PennyPearl
PennyPearls Blog
vor 2 Jahren - 15.11.2021
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Auf in die Höhle des Löwen, bzw. ab in die Parfümerie

Viele freuen sich ja darauf, wenn sie Parfümerien, speziell Luxus-Nischenparfümerien, besuchen und sich durchs Sortiment schnuppern können, und ich frage mich: sehe nur ich das so zwiegespalten? Ich persönlich bevorzuge Proben und Abfüllungen, die ich in Ruhe Zuhause testen kann, deshalb fehlt mir der Gang in eine Parfümerie eigentlich nie, obwohl mich der Anblick all der schönen Pafumflakons natürlich reizt.

Einige Punkte sprechen bei mir ohnehin gegen den Besuch einer Parfümerie: Ich teste sehr ungern und selten auf Teststreifen, da ich darauf den Duft nur schlecht und oberflächlich wahrnehme, ich brauche den Duftverlauf auf der Haut, um den Duft richtig einschätzen zu können. Da man nur zwei Handgelenke besitzt, ist das Testen dann sowieso begrenzt.

Bisher war ich nach jedem Besuch einer Parfümerie ein wenig desillusioniert, es sei denn, ich wusste bereits, was ich mir wahrscheinlich kaufen möchte, dann ging ich zumindest nicht mit leeren Händen wieder hinaus. Besonders den Besuch einer Nischenparfümerie, also einer Parfumabteilung oder einer Parfümerie mit gehobenen Düften, habe ich mir immer sehr inspirierend vorgestellt, doch ich wurde bei meinen letzten Parfümeriebesuchen eines Besseren belehrt. Doch auch bei früheren Besuchen in "normalen" Parfümerien hat man mir nie etwas nahe gebracht oder empfohlen, wovon ich nachhaltig profitiert hätte.

Doch nun zu meinen letzten 3 Parfümerie-Erfahrungen, die mich fürs Erste wieder demotiviert haben:

Im Düsseldorfer Breuninger im Sommer: an diesem Samstagmittag wusste ich bereits, was ich kaufen wollte und suchte die Marke und den Duft gezielt; da man mich nicht ansprach, hatte ich den Duft schnell entdeckt, nochmal aufgesprüht und ging mit dem Parfum Richtung Kasse. Überall schoben sich Menschen durch die Gänge, jedoch war es nicht unerträglich voll. Ich schlenderte also an den Parfumregalen vorbei, noch immer nahm mich niemand bewusst wahr vom Personal, und ich stellte mich an der Kasse an. Eigentlich ist es ja sehr schön, so unbehelligt durch die Abteilung zu laufen und zu testen, aber will man wie ein Geist so unbeachtet bleiben? Ein seltsamer Zwiespalt in dem Moment.

Neben mir an der Kasse, die zunächst nur von einem Mann besetzt war, wurde ausführlich über Montale-Düfte mit einer Frau philosophiert, ohne dass etwas abkassiert wurde, während ich unbeachtet blieb mit meinem Duft in der Hand. Eine Verkäuferin kam hinzu. "Ach, ich kassier Sie mal ab", sagte sie im Stil einer Metzgerei-Fachverkäuferin oder einer Kassierin im Supermarkt, die eine weitere Kasse aufmacht. Ich brauche sicherlich kein überkandideltes Getue, aber ich habe nun mal auch keine Fleischwurst gekauft.                                                                                              Ich bedanke mich und sie kassiert komentarlos, wirft achtlos 2 Proben in die Tüte (eine Avocado-Gesichtscreme und eine eher günstige Probe eines floralen Duftes; und ich habe ein Parfum für 200 Euro gekauft!)                                     Ein paar Worte hätte man da wechseln können, vielleicht nach Probewünschen fragen können, in dem Rahmen, der ihr möglich ist. "Viel Freude damit", rief sie noch und drückte mir die Tüte in die Hand. Also in etwa erinnerte mich dieser Breuninger-Besuch an einen Einkauf in einer Drogerie. Das habe ich in einem Mainstream-Pieper tatsächlich sogar schon besser erlebt. Was ich erwartet hatte? Sicherlich keinen roten Teppich, aber ein wenig mehr Aufmerksamkeit,  eine freundliche Ansprache, das Angebot einer Beratung, Engagement. Alles Dinge, die auch ich in meinem Beruf leisten muss. Da hätte ich tatsächlich auch einfach online bestellen können.

Im Sephora in Frankfurt an der Zeil: Während meines Aufenthalts zur Frankfurter Buchmesse war ich im Anschluss daran noch ein wenig an der Zeil bummeln und geriet durch den Strom an Menschen irgendwie in den Sephora, den ich immer irgendwie nur mit Kosmetik verbinde. Natürlich ist Sephora keine Nischenparfümerie, trotzdem war ich überrascht, dort die Armani Privés und einige Guerlains zu sehen und schaute mir das Sortiment an.                         Ich fühlte mich dort an Primark erinnert (2mal habe ich einen Primark von innen gesehen, einmal aus Neugier in London vor Jahren und einmal kurz wegen einer Bekannten), wo Frauen mitten im Laden halbnackt Klamotten anprobieren und Kleidung an sich raffen wie in einem Katastrophenfilm, wo Menschen wahllos Lebensmittel plündern. Unbehelligt wurde dort gesprüht, getestet, Parfumtester durch den Laden geschleppt und überall flogen besprühte Teststreifen herum, das Personal diente dort nur zu Deko- statt Beratungszwecken. Selbst ich stellte verspätet fest, dass ich den Deckel eines Parfumtesters mit mir herumtrug und brachte ihn schleunigst wieder zurück zur Flasche. Beinahe fluchtartig verließ ich den Laden wieder.

