Pollita
Hühnergegacker
vor 5 Jahren - 13.09.2019
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Duftender Einheitsbrei oder wo bleibt die Vielfalt?

Zurzeit gibt es so viele schöne Themen, dass ich jetzt fast ein schlechtes Gewissen habe, weil ich meine Gedanken auch loswerden möchte. Als ich meinen Lauf-Blog verfasst habe, war es hier deutlich ruhiger. Aber seis drum, ich muss das jetzt einfach aufschreiben, denn die letzten Tage haben mich nachdenklich und auch etwas traurig gestimmt. Ich entschuldige mich gleich mal vorneweg, wenn ich einen der schönen aktuellen Beiträge damit von der Startseite schubse.

Meine Nüstern sind immer offen, nicht nur beim Morgenlauf. Ich wurde mit einer sehr, sehr feinen Nase ausgestattet, was mich manchmal durchaus auch nervt, denn nicht alles riecht immer unbedingt gut, sodass man mehr davon erschnuppern möchte. Die Nase kann ich mir nicht zuhalten, so wie Augen oder Ohren. Manchmal wirklich ein Nachteil, so ein feines Riechorgan. Aber meist überwiegt das Positive.

Seit ich hier bei Parfumo bin, beschäftige ich mich wieder intensiver mit Düften. Düfte sind zwar schon lange mein Hobby, doch in den letzten ca. zehn Jahren habe ich dieses Hobby doch eher etwas vernachlässigt. Ich merkte, dass mir etwas Bedeutendes in meinem Leben fehlt und habe mich daher entschlossen, mich eurer feinen Community anzuschließen, in der ich auch in der kurzen Zeit, in der ich hier aktiv bin, schon sehr viele nette Kontakte knüpfen könnte. Aber das nur nebenbei.

Beruflich arbeite ich in einer Männerdomäne. Bei dem Kongress, von dem ich gerade nach Hause komme, hörte ich den Satz "auf rund 40 Männer kommt circa eine Frau" und da ist was dran. Daher hat meine Nase schon viele Herrendüfte geschnuppert, oft auch gnadenlos überdosiert, wofür vor allem Firmenchefs ein Händchen haben. Ich erinnere mich an meinen Start bei meiner Ex-Firma, mit der ich heute noch viel zu tun habe. Der damalige Big Boss liebte Davidoff Cool Water und verbreitete die Sillage im gesamten Firmengebäude. Da wusste man, wer hier der Chef war. Der hat buchstäblich sein Revier mit Duft markiert :)

Und andere folgten, ebefalls bevorzugt Führungsebene. Ich vergesse nie einen bestimmten Duft, über den ich jahrelang gerätselt habe. Für mich war er eher unangenehm als als schön, da natürlich massiv überdosiert. War der Herr im Aufzug gewesen, konnte man den Duft danach stundenlang noch wahrnehmen, und zwar mit einer Penetranz, die einen fast umfallen ließ. Das war süß, schwer und heftig und in dieser Intensität einfach kaum zu ertragen. Irgendwann lag genau dieser Duft in einem meiner Tauschpäckchen aus einem Internetforum und ich wusste - ah, dieses für meine Nase grausige Zeug heißt Aomassai von PG. ;)

Auf Messen und Veranstaltungen erschnupperte ich immer dies und das. Nicht alle Herren der Schöpfung übertrieben es mir ihrem Duft. Manche dufteten auch dezent nach den von Schoork so lieb beschriebenen "Aquabons", z.B. PR Invictus und Konsorten. Andere trugen was Extravaganteres, beispielsweise Méchant Loup von L'Artisan, was mir ein Lächeln auf die Lippen zauberte. Kurzum, Duft war in meinem Job ein prägender und stets spannender Faktor.

Das ist heute nicht mehr der Fall. Genau das musste ich feststellen, als ich auf dieser jüngsten Veranstaltung war. Denn wer Parfum trägt innerhalb dieser Männerdomäne (das sind in der Regel deutlich unter 50 Prozent), der riecht exakt gleich wie alle anderen. Wie traurig! Ich muss gestehen, ich kenne weder Aventus noch Sauvage und deren zahlreiche Flanker, aber nach diesen Eventtagen denke ich, weiß ich, wie sie riechen. Oder alle tragen Office für Men? Ich weiß es nicht. Denn selber habe ich die Nase noch nicht willentlich reingehalten.

Das ist eine total traurige Entwicklung, wenn alles so gleich und langweilig riecht. Wollen wirklich alle nur "Crowdpleaser" sein? Wo bleibt die Individualität? Vor zehn Jahren war das noch was ganz anderes. Will hier nicht YouTubern oder sonstwem irgendwelche Schuld zusprechen, aber diese Entwicklung ist traurig. Zumindest ist das in meinem beruflichen Umfeld der Fall.

So, das musste ich mir mal von der Seele schreiben

Eure Pollita

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