig überzeichnet und daher eher penetrant denn angenehm.
Irgendwie scheinen bei den Hoflieferanten die Regler auf distortion zu stehen …
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Nordique vor 3 Jahren 18 5
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Duft
Astro-TV für die Nase, oder: William hat Bock!
William Penhaligon war im Sternzeichen Widder. Dem Scharfsinn, der Wesen dieses Tierkreiszeichens nachgesagt wird, ist es Erzählungen nach zu verdanken, dass der einstige Meisterbarbier aus dem malerischen Cornwall die seltene Gabe besaß, selbst feinste Bartstoppeln seiner blondesten, hochadeligen Kunden bereits vor ihrem Eintreten in sein Badehaus zu erriechen. Das machte ihn wahrlich einzigartig in seiner Zunft und schon bald durfte er sich daher per royalem Dekret um die Beduftung und den Bart der Queen Victoria höchstpersönlich kümmern.

Das habe ich mir gerade (fast) alles ausgedacht.

Welche Aspekte davon nun der Wahrheit entsprechen und welche meiner Fantasie entspringen ... ist ja auch eigentlich völlig egal. Ich selbst bin im Sternzeichen Krebs - fantasiebegabte Wesen, wie auch die tierischen Vorbilder in freier Wildbahn! Seitwärts laufen, die Leibspeise sämtlicher Seevögel sein, leckeres Beinfleisch besitzen ... toll!

Ach, lassen wir das. Ich habe absolut keine Ahnung von Astrologie.

In jedem Falle passt dieser Einstieg jedoch hervorragend zum mittlerweile seit 2016 praktizierten Marketing der Portraits-Reihe des britischen Dufthauses Penhaligon‘s. Eine tief verworrene Geschichte um eine englische Adelsfamilie, in welcher ein jeder Ableger der Serie seinen Teil zu dieser erzählt und beiträgt.
Nennen wir es Kitsch. Nennen wir es Pastiche. Nennen wir es britischen Humor. Nennen wir es unheimlich gut funktionierendes Marketing - und nennen wir es meinetwegen auch viel Lärm um Nichts. Ich gebe offen zu: I am a sucker for it - wie der Franzose sagt - obwohl mich mit dem Lord George bisher lediglich nur einer der Portraits-Düfte nachhaltig aus den Socken hauen konnte. Dafür aber umso heftiger, so ist dieser doch durchaus einer der schönsten und stilvollsten Herrendüfte am Markt, wie ich finde.

Nun bekommt also - denn zumindest soviel aus dem Anfangsparagraphen stimmt - der Gründer dieses besagten Dufthauses, William Penhaligon, seinen eigenen Duft in dieser Reihe gewidmet. Das ist mal ein Statement. Ein Duft mit Flaggschiffqualitäten muss das sein - alles andere wäre sicherlich eine herbe Enttäuschung. Das wäre ja in etwa so, als würde eine traditionsreiche deutsche Automarke nicht ihr Luxusmodell, sondern lediglich einen kleinen City-Flitzer nach ihrem Gründer benennen - undenkbar!

Oh, hoppla - schon längst passiert. Geht also wohl doch.
In diesem Sinne aber gut für eine gesunde Erwartungshaltung meinerseits zu diesem Duft.

Durch einen wunderbaren Zufall konnte ich diese Neuerscheinung bereits vor der Ankunft meiner offiziellen Sharingpost testen und somit die vergangenen beiden Tage duftend eingehüllt in Penhaligon‘s Gründerduft verbringen.

