Nosynora

Nosynora

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1 - 5 von 10
Nosynora vor 6 Jahren 17 4
8
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
10
Duft
Die Veilchenpeitsche
Curated by Girls-Party im St.George Club. Treppe runter. Ausstellung und Party, viele Bilder an der Wand gegenüber der Bar, viel Bunt, auch in den Haaren. Volles Haus, voller Dance Floor. Nearly everybody is talking in English, somehow. Börlin, Börlin.

Ich versuche, eine aufflammende Klaustrophobieattacke zu ignorieren und tauche unter einem verkleideten Rohr durch, das recht massiv quer in der Mitte durch einen Türrahmen läuft. Gehe um die Ecke und befinde mich in einer Art Katakombensackgasse. Eine Rauminstallation, fancy chairs and decoration, darin verarbeitet jede Menge artificial boobs aus Gummi, etwas größer als Tennisbälle. Real crazy shit. Party crowd steht Schlange, um sich reinzusetzen und zu posen, lässt sich von der gazellengleichen Künstlerin fotografieren, knipst sich gegenseitig, macht Selfies.

Daneben in einer Ecke drei schwarze Holzstehtische mit Parfumproben und Tester, dahinter Banner mit einem Flakon, inszeniert als Molotov Cocktail im Multicolor- Andy-Warhol-Look. Starting conversation with Anne from Brooklyn, a short haired, sporty, sophisticated, beauty. Living in Berlin for more than a year now. Trägt ein Tank Top und einen beeindruckend großen Love Bite am Halsansatz. Ich: Did you create this fragrance? Anne: No, I am just supporting. Have you heard about Geza Schön?

Exkurs eins: Escentric 01 oder – ganz unromantisch ausgedrückt - Iso E Super ist seit ein paar Jahren mein absolut ungeschlagener Lieblings-Dancefloor-Begleiter.
Exkurs zwei: Clubs und Gerüche. Als irgendwann das Rauchverbot da war, waren plötzlich auch die ganzen andere Gerüche da. Menschliche vor allem, und verschüttete Getränke, in der St.George-Sackgasse versehen mit der Komponente „leicht mockernder Kellerziegel“. Interessantes olfaktorisches Passepartout für einen Parfumtest, denke ich mir.

Based on violets and leather, sagt Anne und reicht mir einen Tester. Ein sanfter Pumpstoß auf die Haut. Zuerst sind die Veilchen da, blumig, mit erfreulich zurückhaltend dosierter Süße, und überraschend laut. Und dann steh ich plötzlich im Tempel einer neuen, mir unbekannten Gottheit. Nahe am Altar, als wäre ich Novizin oder Sängerin im Chor. Das Räucherwerk ist weder katholischer Weihrauch noch asiatisches Räucherstäbchen, ist etwas rau und doch frisch-fein-würzig, und in der Symbiose mit den Veilchen gerade eben nicht krawallig oder eben gerade doch? Ich überlege, ob ich das alles gerne mag, oder eben gar nicht. Ich mag es, sogar sehr. Der Duft ist ungewöhnlich, wild und mit Stil, weil komplex und harmonisch auf hohem Niveau. Schafft sich Platz, ohne schwer oder schwerfällig zu werden. Hat was auch frisches wie von Zitrus, aber ohne erkennbaren Zitrus. Er kommt mir vor wie ein älterer Duft aus einer Zeit, lange bevor die Bosse der Chemieindustrie entschieden hat, dass alle Frauen blumig-süß und alle Männer holzig-herb zu tragen haben. Erotisch-dekadentes Berlin in den späten Zwanzigern, rauchende, geschminkte Frauen in Herrenanzügen, und Opium und Kokain gibt´s noch ohne Rezept in der Apotheke. Den rosa Pfeffer und die Wacholderbeeren hätte ich selbst nicht definieren können, aber der entsprechende Hinweis (what´s juniper berries in German?) macht auch sofort für meine Nase Sinn.

Anne und ich reden über den Sinn des Lebens, laufend kommen neue Menschen, machen Selfies, testen den Duft, irgendwann wird es immer enger, und ich muss jetzt raus aus der Panikfalle, will an die Bar. Ich sprühe noch ein zweites Mal. I´d love to have one, sage ich, und suche meine Karte. Sorry, card reader doesn´t work down here, sagt eine Fashion-Punk-Mom, schwarz gekleidet, dunkelrote Lippen, Nerd-Brille und D-Cup. Mein Trostpreis sind zwei Proben.

