Olinehexchen

Ich bin ja bekennende Blindkäuferin und lasse mich schon mal durch einen Kommi oder ein Statement anfixen. So auch hier...

Erwartet hab ich eigentlich Calamity Jane, die überall ihren Mann steht, mit allen ihren Eigenschaften, aber diese Heldin ist eine andere. Auch sie steht ihren Mann, aber nicht wehrhaft mit Flinte, rauchend und fluchend, sondern überlegt handelnd und dabei doch viel bewegend. Eine Heldin des Alltags oder eine Frau (keine Dame), die Charakter und Stärke hat, das spiegelt der Duft eher wieder.

Das Leder ist weich, der Rauch sehr zurückhaltend, Safran gibt dem Duft etwas Edles, ohne aber zu elegant zu wirken. Ein außergewöhnlicher Duft, der ganz sicher seinen Reiz hat, aber leider nicht für mich, denn wer mich kennt, der weiß, dass ich andere Kaliber liebe...

Die Heldin kann aber durchaus auch ein Held sein, denn der Duft ist für mich auf jeden Fall unisex.

Bei Ambroxan und Konsorten hab ich ja den berüchtigten "(geruchs)blinden Fleck", also hab ich mir von der Probe nicht allzu viel versprochen. Aber, ich bin ja neugierig...

Also aufgesprüht...

Zuerst kommt mir ein leicht kokeliger Geruch von Wasserdampf, wie aus einem Dampfbügeleisen, das noch nachdampft, entgegen. Aber nur einen Moment, dann verwandelt sich der Wasserdampf in eine leichte Meeresbrise, womit ich zum Haus von Kurt Wallander komme. Bestimmt kennt es ja jemand aus den Krimis.
Es ist Abend und Kurt sitzt nach dem Dienst mit einem Glas Wein auf der Terrasse, Hund Jussi holt Stöckchen aus dem Wasser. Eine leichte Brise weht vom Wasser herüber, auf einer Insel weiter weg hat wahrscheinlich jemand ein Lagerfeuer angezündet.

Es ist die friedliche Abendstimmung, an die mich dieser Duft erinnert. Einfach loslassen nach einem anstrengenden Tag, sich fallenlassen, mit sich und der Welt im Reinen, gemütlich ausklingen lassen, ganz ohne Hektik.

Auch wenn die leicht süßlich-holzige Wärme recht synthetisch riecht, so ist der Duft doch rund und angenehm.

Ich mag ja eigentlich nur "Kracher", aber von Ether Oxyde bin ich doch angenehm überrascht. Hand auf's Herz, wenn ich die Probe nicht zu einer Duftbestellung bekommen hätte, hätte ich den Duft bestimmt nicht getestet...

Ab und zu hab ich mal Lust darauf, meine Schätze von früher aus der hinteren Ecke meines Duftschranks herauszuholen und mal wieder daran zu riechen. Heute ist es Desire, es war früher einer meiner Lieblingsdüfte. Schon alleine der Flakon ist recht speziell für die damalige Zeit, der Verschluss ist einem Feuerzeug nachempfunden, passend zu Dunhill.

Blumig-süß, so steht es oben, das ist heute absolut nicht mehr mein Geschmack und der Duft passt so garnicht in meine (Stinker)Sammlung. Also vorsichtig aufgesprüht...

Erster Gedanke: Zitrusbowle, ich spüre förmlich das Prickeln des alkoholhaltigen Stimmungsmachers. Etwas abseits steht eine Vase mit Magnolien und Gardenien, weit genug weg, um die Party nicht zu stören. Je später der Abend, desto lockerer die Stimmung.
Amber und Moschus mischen sich mit einem Hauch Lakritz und Karamellbonbon unter die tanzende Menge. Die Luft vibriert... Desire... Das Prickeln wird langsam zum Verlangen...

Desire ist auf eine spezielle Art sexy, vibrierend, aufregend, aber keine knisternde Erotik, sondern einfach die Unbeschwertheit eines spontanen Flirts.

