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vor 4 Jahren - 18.08.2020
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Rien ne va plus


Ich habe mir heute viel Zeit genommen, meine Duftsammlung mal wieder eingehender zu durchforsten, den duftenden Preziosen neue Plätzchen zuzuweisen, schön nach Form für den Über- und Durchblick und um auch mal länger liegengebliebene Flakons zu hinterfragen. Erstaunlicherweise sind die gemiedenen Fläschchen alle ähnlich im Duftaufbau.

In letzter Zeit hat sich mein Duftgeschmack ziemlich verändert. Besonders die beiden vergangenen Jahre haben mich in Sachen Wohlgerüche tiefer ins Duftuniversum eintauchen lassen, als jemals zuvor. Das bescherte mir nicht nur neue Duftnotenkombinationen und zuvor umgangene Kreationen, sondern auch eine breiter gefächerte Abwechslung.

Dieser Wunsch nach Variation, so glaube ich, hat bei mir ihren Ursprung in verschiedenen durchgangenen Erlebnisphasen während der besagten letzten beiden Jahre. Es ist viel passiert, Gutes wie Unerfreuliches, davon manches leichter verdaulich, manches schwerer. In den negativen Phasen konnte ich meine Favoritendüfte förmlich nicht mehr riechen. Die Noten in ihnen, die mich zuvor ansprachen lösten in mir Ablehnung bis Unwohlsein aus. Ich nahm die Noten sehr viel stärker wahr und musste feststellen, dass wir uns entfernen oder bereits auseinander gelebt hatten.

Mein Unterbewusstsein hatte sich die Düfte gemerkt, die mich zu bestimmten Ereignissen begleitet hatten. Wenn ich manchmal noch keinen Zusammenhang finden konnte, hatte es in Sekundenbruchteilen bereits Duft und dazugehörige Aktion aus der Vergangenheit abgerufen und sie mir erneut schmackhaft gemacht oder verleidet.

Es ist erstaunlich, zu was unser Bewusstsein fähig ist. Es verarbeitet zahllose Eindrücke und speichert diese unermüdlich ab. Auch wenn sein Besitzer nicht der Meinung ist, dass gleich alle Informationen längerfristig ins Gedächtnis, geschweige denn ins „Archiv“ gehören, so legt es dennoch unbeirrt neue Datenbanken an. Die Verknüpfungen von Düften und Ereignissen sind unumstösslich gespeichert und werden bei der erstbesten Gelegenheit, genauer mit dem Betätigen des Sprühkopfs am Flakon, in die Denkzentrale geschossen. Von dort kommt dann entweder der Wunsch inmitten der Duftwolke in schönen Erinnerungen zu schwelgen oder das Kommando zum sofortigen Rückzug aus der Dunstzone und zur Flucht in sichere Gefilde.

Durch meinen persönlichen Wandel kam ich automatisch an neue Düfte. Ich bin in der glücklichen Lage, mittlerweile so viele Parfums zu haben, um zu jeder Tagesform und jedem Anlass das für mich Richtige wählen zu können. Denn was heute noch wunderbar duftet, ist morgen womöglich unerträglich. Und übermorgen brauche ich wieder einen anderen Duft, als noch gestern und vorgestern. Selten trage ich einen Duft mehrere Tage in Folge. Er kommt dann ein andermal wieder an die Reihe. Das ist kein Spleen oder Einbildung, das so handhaben zu müssen. Da sich auch mein Körpergefühl, viele Empfindungen und auch Ansichten verändert haben, ergab sich dieses Befinden von alleine. Ein Glück, dass ich ein offener Mensch bin und mich gerne auf dieses Experiment einlasse. Es beschert mir ja immerhin wieder auch die sinnlichen und positiven Erlebnisse, die ich bereits verdrängt oder vergessen habe.

Düfte haben mich längst schon übernommen. Ohne sie geht gar nichts mehr.

Sie sind meine Aura und Kleidung, Stimmungsbarometer, Glücks- und Hiobsboten. Sie sind zu Sensoren zur Aussenwelt, meiner Persönlichkeit und meiner Mitmenschen geworden. Zu den eigenen Düften kommt noch das grenzenlose Nonstop-Duftinput von aussen. Mensch, Natur und Wissenschaft kreieren endlose Duftketten, die sich in Hülle und Fülle und ununterbrochen um uns herum bewegen und schliesslich irgendwo im Nirgendwo vergehen.

Ich selbst schwebe auf einer Duftwolke durch die Welt und nehme ein endloses Duft- und Farbenspektrum wahr. Es lässt mich staunen, mich neu erfinden, Dinge loslassen, neue finden und reisen, wohin meine heutige Duftwahl mich gedanklich und persönlich führt.

Ich komme mir vor wie ein Guru auf einem Trip, drifte dahin und höre herzerschütternd schöne aber unergründliche Klänge, spüre den Wind und meinen Schatten, schliesse die Augen und sehe zeitgleich in tiefste Abgründe hinab, wie auch empor zum Himmel und möchte das Erlebte teilen.

Die schweren Zeiten werden zu Pastell, die neuen Ziele zu Signalfarben.

Ich löse mich von negativen Vibrations und klinke mich beim Glück ein.

Was soll ich sagen? Ich geniesse mein neues Ich, das Hier und das Jetzt.

Und ohne meine Düfte geht gar nichts mehr…denn wir sind schliesslich zusammen dort angekommen...

Rien ne va plus...

Ommmmh.....

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