Am nächsten Morgen ist der Tempel immer noch da, wesentlich leiser, mehr rosa vom Pfeffer als lila von den Veilchen, und eher so wie eine Art Urlaubsfoto. Und ich überlege mir, ob es ist wie mit dem Wein, der dir in Spanien in der Bodega so gut geschmeckt hat, dass Du eine Kiste mit nach Hause nimmst, und auf deinem eigenen Sofa, so ganz ohne Sonne und Meer, ist es dann nicht mehr so. Zwei Wochen später ordere ich online.

Feminista ist nichts für eine verwundete Seele, sondern definitiv ein Duft für Tage, an denen ich dicke Eier habe. Oder für schlechte Tage, an denen ich mich zusammenreiße und mir sage, jetzt erst recht. Die politischen Aktivitäten rund um die Marke sind nice to have, bin allerdings auch nicht wirklich tief eingestiegen. Die Komplimente für den Duft kommen bisher von der richtigen Seite.



















4 Antworten
Nosynora vor 6 Jahren 15 4
4
Flakon
4
Duft
Rosarote Brille für die Nase.
Zurück nach Berlin.
Lufthansa one way: 58€. Notausgang: 25€. Victoria, sehr lange Beine. Und Ich.
Flughafen. München. Franz Josef Strauß.
Minister: der Islam gehört nicht zu Deutschland.
Braune Brühe: jubelt.
Ich: Berlin gehört dann auch nicht zu Deutschland.
Victoria, Russin: ich gehöre auch nicht zu Deutschland.
Ich: take my passport.
Victoria: you´re so German.
Ich: I love Tegel.

Victoria. Ich. Duty Free.
Viktor & Rolf. Neuer Duft.
Unübersehbar in den Weg gestellt.
Massive instore Flowerbombing.
Victoria: du probierst, Rolf.
Nicht meine Farbe, nicht meine Phantasie. Und ich heiße Nora.
Victoria: you can be so explosive.
Ich nehme einen Papierstreifen.
Victoria, gebieterisch: auf die Haut!

Das Parfum ist von der Farbe her rosé mit einem Schuß Aprikose. Der Flakon hat wieder mal die leise Anmutung einer Handgranate. Ich stehe an einem Flughafen mit einem unsympathischen Namen und halte eine rosa Handgranate. Nicht mein Humor.

Der Duft: süß, in mehreren Lagen süß. Und süß. Ob naturidentische Fruchtgummiaromastoffe oder doch vielleicht teure Parfumöle, ich finde keine Nuancen, meine Nase ist in Charlies Schokoladenfabrik, da wo´s besonders bunt ist. Nicht neu der Duft, das ganze Konzept ist die rosarote Brille für die Nase. Ist das alles süß. Bombe? Ach was. Mord? Ich bitte dich. Krieg? Aber hier doch nicht. Ich bin doch nur deine süße kleine rosa Handgranate, bitte stell nicht so schwere Fragen. Komm, lass uns lieber unsere Ponys kämmen.

Ich gehe in den Bathroom und wasche das Zeug wieder ab. Viktoria lacht sich schlapp. Ich will nach Hause. Heute ist nicht wirklich mein Tag.
4 Antworten
Nosynora vor 6 Jahren 5 2
7
Flakon
6
Sillage
5
Haltbarkeit
1
Duft
Keine Seele
War es nur ein Promo Gag, oder wollte Volkswagen mir wirklich Parfums verkaufen? Wenn ja, ist die Einstellung der Produktion vermutlich dem Dieselskandal zu verdanken. Denn wenn ich jetzt "Volkswagen" höre, denke ich sofort an Sprit, Betrug und Feinstaub, da muss mich kein Flakon bei Douglas dran erinnern. Im Gegenteil, wenn mir heute ein deutscher Autobauer, dem der Schutz der Umwelt total egal ist, mir aus dem Parfumregal "Mémoire de P?trole" entgegenschmettern würde, gäbe es bestenfalls Unverständnis, oder, viel wahrscheinlicher, beißenden Spott und Hohn, so etwas wie "geh doch wieder auf die Autobahn zum Spielen" oder "ich geb dir 20 Cent, erzähl´s der Parkuhr".

Die Probe hatte mein Nachbar Mark irgendwo bestellt, er kommt ursprünglich vom Land, genauer gesagt dem Sauerland, und weil die tiefer gelegten Promillefahrten zur Disse und das Mainstreet Cruising um den Dorfplatz seine Jugend geprägt haben, hat der fahrbare Untersatz für ihn auch heute im urbanen Umfeld noch einen unangebracht hohen Stellenwert. Stolz war er jedenfalls schon ein bisschen, als er mir lässig einen Test dieser exklusiven Rarität offerierte.

