Die Suche nach einem "Literatur-Duft" & der Rausch des Neuen; über Nacht ist es Winter
Der Herbst zeigte sich kaum in diesem Jahr, der berühmte waldig erdige Geruch nach kühler Sonne und süßlich würziger Feuchtigkeit blieb aus; man verharrte in lethargischer Spätsommerwärme und goss weiter fleißig seine Balkonblumen, die noch allem trotzten. Aber das ist kein sehr origineller Gedanke, denn dem meisten Menschen ist das Ausbleiben des richtigen Herbsts aufgefallen.
Die sorgfältig ausgewählten Halloween-Duftkerzen von Tk Maxx (Pumpkin Cheesecake, Pumpkin Pecan, Marshmallow Ghost, Mashed Potatoes, Vanilla Pumpkin Latte), blieben beinahe unberührt und gehen im Winter in die Verlängerung.
Heute und morgen habe ich frei und genieße gerade den Luxus, vom Sofa aus einfach den Schneefall beobachten zu können...
Einige Düfte wurden in letzter Zeit gekauft, ich musste einige Düfte doch regelrecht "jagen", z.B. Le Vestiaire - Babycat (den ich dann noch im KaDeWe bestellen konnte) oder Venom of Love , einige Flakons verließen mich, vorrangig sommerliche Düfte, da mich die selten längerfristig begeistern und mir da wohl größere Abfüllungen genügen.
Das Verkaufen tut mir nie weh, und wenn ich einmal entschieden habe, dass ein Flakon gehen soll, möchte ich ihn SOFORT "loswerden", als würde man einen anhänglichen Ex vor die Tür setzen, der nicht hinnehmen will, dass er ein EX und nicht mehr aktuell ist.
Im Oktober galt es, einen ganz besonderen Duft für einen ganz besonderen Tag zu finden: ich hatte mit einem Prosa-Text beim Hildesheimer Literaturwettbewerb gewonnen und ich wollte einen Duft tragen, den ich fortan stets mit dem Ereignis verknüpfen würde; sinnlich-elegant sollte er sein, und es wurde Le Vestiaire - Babycat.
Wirklich kalt war es Anfang Oktober ja nun nicht, einige Sprüher am Abend zum Festakt fühlten sich trotzdem passend an.
Tagsüber schlenderten mein Freund und ich durch die Altstadt, vorbei an malerisch historischen "Lebkuchenhäusern" und Kirchen, tranken Kaffee in einem Café im kubanisch-karibischen Stil, wo vormittags schon fleißig Wein und Bier serviert wurde, machten Fotos von alten Gebäuden und goldenem Laub. Es gelang mir nicht, mich wichtig zu fühlen, und ich war froh darüber.
Am Abend stieß ich trotzdem brav mit einem symbolischen Schluck Prosecco mit mir selbst an im von der Veranstaltung für uns gemieteten Tagungshotelzimmer im Stil eines Klosterzimmers. Die Luft draußen schmierig warm, die Straßen zu leer für einen Freitagabend, obwohl die Stadt irgendwie jung wirkte, voller Studenten. Wie Ganoven strolchten wir zur Dombibliothek, wo der Festakt stattfand.
Und nach dem gemeinsamen Abendessen im Anschluss mit den anderen Preisträgern (die untereinander kaum den Kontakt suchten, verlegene, ausweichende Blicke, als hätten wir alle mit derselben Person Sex gehabt, ohne es vorher gewusst zu haben) und der Jury in einem "hip-gehobenen" Restaurant, nach den etwas verkrampften Konversationen, die aufgrund des dröhnenden Hip Hops kaum möglich waren, umhüllt von Le Vestiaire - Babycat und den Baccarat Rouge 540 Eau de Parfum -Duftschwaden der Bedienung, dem dreckigen Gelächter einer Männertruppe, die mit teuren Flaschen Schampus und Wodka protzten, kam mir im stillen Hotelzimmer (ohne Fernseher, aber mit einem Kreuz über dem Bett), alles bereits wieder hinfällig vor, abgehakt. Der ganze Abend so flüchtig und vergänglich, so wie ich es manchmal nach einem langersehnten Parfumkauf empfinde: die Vorfreude so groß, die Entscheidung, sich einen vielleicht sogar sehr teuren Duft zu gönnen, fühlt sich an wie ein kleiner Rausch und man kann es kaum erwarten, den Karton zu öffnen, die Verpackung zu bestaunen, den Flakon zu sprühen. Doch dann wird er ja logischerweise in den Schrank gestellt und wartet auf den nächsten Gebrauch, der "Rausch" lässt nach.
