Polyantha

Polyantha

Rezensionen
Polyantha vor 3 Jahren 20 13
7
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
7.5
Duft
80er Jahre Duft in 'leise'
Im Auftakt knallt mir ein Schwall lösungsmittelartiger Geruch entgegen, fast wie der von nitro-haltigen Lacken oder Klebstoffen. Nach wenigen Sekunden entfaltet sich dann ein chypreartiger Duft. Ich nehme Kamille und Muskatellersalbei wahr, auch Rosengeranie, inmitten einer Wolke aus Blüten von Jasmin, Rose, Lavendel und Nelken.

Eigenartigerweise erinnert mich Beloved Woman in dieser Phase stark an Aromatics Elixir EdT, welches über Jahrzehnte mein One-and-Only Parfum war. Es gibt in der Duftpyramide auch einige Überschneidungen zwischen den beiden Parfums: Muskatellersalbei, Kamille, Jasmin, Rose, Weihrauch, Sandelholz und Ylang-Ylang haben beide gemeinsam. Auch wenn hier viele den Amouage-Duft als sehr intensiv bezeichnen, kommt er für mein Empfinden aber lange nicht an die Intensität, Sillage und Haltbarkeit von Aromatics Elixir und so mancher anderer 80er Jahre Chypres heran.

Nachdem sich diese Blütenwolke dann relativ schnell zurückzieht, gibt es eine kurze Phase, in der Beloved Woman eine merkwürdig säuerliche Note entwickelt. Ich rieche etwas Brotiges und fühle mich an Sauerteig erinnert. Es ist mir nicht unangenehm, fällt aber deutlich aus dem Akkord heraus.

Dieses Säuerliche bleibt angenehmerweise nur sehr kurz, um dann Raum zu machen für die dunkleren und harzigen Noten. Patchouli, Benzoe Zistrose und Weihrauch sind sehr schön miteinander verwoben. Für mich wird der Duft dann allerdings auch recht leise und hat mit dem ausgreifend blumigen Beginn nur noch wenig zu tun. Entwickelt hat sich ein alltagstauglicher Duft ohne klebrige Süsse, ohne schwüle Blütenschwaden, recht gediegen und klassisch, mit leicht orientalischen Anklängen.

Beloved Woman ist für mich ein hübscher Duft, der mir aber, auch gemessen an meiner einstigen Liebe zu Aromatics Elixir, doch ein bisschen zu blass und glatt erscheint. Den Wohlfühl-Faktor, den Beloved Woman durchaus hat, kann man m. E. bei etlichen anderen Düften kostengünstiger bekommen. Das gewisse Etwas, der Esprit und die Eigenartigkeit fehlen mir aber leider. Ich finde ihn an mir schlicht zu brav und bin deshalb auch nicht traurig, dass dieser Duft kein Loch in mein Portemonnaie reissen wird.

(Mit herzlichem Dank an MiniGBIC für den Tausch)



13 Antworten
Polyantha vor 3 Jahren 13 12
8
Flakon
7
Sillage
9
Haltbarkeit
7
Duft
Diese Blume macht ihrem Namen alle Ehre
Nach dem Auftragen herrscht ein langes olfaktorisches Schweigen: kein Wasser, keine Würze, keine Blume.... ein Nichts. Ich suche mit meiner Nase die besprühte Stelle an meinen Arm ab, aber kein Duft entsteigt.

Nach ca. 30 Minuten glimmt irgendetwas empor: es umgeistert mich leicht süsslich. Vielleicht ist das blumig? Vielleicht grün? Es ist auf alle Fälle ganz angenehm. Hoffnungsvoll richte ich meine Nase auf die Stelle, die ich besprüht habe und schnuppere. Wieder rieche ich nichts!

Für mich lässt sich dieser zarte Duft nicht an der besprühten Stelle verorten, wird nicht intensiver, wenn ich an dieser Stelle rieche. Der Duft verhält sich überhaupt nicht so, wie ich es sonst von Parfums gewohnt bin. Stattdessen fühle ich mich, als ob ich mich mühsam in einem stockfinsteren Keller voran tasten muss und olfaktorisch komplett den Boden unter meinen Füssen verloren habe.

Ich kann keine der einzelnen Komponenten identifizieren: Bockshornklee? Ich nehme mein Glas mit Bockshornklee aus dem Gewürzregal und schnuppere: Nein, der ist doch wesentlich süsser und viel würziger und nicht so schmalbrüstig und überhaupt einfach anders.

