PostMortem

PostMortem

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1 - 5 von 9
PostMortem vor 12 Monaten 6 4
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9
Haltbarkeit
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Duft
Dunkelelfe - eine Lichtverkehrung
Psychotrope Duftbestandteile könnten diesen Kommentar erklären, mag mich allerdings nicht herausreden…
Ein analytischer Zugang fällt daher zugegebenermaßen schwer.
(Nicht immer passt die Haltung „always kill your darlings“, aber das ist ein anderes Thema…)
Sicher vom Erleben her einer der fremdartigsten Düfte, wenn nicht der fremdartigste, den ich riechen durfte.
Wie sang jemand so treffend? „Stranger than kindness“
Dankenswerterweise scheinen Provokation oder Innovation - anders als einige modern intendierten Düften es zu erzwingen beabsichtigen - nicht vordergründig.
Ein Solitär von großer Schönheit, wie aus der Zeit gefallen.
Historisch und vom Erlebnis her zeitlos wirkend:
Eine Nähe zu Heinrich Schütz und Dante oder Ligeti und Lovecraft sehe ich als problemlos vereinbar.

Es sind nicht dunkle Blüten, sicher nicht, eher dem Unheimlichsten gewidmet, ihren Verkehrungen:
Üppige weiße Blüten verkehrt in „Gleißende Schwärze“ eines durchleuchteten Schwarzweiß-Negativs.
Verkehrt wie Galadriel’s Vision ihrer selbst:
„Und ich werde nicht dunkel sein, sondern schön und schrecklich wie der Morgen und die Nacht!“
Verkehrt wie eine Dunkelelfe nach der Hitze der Schlacht.
Ihre Passion: Landschaftsmalerei in Blut gemalt zur Zeit des aufscheinenden Morgens.
Verkehrt wie ein auraartig negativ-sakraler Raum in dröhnender Stille einer ungespielten Orgel begleitend einen kosmischen Chor, Ligetis „Requiem“ schweigend.
Szenerie einer unwirklich holographisch-weltlosen Repräsentation

Oder wie heißt es im Märchen:
"Ach, was gruselt mir, was gruselt mir, liebe Frau! Ja, nun weiß ich, was Gruseln ist."

Zur Erinnerung:
Bitte Lederrüstung, schwarzen Kutte, Breitschwerter, Bögen, Doppeläxte, Nyarlathoteps Bildnis, existenzialistischen schwarzen Rollkragenpullover oder was sonst noch die Phantasie hergab, wieder ablegen!
Wir haben mit dieser Zeile (hoffentlich (wieder)) die Realitätsebene erreicht.
4 Antworten
PostMortem vor 2 Jahren 13 18
8
Flakon
8
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8
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9.5
Duft
Psychodelic PostProtopunk - eine Übertreibung
Ziehen wir den Vorhang mit zittrigen Händen auf und hoffen, folgendes mache hier Lesenden Freude.
Und bitte, schießen Sie NICHT auf den Organisten!
Eine Anmutung von
„Hawkwind und die Stooges spielten auf Originalinstrumenten „Also sprach Zarathustra“ in einer schwarzdämmrigen Lagerhalle namens Universum.“

Instrumente und Partitur waren dahingehend von Brian Eno und Robert Fripp fachgerecht optimiert worden.
Zeitweise dirigierte Alexander von Schlippenbach, etwas launig.
Im Publikum assoziierend Heiner Müller und Alexander Kluge über Ovid, mild gelangweilt.
Später begleitend Chorales nach Texten von Christian Dietrich Grabbe. „Der Übermensch“ war den „Masters of the Universe“ zu anstrengend formal-protestantisch.
Kluge geläutert staunend, lächelnd berührt Müller.
Das war der Moment in dem Yves Saint Laurent und Marcel Reich-Ranicki im Kanon ihre Hornbrille gegen einen Gabelstapler warfen und versuchten zu entkommen, erfolglos…
(Anzumerken bleibt die vorbildliche Eleganz Laurent‘s Wurftechnik, präzise wurde eine Ölleitung kupiert.)
Letztlich didgeridoote Brian Eno eine der tiefsten Orgelpfeifen, horchend, was es auf Dauer bewirke.
So verharrt er noch.
ENDE ohne dieses

So könnte man sich den Duft schöndenken und mag ihn daraufhin sehr.
Hol mir jetzt erstmal ne Kanne Kamillentee und Knäckebrot, um wieder runterzukommen.