Der kurze Gedanke, wie sehr man den Duft liebt, obwohl es aber eben doch "nur" ein Parfum für viel Geld ist.
So fühlte sich auch der Abend der Preisverleihung/ des Festakts an; nicht die Hingabe an dieses Ereignis stand längerfristig im Vordergrund, sondern bereits die panisch-hektische Frage: Was wird folgen und wird überhaupt etwas darauf folgen?! Bei welchem Wettbewerb oder für welchen Preis könnte ich mich als nächstes bewerben, wird die Literaturagentur bald etwas Positives vermelden können?
Ähnlich wie im Bereich des Parfumkonsums/ des Sammlungsaufbaus; welchen Duft könnte ich es als nächstes testen oder meiner Sammlung hinzufügen (wobei ich da sehr kritisch bin und nicht vorschnell oder viel auf einmal kaufe).
Es ist grau und kalt geworden. Auf den überfüllten Weihnachtsmärkten stopfen sich Menschen hektisch im ungemütlichen Gedränge mit eisigen Händen Essen in den Mund, das nach Knoblauch, Käse, Fleisch oder nach Zucker und frittiertem Gebäck riecht, es wird mit Glühwein und Eierpunsch gegen den Winter angetrunken, in den Schaufenstern der beleuchteten Designerläden spiegelt sich die dekadente Langeweile der Menschen, ihre gedankenverlorene Mimik oder ihre fiebrige Besessenheit davon, jetzt ganz viel zu erleben, weil wir alle zu lange nix unternehmen konnten unter Menschen.
Die Paare wedeln aufregt auf das, was sie sich voneinander wünschen, Uhren, Schmuck, Parfums, Dessous, Technikkram, Menschen bahnen sich mit dem Handy filmend einen Weg durch die Menschen und die Lichter, um es im Anschluss zu posten.
Irgendwo stand ich neulich mit einem großen silber-glitzernden Nussknacker als Dekoteil für den Wohnungsflur; es gilt nun, sich (vielleicht etwas krampfhaft) mental-emotional in Weihnachtsstimmung zu bringen mit Weihnachtsfilmen und Dekoration.
In den Instagramstories sehe ich hübsche Reels aufgenommen im verschwenderisch weihnachtlich geschmückten Lafayette in Paris, meine Bekannte posiert vor dem Louvre so, wie sie sich eine schicke Französin vorstellt mit angehoben abgespreiztem Bein und Baskenmützchen auf dem Haar.
Dann kann zumindest daheim die Heizung und das Licht ausbleiben, um woanders das Geld auszugeben.
Unter meinem Weihnachtsbaum werden folgende (selbst geschenkte Düfte) liegen:
Minuit et Demi (nach intensivem Langzeittest, das Paket ist bereits da.)
Confetto (ebenso eine Abfüllung geleert und lange überlegt, bis er leider zunächst ausverkauft war/ ist, nun bei Essenza Nobile vorbestellt). Chocolate Queen (Blindbuy, der hoffentlich demnächst versendet wird, plus Sharing-Abfüllung zum Vorabtesten).
Und ich liebäugle nach einigem Hinund Her mit der Portraits - Clandestine Clara , der sich bei der Kälte ganz toll entwickelt...
Ich fühle mich schwerelos schwindlig dekadent bei all diesen Wünschen.
Macht das eigentlich noch jemand, sich selbst Parfums unter den Baum legen, die Pakete auspacken wie ein Geschenk? 🤭
Ich freue mich sehr doll darauf, mich wie jedes Jahr selbst zu beschenken!
Have yourself a merry little Christmas!