Dunkelgrün kommt das Nasenelixir daher, abgefüllt in einem schweren Flakon, der, Portraits-typisch, einfach nur schön ist ... für meinen Geschmack. Aber das Thema hatten wir ja oben bereits - Neusprech: Ich lieb‘s.
In der offiziellen Ankündigung des Duftes durch die Marke selbst wurde das Augenmerk deutlich auf den zu erwartenden Vetiver gelegt. Grüne Flüssigkeit, Vetiver - alles klar, ich weiß, was kommt. So dachte ich zunächst unweigerlich.
Und in den Anfangsminuten erfüllt der Duft dieses vorgeprägte Bild zumindest teilweise. Ein weicher, minimal krautiger, sehr glattgebügelter Vetiver, der jedoch verblüffenderweise nicht meiner synaptisch fest verankerten Definition eines „grünen“ Duftes zu entsprechen scheint - welche ich jedoch niemals effektiv verschriftlichen könnte - und mich somit, im Hinblick auf Erwartung, vor ein erstes Paradoxon stellt. Vielmehr ist es ein vanilliger, beinahe gourmandiger Eindruck, der die ersten Minuten bestimmt. Um einen Vergleich zu bemühen: Trotz Grundverschiedenheit beider Düfte, komme ich nicht drum herum, in dieser Phase an den späteren Verlauf von Hermès Vetiver Tonka zu denken. Untermalt von einem etwas subtil dahertröpfelnden ... Rosmarin?!
Alsbald zieht sich der nominelle Hauptdarsteller beinahe gänzlich zurück und macht Platz für die eindrucksvolle Darbietung des, so mein Gesamteindruck, eigentlichen Stars dieser Komposition - dem Sandelholz. Bedürfe es einer festen, inhaltsstoffzentrierten Einordnung des Duftes, so würde meine Nase ihn zweifelsfrei in die Sandelholz-Ecke stellen. Um auch hier einen vorsichtigen Vergleich zu wagen: Cremiges Sandelholz à la Jacques Faths Pour l‘Homme, oder auch dem roten Aftershave von Proraso entsprechend - beides durchaus Allzeitfavoriten im Hause Nordique.
Auf dieser Stufe verharrt der Duft letztendlich einige Stunde, bleibt dabei jedoch stets zurückhaltend - vielleicht gar etwas zu sehr. Ein stilvoller Wohlgeruch, ein leicht süßlicher, sandelholziger, moderner Barbershopduft, absent jeglicher Frischeelemente. Klassifizierungen, die ihn im Geiste durchaus in die Nähe seines geweihtragenden Mitstreiters vom selben Hofe, Lord George, rücken, ohne jedoch allzu viele Ähnlichkeiten im Duftverlauf vorzuweisen.
Zedernholz? Leider nein. Weihrauch? Jo, mit einer guten Portion Fantasie ... auch nicht so recht. Das in weitreichenden duftaffinen Kreisen oftmals verrufene Ambroxan? Gott bewahre, Teufelszeug - hat letzterer in diesem Falle wohl wieder mit ins Fegefeuer genommen.

Ich für meinen Teil bin durchaus angetan von diesem neuen Ableger der Exklusivreihe Penhaligon‘s. Dennoch beinhaltet der wundervolle Widderkopfflakon mitnichten ein Gebräu, welches das olfaktorische Rad auch nur ansatzweise neu erfinden zu versucht. Sei es drum. Ich habe ihn die letzten zwei Tage über sehr gerne getragen - und freue mich bereits auf das nächste Mal.

In der Zwischenzeit genieße ich einfach mal den reinen Anblick des neuesten Ablegers der Portraits-Serie - und warte darauf, dass Penhaligon‘s demnächst vielleicht auch mal mein Sternzeichen in Form eines Krebsdeckels in die Serie bringt. Vielleicht als „Crappy Cedric“ ... oder „The Cringy Cupbearer Colin“. Das wäre doch mal was!

Vielen Dank für deine Zeit!