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Mal ohne Jux:
##########
Der Duft riecht alt und hyper-modern, modern in der Umsetzung, aber sicher nicht innovativ in den Mitteln, eventuell sogar anti-modern in der Manier der „Carmina Burana“?
Ganz neue Duftnoten oder synthetische Moleküle kann zumindest ich darin nicht finden, ungewöhnliche Kombinationen schon.
(Den Absatz werd ich wohl nochmal bereuen…)

Darin mir anklingende Vorfahren sind mindestens:
Bandit (dominant)
Vetiver
Aramis
Mitsouko
Sarrasins (2007 wie BOG (nur weil Frau Sanches Ähnlichkeit sieht, muß es ja nicht falsch sein, kann es aber))
und was weiß ich noch, was sich meinem Bildungs-Geruchshorizont entzieht.
Das ist zugleich größte Befriedigung und Nachteil von Breath of God, die assoziative Überladung.
Soetwas kann man sich eigentlich imho nur sehr selten mit großem Zeitabstand leisten, was danach bleibt, ist irgendwie Nachlese oder Selbst-Kannibalisierung und für den Rezipienten potenziell Überdruss.
(In diesem Sinne scheinen mir „Tank Battle“ und „Kerbside Violette“ fast Flanker zu BOG.)

Phasen:
######
- Alles und alle am Anfang zugleich
> Harzig / petrolartig
> Rauchig
> Vetiver
> Holz
> Floral
> Süßlich überreife Frucht (nicht unbedingt Melone)
- Die ewige Wiederkehr des Gleichen
> Anarchisches Durcheinander in der Reihenfolge von ALLEM
- Monotonie
> Moschusnoten mit Fruchtsüße
18 Antworten
PostMortem vor 10 Jahren 2 6
5
Flakon
7.5
Sillage
5
Haltbarkeit
7
Duft
Die Harmlosigkeit des Colognes
Man vermutet vom Haus ELDO ja immer ein Gimmick / eine ironische Wendung / eine zynische Verfremdung bekannter Szenarien.
Aber hier?
Kurzzeitig bin ich versucht, den Ankündigungen der hauseigenen Website zu glauben.
(Wahnsinnig voraussehbare Wendung, was denk ich mir nur...)
Dann wäre der Name eben nur der gewohnt bemühte Witz.
Doch meiner Ansicht nach werden im Duftverlauf bewußt historische Marker gesetzt, gemäß einem didaktischen Affekt: Zeigen, daß ein Cologne eben nicht soo einfach nur ein Cologne ist!

Name dropping in zeitlicher Folge:
Auftakt eines klassisch, eleganten Eau de Cologne ohne übertriebene Blume, keine ausgeprägte Kräuterigkeit, keine überspitz quitschige Zitrone / Limone / Bergamotte. ("Eau de Cologne", Chanel)

Verbene krautig, mehliges Cologne ("Eau de Fleurs de Cédrat ", Guerlain)

Typisches "Kölnisch Wasser", floral, Jasmin, hell, leicht üppig ("Echt Kölnisch Wasser ", 4711)
Ein Drift von einer zitronigen zu einer floralen Frische, den ich sehr schätze.
Das erfolgt für mich überraschenderweise erst nach der "Mehligkeit".

Hier hab ich eine Lücke. Da ist was (so wie "Après L'ondée" im Auftakt?), aber ich erkenne es nicht.
Metalisch, floral, minzig ("Concentré d'Orange Verte", Hermes)

Der Duft geht zurück auf die Haut.
Es folgen Reste dieser eigenwilligen Noten von "Rien" (synthetisches Moschus?)
>> Damenbart, Brass Band es
"Brummt wie ein Trafohäuschen" mit all den sexuellen Konnotationen von Moschus, Metall, viriler Synthetik. Ein Zitat von Animalität, die synthetisch, glatt, kühl zudem wirkt.
Leder und Moschus wirken wie Nasenstupser auf „Knize Ten“ / „Fat Electrician / „Rien“ / "Après L'ondée" (seine Basisnoten).

Das kam selbstverständlich alles falsch sein. Ist es vielleicht nur ein perfider Rorschachtest?
Oder wie mir mein alter Kumpel Daniel Hammett gerade zuraunt:
"Cleveres kleines Biest. Sei vorsichtig."

PS: Ja, die Unterscheidung von "Eau de Cologne" und "Kölnisch Wasser" ist so, wie ich es hier verwende, eine reine Privatangelegenheit.
PPS: Mir ist klar, daß der Autor Dashiell Hammett hieß.
6 Antworten
PostMortem vor 10 Jahren 4 8
10
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10
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10
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6
Duft
Rote Arbeit
Prélude:
Nein, hier findet sich nicht das vereinfachende Ideal von Männlichkeit des "alten Europas".
Hier äußert es sich selbst in seinem abgeklärten melancholischen Selbstverständnis des Unzeitgemäßen.

Nein, nicht die nonchalante Geste, nicht der kecke, sprühende Geist eines Dr. Lekter, sondern der Habitus einer stilistischen Sonderstellung.

Kennen Sie Bullit?
Er hat ist diesem Duft nichts zu tun, außer, man verwendete ihn als Gegenpol.

(??? Doch doch die Rose!!!)

Onalude:
Kennen Sie Dr. Phybes?
An ihm sah man noch einmal den passionierten Künstler hohen Anspruchs bei der Arbeit...
Hören Sie die Geigen... flirrendes Angstgeschrei gespannter Därme?
Sehen sie die gleißenden Lichter in dunkler Nacht?
Und dann! die Silhouette vor der bleichen Scheibe des Vollmonds?