Das Parfum riecht süß und klebrig, und es ist Murks. Und das ist kein Wunder, denn es kann keine Vision für einen Duft sein, dass man sagt, ich möchte in der Kopfnote ein bisschen Benzin, das schnell verfliegt, und dann kommt irgendwas nettes. Und falls es doch eine Vision sein könnte, dann ist die Umsetzung nicht gelungen. Plump, flach, billig, schmierig, keine Seele, nicht mal im Ansatz. Als wäre jemand zur Parfumeurin gegangen und hätte gesagt, mach mir was lustiges mit ein bisschen Zapfsäulen-Odeur, und es muss übermorgen fertig sein. Na gut, ich mach´s, aber nur für´s Geld. Und genau danach riecht es auch, Geld stinkt doch.
2 Antworten
Nosynora vor 6 Jahren 13 4
10
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft
Vom Aussterben bedroht
"Ein frischer, eleganter und zeitloser Duft für einen erfolgreichen, pragmatischen, traditionsgebundenen Mann." Also für alles, was ich nicht bin. Und trotzdem hatte ich mich in den Duft verknallt.

Zuerst war da der Flakon, so eine Art Jugendstil-Apothekerfläschchen, wie man sie auf den Flohmärkten auf den Tischen der Profi-Antquitätenhändlern findet, nur in neu. Eine Zeitreise, für die man kein Si-Fi Fan sein muß, da sie doch in die Vergangenheit führt und und man vor jeglichen utopisch-technischen Designattitüden verschont bleibt. Wo Oma noch ein Kind war, die Fotos schwarz-weiß, die Welt noch in Ordnung, und mittags gab es jeden Tag Pfannkuchen mit Preiselbeermarmelade.

Dann auf dem Etikett das schlichte Wort "Colonia". Nun muß ich gestehen, diese Stadt hat einen festen Platz in meinem Herzen. Verantwortlich dafür sind einige durchtanzte Nächte in Clubs mit lustigen Namen wie Tingeltangel oder Coco Schmitz, die kölsche Herzlichkeit und eine große Liebe. All das nun vor mir, eingefangen in einem Fläschchen und eingetaucht in klassische italienische Eleganz.

Und dann der Duft. Zitronen und Patschuli, das ist wie Opium im Frühling, er oszilliert zwischen betörender Schwere und einem Federballspiel auf einer Blumenwiese, sinnlich, lebendig, mal hin und her, dann wieder alles zugleich. Dreifach verzaubert schmelze ich dahin.

Irgendwann hat sich dann irgendwas verändert, und ich bedauere das sehr. Der Zauber wurde schwächer, und plötzlich clippt der Duft manchmal in meiner Nase, nur für einen Moment, und dann rieche ich etwas anderes - mag seltsam klingen, aber es ist Rasierschaum - nur kurz, dann ist es wieder vorbei. Aber es hat ein kleines Trauma ausgelöst, und das werde ich nicht mehr los. Bei keinem anderen Parfum hatte ich je eine vergleichbare Wahrnehmung, und ich empfinde es als Verlust. Die Abstände, in denen ich Aqua di Parma auflege, werden größer, es wird zur bedrohten Spezies, zumindest in dem Biotop, das ich mein Zuhause nenne. Denn wenn der Flakon leer ist, werde ich ihn nicht mehr durch einen neuen ersetzen. Wie schade.
4 Antworten
Nosynora vor 6 Jahren 5 3
7
Flakon
7
Sillage
5.5
Duft
Tutti Frutti
Produktdiversifikation ist das Zauberwort. Die Gründe dafür sind, dass man uns immer was neues bieten muss, um uns bei der Stange zu halten, zum andern, dass der Flakon nicht so einsam im Regal steht und deshalb im Store von uns leichter übersehen wird. Nun bin ich nicht nur eine ganz besonders große Freundin des Eau d'Orange Verte und schätze Hermès als Hersteller von Düften auf hohem Niveau, ich finde auch die Marke mit ihrem ganzen, sehr eigenen Hintergrund spannend, und vielleicht bin ich deswegen auch strenger als es angemessen wäre.

Aber das Ergebnis des Versuches, der wunderbaren grünen Orange eine Mandarine und eine Pampelmuse zu Seite zu stellen, halte ich für eine Marketingstrategie, die auf Männer abzielt, die sich einen Pulli immer gleich in drei bis vier Farben kaufen. Und so spüre ich bei den Nachfolgern lediglich den Wunsch nach Originalität, aber leider keine Seele.
3 Antworten
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