PS: Den Bockwitz aus dem Titel MUSSTE ich einfach als allererster bringen! Es tut mir leid.
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Nordique vor 4 Jahren 35 8
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Duft
Kommt gut Ding will Zeit Rat haben, oder: Warum Vorsicht der Elefant auf der Mutter im Porzellanladen ist
Redewendungen und Sprichwörter zählten noch nie zu meinen generell als überschaubar einzuschätzenden Stärken.
In der achten Klasse wurde mein – subjektiv mit viel Fleiß und Hingabe erarbeiteter – Deutschaufsatz zum bekannten Proverb „Es ist nicht alles Gold was glänzt“ mit einer glatten 4 quittiert, da ich zwar die seitenlange, wunderbar selbstausgedachte Odyssee eines am Ende enttäuschten Goldgräbers detailreich darlegte (er folgte tagelang und mühevoll einem Schimmern in der Dunkelheit, welches sich als reflektierendes Brillenglas herausstellte – potzblitz!), den eigentlich übertragend zu erfassenden Sinn dieses Sprichwortes damit jedoch leider nur allzu wörtlich genommen hatte.

Ähnlich erging es mir – und jetzt wird letztendlich mal vernünftig übertragen, liebe Frau Arnold! – mit Amouages Communitydurchschnitts-Strandhüttenklopper.
Nach der sich quälend lange hinziehenden, und dennoch neuerlich erfolgten Entdeckung meines eindeutigen Lieblingsvertreter dieses Dufthauses (siehe Kommentar zu „Honour Man“ – like, subscribe, lasst ein Abo da, Däumchen wär’n Träumchen, ab 20.000 Likes verschenke ich iPads und Hundewelpen*), gelang es mir, sämtliche Erwartungen für auch diesen, vergleichsweise mau bewerteten Kollegen vor dem olfaktorischen Testlauf in gesunder Mitte zu halten.

Vor allein auf den Namen zurückzuführenden evozierten Bildern konnte ich mich jedoch, wie so häufig schon, im Vorfeld nicht freimachen: Strand, Meer, Karibik, Südostasien, „Sommer, Sonne, Kaktus – playing featherball on the beach – blauer Himmel, gute Laune and a beautiful girl auf’m Schoß“ (H. Schneider, 2013).
Was nach dem Aufsprühen folgte, erfüllte jedoch nicht eine dieser Vorstellungen auch nur im Entferntesten. Nun gut, blauer Himmel und gute Laune geht hier definitiv trotzdem. Das beautiful girl sicherlich auch, nur war meine Herzdame zu dem Zeitpunkt gerade leider auf der Arbeit.
Aber: keine Aquatik, kein Salz, keine (Sonnen-)Creme, kein pazifischer Blütenkranz. Stattdessen saß ich frisch rasiert mitten in Europa, im flachen, grünen Norddeutschland – und der Duft passte absolut perfekt hierhin! Ich war ein wenig – vielleicht auch ein wenig sehr – verblüfft. Grünlich, gar leicht chlorophyllartig, dezent skandinavienholzig (lies: minimalst saunaharzig) mit einer wundervollen, markanten Würze. Dabei niemals zu schwer, niemals erschlagend – und dennoch dauerhaft präsent.
Zugegebenermaßen: Der Auftakt ist amouagesque harsch und gewöhnungsbedürftig – was nach rund zehn Minuten jedoch für Stunden (ja, vielleicht sogar Tage!) folgt, ist ein olfaktorischer Herrenfrisör oberster Güte. Und, im Vergleich zu seinen – zweifelsohne ebenso sehr gelungenen – zwei Schwesterdüften Bracken „Nelkenbomber“ Man und Sunshine Man durchaus das tragbarste und schönste Duftkunstwerk dieser Klasse.