Texaszeder? Naja, vielleicht riechen die Zedern ja in Texas so. Ich war zwar mal dort, habe es aber leider versäumt dort eine Zeder olfaktorisch unter die Lupe zu nehmen. Ach nein, falsche Fährte, es handelt sich bei 'Texaszeder' wohl um das ätherische Öl des sogenannten Alligator-Wacholders. Rieche ich Wacholder? Hmm, könnte vielleicht hinkommen, jedenfalls möchte ich das nicht komplett abstreiten.

Nach anderthalb Stunden kommt plötzlich eine süss-fruchtige Welle zum Vorschein, likörartiger Rumtopfduft, und ich denke, ok, jetzt geht es endlich los! Aber nein, nach wenigen Minuten bricht die Welle in sich zusammen und überlässt wieder der schwachen Texaszeder alias Alligator-Wacholder das Feld. Die trockene Zeder hat sich mittlerweile wahrscheinlich mit dem Perubalsam verlobt, denn jetzt glimmt es immerhin ein kleines bisschen wärmer und weihrauchiger.

Aber wo bleibt die Vanille? Die ist in meiner Nase nach 4 Stunden noch nicht angekommen.

Stattdessen bekomme ich einen trockenen Hals. Und die Stelle, wo ich den Duft aufgesprüht habe, brennt kurzzeitig ein bisschen.

Fazit: Eigentlich könnte es ein schöner, würziger, leicht bitterer Duft sein, der mir gut gefallen könnte. Das, was ich wahrnehme, weckt schwache Assoziationen an das Badedas-Schaumbad aus meiner Kindheit. Aber Blume? Naja, eher nicht. Oder wenn, dann wirklich sehr gut versteckt.

Weil ich den Duft an meinem Körper nicht orten kann und weil er damit den Eindruck erweckt, er sei eigentlich nicht da, macht dieses Parfum allerdings dem Attribut 'caché' alle Ehre. Es ist für mich, als wandele ich im Dunkeln auf dünnem Eis. Alles an diesem Duft wirkt dabei sehr synthetisch auf mich. Nichts ist greifbar, der Duft ist irritierend oszillierend und hinterlässt gleichzeitig ein brennendes und trockenes Gefühl.

Auch wenn ich dieses Parfum insgesamt eher unangenehm finde, war es doch eine sehr interessante Erfahrung seiner wellenhaften Erscheinung hinterher zu schnuppern, und ich danke Knopfnase für die Probe.
12 Antworten
Polyantha vor 3 Jahren 20 16
7
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
9.5
Duft
Anders als zuerst gedacht...
Bei einer Verlosung hier gewann ich eine Menge schöner Parfumproben, und bin sehr glücklich, dass ich daran nun meine Anfängernase schulen darf (ein dickes Dankeschön dafür an Knopfnase!).
Jetzt kann ich blind ins Kästchen greifen und einfach mal ausprobieren, wohin der Zufall mich treibt. Heute landete ich bei Timbuktu.

Im ersten Augenblick, als ich mir diesen Duft auf meinen Unterarm sprühte, dachte ich noch, leicht entsetzt, "Was ist denn das jetzt hier für ein Rasierwasser?". Wenige Momente später wich das Rasierwasser-Stereotyp dann aber doch einer anderen Wahrnehmung: "...Hmmm... das hat aber doch einen leckeren Unterton....".

Es gibt hier eine sehr schöne Duftentwicklung. Die leichte Frische in den Kopfnoten, die ich als Mango so nicht identifizieren kann, bleibt lange erhalten. Hier ist endlich ein Vetiverduft, der nicht in Zitrik kollabiert. Vetiver verbindet sich hier mit der Myrrhe und die beiden sind ein tolles und ungewöhnliches Team, welches den Weihrauch dezent in seine Mitte nimmt. Auch Patchouli drängt sich nicht vor.
Unaufdringlich steuert das Benzoe eine leichte würzige Süsse bei, die den Duft angenehm untermalt und die metallische und etwas muffige Schärfe des Vetiver abfängt.

Es entsteht ein vielschichtiger und komplexer Duft, der jede seiner Komponenten schön und harmonisch zur Geltung bringt. Nichts gleitet hier ab ins Banale, und es gibt keine billige Effekthascherei. Dieser Duft verlässt sich auf die Rafinesse, mit der die einzelnen Elemente seiner Struktur ineinander verwoben sind, hat dabei Tiefe und wirkt natürlich.

Es ist kein Klassiker, auch wenn dies in der ersten Annäherung so erscheint und er durchaus bürotauglich ist. Zwar wenig laut, erscheint mir seine Komposition aber doch zu eigen und speziell, um ihn als Klassiker einzureihen.

Auch wenn er vom Hersteller als Herrenduft ausgewiesen ist, kann ich ihn genauso an einer Frau sehen. Liebstentauglich finde ich ihn allemal.
16 Antworten