Neulich im Alsterhaus in Hamburg: Leichte Nervosität beherrschte mich schon im Vorfeld; würde ich erneut enttäuscht oder entenervt sein, wie würde das Personal reagieren/ agieren? Tatsächlich war ich an dem Tag ziemlich gestylt, da es im Anschluss zum Essen und ins Theater ginge, also trug ich einen Fellmantel, ein Kleid, meine neue Moschino-Tasche, die ich mir neu gegönnt hatte, meine Uhr von Michael Kors. An dem Tag wurde auf die Kacke gehauen, aber nicht, um im Alsterhaus zu beeindrucken, doch trotzdem erschien es mir wie ein Sozialexperiment.

Zunächst war ich neugierig auf die Kirsche in Lost Cherry, den ich bis dato noch nicht ausprobiert hatte, also steuerte ich auf den Tom-Ford-Tisch zu, wo sich einige junge Männer in Hip-Hop-Klamotten durch die ausgestellten Düfte testeten; Lost Cherry stand nicht dabei. Die Verkäuferin, die wie eine strenge Herbergsmutter mit Smokey Eyes aussah, schien gedankenverloren zu dösen und mich nicht wahrzunehmen, obwohl ich abwartend dort rumstand, bis ich sie ansprach, ob die Möglichkeit bestünde, Lost Cherry zu testen.                                                                            Sie schaute mich an, als hätte ich sie gebeten, ein verstopftes Klo zu reparieren. Sie bückte sich zu einem Schrank und holte einen Lost Cherry Tester heraus. Ehe ich sie darum bitten konnte, ihn mir auf das Handgelenk zu sprühen, quetschte sie den letzten Rest auf einen Teststreifen.                                                                                                                   "Is nicht mehr viel drin", kommentierte sie und reichte mir den Streifen, um mich im selben Augenblick schon wieder zu vergessen. Ich zog dankend weiter mtít dem Streifen. Ohne angesprochen zu werden, konnte ich einige Flakons beschnuppern und anschauen, als ich auf dem Weg zur Kilian-Ecke von einer jüngeren Verkäuferin aufgehalten wurde, die aussah wie eine große Kim Kardashian und die Marke Ex Nihilo promotete, die das Alsterhaus exklusiv verkauft, nach Aussage der Verkäuferin. Höflich ließ ich mich "beraten", starrte auf die Düfte, von denen ich keinen kannte und von denen ich nun wahllos besprühte Streifen entgegennehmen müsste.

"Mega exklusiv ist die Marke, die wollen auch nicht überall zu haben sein", sagte sie enthusiastisch und sprühte mir den Duft auf den Streifen, den sie auch privat trüge und für den sie ständig Komplimente bekäme.

"Süß-würzig ist der, Jahreszeiten gibt es bei Nische ja nicht, alles geht immer, aber der wär vielleicht ein Herbstduft", erklärte sie. Joa, irgendwas süßes, minimal würzig, mehr konnte ich auf dem Streifen nicht identifizieren. Ich erklärte ihr, ich müsse Düfte sowieso immer in Ruhe über mehrere Tage hinweg testen und treffe keine ad-hoc-Entscheidungen.                                                                                                                                                                              "Jaaaa, Proben gibt es bei Nische ja fast nie, soooo selten", seufzte sie bedauernd. "Aber ich kann dir was auf die Hand sprühen." Sie sprühte mir etwas auf den einzig freien Handrücken. (Spoiler: später roch es nach biligem, scharfen Rexona-Deospray um mich herum und ich fragte mich, was denn so stinkt; ihre Empfehlung). Sie plauderte weiter, wir kamen auf BR540, den sie nicht mochte: "Einfach nur Zuckerwatte! Und so viele Männer wollen den, da steht dann so ein großer Bär vor dir und will nach Zuckerwatte riechen. Versteh ich nicht." Ich erwiderte, dass der Duft auch nicht meins sei, aber ich rieche da keine/ nicht nur süße Zuckerwatte.

"Aber alles rein natürlich bei BR540, alles Inhaltsstoffe aus der Natur, ganz natürlich hergestellt", wiederholte sie, und betonte dies bei jedem Nischenduft. "Xerjoff La Capitale, den wollen sie alle jetzt, auch nur süß", sprach sie weiter, die OP-Maske rutschte schon unter die Nase. Irgendwann hatte ich es dann geschafft, bedankte mich und verließ das Alsterhaus. Gelohnt hat es sich leider nicht, obwohl ich das Alsterhaus sehr schön und geschmackvoll fand. Aber eine offenbarende Beratung, die mich inspiriert hatte, war es leider (wieder) nicht. Entspannt fand ich all die Besuche auch nicht.

Da teste ich tatsächlich lieber in Ruhe mit Abfüllungen Zuhause und bestelle einen Duft online, wo ich dann ein liebevoll verpacktes Paket voller Proben erhalte.

Vielleicht empfinde ich es ja auch nur so. Vielleicht reagiere ich da überempfindlich oder habe falsche Erwartungen, schließlich berichten viele von großartigen Parfümerie-Erfahrungen (zumindest im höherpreisigen Nischenbereich). Oder war ich nur zur falschen Zeit am falschen Ort mit den falschen Verkäufer*innen?

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