Beach Hut Man ist ein wundervoller Duft mit wirrem Auftakt – und absolut katastrophal irreführender Namensgebung. Ein Misnomer in Reinform. Ich möchte den kreativen Köpfen dahinter keinesfalls zu nahe treten, werden sich schon etwas dabei gedacht haben, aber wie wäre es denn zum Beispiel gewesen mit … hm, ja … wie denn nun?!
Gar nicht mal so leicht, einen passenden Namen zu finden. Ich eröffne hiermit den Beach Hut-Ersatznamensfindungswettbewerb! Der Sieger bekommt ein Herz von mir auf die Pinnwand ;)

Feststehen tut für mich nach all den Jahren nun Folgendes:
Es ist nicht alles Strandhütte, was Beach Hut heißt – sondern vielmehr wunderbarster Schönwetterfougère mit Duschüberlebenspotenzial (beides in diesem Falle bitte so positiv auszulegen, wie nur möglich – danke)!
Gebt ihm Zeit – steht den harschen Auftakt durch … und ihr werdet (guten) Rat erhalten ;)

Vielen Dank für`s Lesen und für eure Zeit!

P.S.: Warum der Elefant Vorsicht heißt und warum er auf der netten Porzellandame steht, weiß ich leider auch nicht.

*Clickbait
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Nordique vor 4 Jahren 34 7
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Duft
Amouagegate, oder: Was stimmt denn nicht mit mir?!
Ich hatte sie bereits alle ...

... getestet.
Sämtliche Community- und Kritikerhomeruns der Herrenabteilung des Hauses Amouage durften bereits bei mir vorsprechen - zum Teil gar mehrfach, da sie alle zweifelsohne olfaktorische Topleute sind.

[Pathos an]
Dennoch konnte sich bisher keiner - ich wiederhole: KEINER - dieser Tausendsassa diesen einen Platz in meinem Duftherzen erkämpfen und zu dem einen werden ... dem EINEN Amouage, der mich vollkommen überzeugt und meine Nase und mich in den siebten Geruchshimmel katapultieren würde.
[Pathos aus]

Zugegebenermaßen - die Erwartungen waren zu jedem Male enorm, wenn über die Jahre verteilt vereinzelt Proben eben dieser Duftschwergewichte in meinem Postkarten landeten.

Jubilation – der Umjubelte, der Hochgelobte!

Reflection – der stilvolle Schönling!

Journey – wahrlich meisterhaft komponiert!

Interlude – oh, Herr, ich bin zu schwach!

Epic, Beloved, Dia, Sunshine, Bracken … ja, aber …

Aber. Immer – dieses – aber …

Don’t get me wrong - wie ich sagte: Jeder dieser Kandidaten durchaus ein kleines, mittelgroßes oder gar großes Meisterwerk für sich - aber keiner erschien mir geeignet für den Job, Nordiques Next Top Amouage (NNTA – demnächst im Privatfernsehen Ihrer Wahl) zu werden. Es war zum Mäusemelken.
Nun gut, Memoir und auch Lyric hatten ihre Termine bisher stets abgesagt - vielleicht machen wir aber ja demnächst auch noch Bekanntschaft.

Zu guter Letzt schlurfte dann vor ein paar Wochen jedoch ein verschüchterter, leicht geknickter Honour über die Türschwelle. Ein absolut durchschnittlicher Lebenslauf, Körperhaltung wie ein Oger - na klasse, das kann ja was werden, dachte ich mir.

Doch was der Gute dann auf’s geruchstechnische Parkett zauberte, hatte sich gewaschen. Im wahrsten Sinne des Wortes - ist er doch ein äußerst cleaner, leicht seifig-pudriger Geselle mit ordentlich gepfeffertem Auftakt. Letzterer ist sicherlich nicht allzu leicht zu verdauen, legt sich aber alsbald und verflüchtigt sich in einer Art Semi-Fougère, welcher sich für mich im Mittelteil insbesondere durch eine schöne Rosengeranie auszeichnet. Reminiszent in Richtung eines Brut oder weiteren fougèreartigen Saubermännern längst vergangen geglaubter Zeiten. Abgerundet durch eine prominente, demzufolge für mich hybrid klassisch-modern anmutende Moschus-Tonkabasis.
Ich war schlagartig und dann dauerhaft begeistert und konnte nicht aufhören, am Testarm zu schnüffeln.
Was solche “Duftflashes” angeht, so sind wir alle sicherlich stets auf der Jagd nach genau diesen Düften, die dies in uns auszulösen vermögen.
Das war mir schon sehr lange nicht passiert. Vielleicht kenne ich einfach schon zu viel, um die Frequenz eben solcher Sofortbegeisterungen konstant hoch halten zu können.