Nach tausendfünfundneuzigundeinpaarzerquetschten Tagen und ungefähr 24,083259ml erduldensten Tragens, Versuchen aller Art auf Oberarm Innenseite und Brust, Unterarm, Puls, Handrücken, (sämtliche "à la nature" und/oder rasiert, geritzt)
Oberhemden (einfarbig/gestreift/gemustert), Papierstreifen, Klopapier, Glasstab, im Glas, pochiert mit Senfsauce, frittiert an Reisrand, flambiert, gedörrt, selbst in Stickstoff gekühlt, um der Molekularküche genüge zu tun.
Ab- schnuppernd/leckend von besprühten Toiletten-Deckeln, um der Münchner Schickeria Genüge zu tun...

Mir will eine positive Haltung zu "Habit Rouge" einfach nicht gelingen.

Daß es ein anheimelnder Duft sei, kann ich nicht nachvollziehen:
"Habit Rouge" hat in der mir vorliegenden Form einen Hang aus der Balance zu fallen und kippt dann zu Exzentrizität, Steilheit, einer Art "bedrohlichen" Schieflage.

Meine geruchlichen Eindrücke optisch umgesetzt, scheint es mir so, als versprühe man weiße Kunststoffpartikel vor einer starken Lichtquelle, vorzugsweise Flakscheinwerfern.
Dieser Anfang vermittelt mir einen Eindruck von aggressiver Körnigkeit und erzeugt die Körperreaktion einer wund gerochenen Nase.
(Die Hissigkeit einer aufgeregten Giftschlange changiert mit einer süß, warmen Orangen/Veilchenartigkeit.)

Gelangt man dann endlich zum Mittelteil, oder einfach nur weiter,
ereilt einen die viel beschworene Pudrigkeit.
Der Duft entwickelt eine gewissen Offenheit und Zurückhaltung.
Eine Ruhe der sedierendsten Art erfasst mich.
Das Bild von Männlichkeit, das in mir oszilliert, hat
- und jetzt möchte ich wirklich um Entschuldigung bitten, falls sich jemand beleidigt fühlt- Ähnlichkeiten mit dem bereits erwähnten Dr. Phibes dargestellt von Vincent Price, der in anmutiger Aufmerksamkeit und ruhiger Konzentration, die seinem absoluten Irrsinn entsprechen, sein blutig, mörderisches Werk aufführt.

So unangenehm übertrieben dieses Bild ist, schreibe ich es doch klar der Zusammensetzung "Habit Rouge"'s zu. (Die Interpretation kann jede(r) gerne als Übertragung denken, sie/er hätte sogar meine vollste Zustimmung, sofern sie/er die Psychoanalyse nicht für einen wissenschaftlichen Irrweg hielte).

La cigarette:
Nach langen Stunden
Die Oper ist vorbei, die Dicke Dame hat gesungen.


Warm wohlfühlig aber leicht sinister
Eine flüchtige Kakaonote
Dunkle, leicht modrige Blumen
dann doch warmes Wildleder (ganz zurückhaltend),
das ist angenehm, sehr sogar.
So endet es, als äße man nach dem Drama Biskuit
und unterhalte sich über Haartönungen.
Das berührt mich nicht mehr.

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Wenn das alles auf mich nicht so gut gemacht wirken würde,
ich nicht vermuten würde, daß meiner der falsche Zugang ist,
der Flakon mit seinem "no nonsense!" Design mir nicht so ausgesprochen gut gefiele,
"Habit Rouge" keine Ikone wäre,
Ich hätt' den Kram schon lange in die Ecke geschmissen!
Ein Trauerspiel Grabbescher Art...
8 Antworten
PostMortem vor 11 Jahren 1 1
5
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
8
Duft
Elastizität
An dieser Stelle gäbe es sicherlich Vieles herauszustellen.
Seine geschichtliche Bedeutung, seine Prototypenhaftigkeit für Düfte von
Edmund Roudnitska wie Diors "Eau Fraîche", "Eau Sauvage", "Diorella" oder "Eau d'Hermès" von Hermès und modernerer Düfte wie "Pour Homme" von Yves Saint Laurent und "Je Suis un Homme" von Etat Libre d'Orange etc. etc.

Sei's drum!
Das hoffentlich - nicht nur mich! - wirklich faszinierende Merkmal von "Moustache" ist seine "Haptik".
Dieser Duft hat mir nachdrücklich vor Augen geführt, daß Düfte (bei mir) immer auch außergeruchliche Wahrnehmung/Assoziation provozieren.
"Moustache" hat Elastitzität.

Es erinnert an Gummi...
Eine, ganz wörtlich gemeinte, glatte Oberfläche mit fest elastischer Haptik wie ein Zitronenweichgummi.
Eine sehr weite aldehydisch wirkende Aura zum Kern hin elastisch dicht federnd.
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