Die liebe Bellemorte kennt meine Duftvorlieben ganz genau und findet immer etwas, womit sie mich anfixen kann. So kam ich zu einer Abfüllung Oud Santal. Ich liebe ja Oud-Düfte und so war ich auf Oud Santal sehr neugierig. Der Kommi von ParfumAholic hat meine Vorfreude noch verstärkt.

Oud Santal hat mich sofort in seinen Bann gezogen. Er umgibt einen mit einer wohligen Geborgenheit, die gleich alle Sinne berührt.

Ich liege in einer warmen Sommernacht auf einer Wiese in der Nähe eines Flusses und sehe in den klaren Himmel, wo die Sterne mit zunehmender Dunkelheit nach und nach zu sehen sind. Im Westen ist am Horizont ist noch ein leicht heller Schimmer erkennbar. Über dem nahen Fluss breitet sich langsam Dunst aus und ich kann die leicht feuchte Erde unter mir riechen. Ein laues Lüftchen weht den Geruch der feuchten Wurzeln der Büsche, die am Fluss wachsen, zu mir herüber. Einige Meter entfernt liegt gemähtes Gras, das fast trocken ist und einen leicht süßlichen Duft verströmt. Er vermischt sich mit dem Rauch des fast niedergebrannten Holzes eines kleinen Lagerfeuers auf der anderen Seite des Flusses. Die letzten Vögel verstummen und mein Ohr vernimmt die Geräusche der herannahenden Nacht. Es ist nicht vollkommen ruhig, hier und da raschelt es, eine Grille zirpt und die Fledermäuse und eine Eule gleiten fast lautlos durch die Nacht. Ich schließe die Augen und lasse mich fallen...

Oud Santal Ist wie ein Freund, der einen in die Arme schließt, warm und weich, tröstend legt er einem seinen Mantel der Geborgenheit um die Schultern. Dunkelheit muss keine Angst machen, sie hat so viele schöne Seiten, man muss sie nur wahrnehmen wollen.

Oud Santal ist auch dann noch ein Begleiter, wenn der Morgen dämmert, man nimmt das Wohlgefühl der warmen Sommernacht noch mit in den neuen Tag.

(Wiesen und Fluss gibt es wirklich, im Aischgrund, wo ich zuhause bin)

Ich mag ja Oud-Düfte und ich bin auch bekennende Blindkäuferin. Bei Original Aouds (so steht es auf Flakon und Karton) war es auch wieder so, ich bin über den Kommi dazu gestolpert und war neugierig. Montale-Düfte mag ich sowieso, also hab ich zugegriffen.

Das Hexchen freut sich wie ein kleines Kind über Duftpäckchen und so hab ich den Duft natürlich gleich ausgepackt und aufgesprüht. In dem Kommi steht, dass Original Aouds keine medizinische Note hat, das hat mich neugierig gemacht. Von wegen! Sie schreit förmlich laut heraus, wie man es von Montale gewöhnt ist, wenn nicht sogar noch stechender! Also doch ein Schuss in den Ofen, dieser Blindkauf! Aber so schnell gibt das Hexchen nicht auf! Aussitzen ist angesagt, hat schon oft etwas gebracht. Also gut, gesagt, getan...

Es vergeht fast eine Stunde und ich überlege, ob ich den Duft nicht abschrubben soll. Nein, da muss ich jetzt durch! Die Duftnoten hören sich interessant an und müssen doch irgendwann auftauchen. Aufgeben ist immernoch nicht! Noch ca. eine halbe Stunde Kampf, dann gibt die stechende Note klein bei und räumt das Feld für Hölzer und süßlichen Tabak, gepaart mit erdigem Oud. Alle drei wechseln sich danach mit der Vorherrschaft friedlich untereinander ab, der Duft ist also nicht einseitig. Das Hexchen ist zufrieden, war der Blindkauf doch wieder mal erfolgreich.

Wenn man viel Geduld aufbringt, wird aus dem reißenden Wolf ein freundlicher (Schäfer)Hund. Ich hab es nicht so mit Katzen, sorry! ;-)