Doch was war passiert? Waren meine Erwartungen in diesem Falle einfach viel zu niedrig? Was stimmt nicht mit mir? Hat meine Nase einen Schaden? Kann es denn sein, dass dieser nominelle Duftschluffi mir wirklich so dermaßen gut gefällt? Oder - bin ich einfach langweilig? Nicht auszudenken, aber bei den hier und anderswo zu lesenden gängigen Meinungen zum Kandidaten leider auch wohl nicht völlig abwegig … oder?

„Bürotauglich“ - ja!
„Easy to wear“ - ja!
„Massentauglich“ - sicherlich!
„Eines Amouages nicht würdig“ - whops, einen Moment mal!
„Uninspiriert“ - hey, easy, Partner!
„Langweilig“ - HALT, STOP!!

Okay, okay, war nicht so gemeint, mag ja alles bis zu einem gewissen Grade zutreffen.
Für mich ist er dennoch eine der schönsten und absolut unverhofften Duftentdeckungen der jüngeren Zeit.

Und wenn mich meine neu gewonnene Affinität zu diesem Gesellen zu all dem macht, was ihm nachgesagt wird ... dann bin ich das gerne. Der wohl langweiligste Amouageträger dieses Universums - aber das steht mir verdammt gut, wie ich finde ;)
Vielleicht ist es mit Düften ja ein wenig, wie mit Hunden – an Herrchen und Frauchen erkennt man’s Wauwauchen [sic!] … oder sowas in die Richtung.

Ich bedanke mich für’s Lesen!
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Nordique vor 5 Jahren 13 3
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Duft
Vom Vintage verweht
So betitelte Diggi-Dendemüller schon 2010 die musikalische Ausgestaltung seines zweiten Studioalbums. Und so oder so ähnlich findet sich dieser Titel unter Garantie bereits über zahlreichen Parfumkommentaren, -blogs und –statements dieser wunderbaren Community, diesem Spielplatz für diejenigen Menschen, bei denen der zweite Sinn in jungen Jahren beim imaginären Wurstwarenfachverkäufer eine ganz besonders große Scheibe extra auf die Nasenhand bekommen hat (an alle jungen Muttis und Vatis da draußen: Wird sowas heute noch gemacht? Scheibe extra an der Theke für die Kleinen? Oder ist das auch schon Vintage? Oh, to be young(er) again …)

Was die obige, unterstellte Tatsache (ich habe im Zuge meiner Recherche bisher lediglich einen Bruchteil aller hier verfügbaren Kommentare, Blogs und Statements auswerten können – und dann irgendwann einfach aufgegeben) über die Popularität des Wortakrobaten mit der Reibeisenstimme und seines musikalischen Schaffens bei überdurchschnittlich aktiven Duftaficionados aussagt, das weiß ich leider nicht. Vielmehr attribuiere ich einfach mal die Beliebtheit dieses Titels auf seinen Witz und Eingänglichkeit … und natürlich auf seine intertextuelle Hommage an Clark Gable und Co. – ist doch klar, ist doch Vintage!

Eine Sache, die mich meine bisherige Zeit bei Parfumo nämlich gelehrt hat, ist die Unterscheidung von Vintage und Retro. Glaubt man einem bestimmten Minnesangsquintett aus Karl-Marx-Stadt, eine essenzielle Fähigkeit, wenn man im kontemporären urbanen Dschungel aus Hipstern und Digitalnomaden bestehen möchte. Kurzes, reißerisches PR-Statement für die Klicks: Ich mag Berlin. Hamburg aber noch viel, viel (viel!) lieber.

Bis vor ein paar Monaten, das gebe ich zu, habe ich sowohl Batch-Diskussionen (in ihren absurdesten Auswucherungen, wohlgemerkt!), als auch Vintage-Talk (nicht den Puder – und erst recht nicht das Fett) auf dieser Plattform ein wenig belächelt. Bei ersterem ist das zum Teil noch immer der Fall – während letzterer mich unerwartet eindrucksvoll eines Besseren belehrte.

So kam es, wie so oft, zu einem Probentausch zwischen einem weiteren Parfumo-Mitglied und meiner Wenigkeit. Unverhofft, und so ist es doch eigentlich immer bei den RICHTIG tollen Duftentdeckungen, haute mich die Probe eines Duftes so dermaßen aus den olfaktorischen Socken, dass ich meine Begeisterung dem edlen Tauscher umgehend mitteilen musste – in der Hoffnung, er könne mir die Bedenken ob der allgemeinen Verfügbarkeit dieser Kreation nehmen. Denn es handelte sich – na, erraten? – um eine VINTAGE-Probe. Von Davidoffs „Zino“, um genau zu sein.
Ein Duft, den es im untersten Drogerieregal mittlerweile für den viel zitierten Appel un‘ Ei gibt. Ein Duft, den ich stets mit Herren väterlichen, gar großväterlichen Stereotypes assoziierte.

Und nun das. Ich bin nicht (mehr) leicht zu beeindrucken, was neue (!) Dufterfahrungen angeht. Und ich muss zugeben, dass mir viele Herrenkreationen der Achtziger und Siebziger nicht sonderlich zusagen (grün-wald-frisch-puder links, rechts und mit’m Stock auch noch mal!) Aber dieser hier? Von 1986? Da war ich noch nicht einmal geboren, der HSV gewann noch Titel und Chemnitz hieß noch Karl-Marx-Stadt. Und war auch damals sicherlich nicht ganz so hip wie Berlin (kontrovers once again, ich weiß).

So kam es nun, dass der edle Parfumo-Tauscher und noch dazu, ein Glück, ausgewiesener Zino-Kenner mir dringend davon abriet, der in der Drogerie ganz unten zu findenden Version des Wässerchens auch nur einen einzigen Funken meiner Begeisterung zukommen zu lassen. Ich solle es einfach mal parallel testen – Zino gegen Vintage-Zino. Immer noch von einer gewissen Vintage-Skepsis getragen, hoffte ich beinahe darauf, dass mir die im Drogeriegeschäft verfügbare Version ebenso zusagen würde, wie die ertauschte Probe.

Relativ siegessicher schritt ich zum Test.

Pustekuchen. Ohne Talk. Aber mit ordentlich Zucker.
Die aktuelle Version könnte man höchstens als retro bezeichnen. Aber Vintage – das … ja, das ist noch einmal etwas ganz anderes. Vollmundiger, ausdauernder, feiner. Von Blässe keine Spur.

Das Sparschwein verlor in Windeseile sämtliche Kontur – und ich kann mich, auch wieder Dank eines weiteren Parfumos, mittlerweile als stolzer Besitzer eines VINTAGE-Flakons identifizieren.

Tja. Und spätestens jetzt ist es höchste Zeit, sich einzugestehen, was eingestanden werden muss: Einer der für mich absolut schönsten und, wer hätte das gedacht, zeitlosesten (!) Düfte, die ich kenne – seit über dreißig Jahren auf der Flucht vor mir. Endlich habe ich ihn eingeholt.
Und ich bin zurzeit weder Vater, noch Großvater. Kann ja alles noch kommen – mit Davidoffs Achtzigerjahrezugpferd fühle ich mich, zumindest olfaktorisch, bestens vorbereitet ;)

Aber – versteht sich – NUR in der Vintage-Version! Bleib mir wech mit retro, Davidoff!

Ich bedanke mich für’s Lesen, liebe Community!
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