Profumo
Profumos Blog
vor 12 Jahren - 22.01.2012
3 11

"Vetiver Extreme", die zweite...

Und schon wieder eine neue „Vetiver“-Variation aus dem Hause Guerlain: diesmal das neue „Vetiver Extreme“, seit 2011 im „Habit Rouge“- Flakon erhältlich.

2006 wurde es mutmaßlich von Jean-Paul Guerlain kreiert (es ist aber nicht verbürgt) und musste seither jede Menge Spott, Hohn aber auch wüste Beschimpfungen über sich ergehen lassen (siehe Luca Turin in „The Perfume Guide“).

Nun hat Guerlain das gute alte „Vetiver“, sowie dessen 45 Jahre jüngeren Nachkommen, in besagte neu/alte Flakons abgefüllt und in eine neue Verpackung gesteckt. Zugleich beeilte man sich zu versichern, dass sich nichts, aber auch gar nichts an den Düften verändert habe - vermutlich eingedenk der Rebellion, die altgediente „Vetiver“- Fans zu Beginn des neuen Jahrtausends anzettelten, als der berühmte Duft schon einmal „modernisiert“ wurde. Waschkörbeweise sollen Protestbriefe bei Guerlain eingegangen sein, sodass man über die geballte Empörung einigermaßen überrascht gewesen sein durfte.

 

Diesmal also: neues Outfit, aber ansonsten alles beim alten – so die offizielle Parole. Doch weit gefehlt. Wer die beiden neuen Versionen mit den zuletzt angebotenen vergleicht – und noch gibt es genug Möglichkeiten dazu – wird gravierende Unterschiede feststellen, trotz allem Beharren seitens des Herstellers, dass man nicht ein Jota von der alten Formel abgewichen sei.

Nur bitte, meine Damen und Herren von Guerlain, unterschätzen sie nicht die einigermaßen geschulten Nasen der Parfum-Enthusiasten - dem unbeleckten Kunden mögen die Veränderungen egal sein, aber uns sollten sie nicht an der Nase herumführen!

 

Es gibt ja auch keinen ersichtlichen, bzw. erriechbaren Grund, warum man das neuerliche Herumdoktern an den Formeln verschweigen sollte: meines Erachtens ist das Resultat nämlich in beiden Fällen, klassisches „Vetiver“ sowie „Extreme“, mehr als akzeptabel.

Der Klassiker ist wieder fast so grün, so moosig und dunkel wie einst, allerdings nur fast. Das übermäßig Frische und Transparente ist nun etwas zurückgenommen und der Duft erscheint wieder saftiger und konzentrierter, wenngleich noch immer heller und feingliedriger als das Original. Doch sei´s drum: mit dieser Version kann ich bestens leben!

 

Das neue „Extème“ betreffend muss man sogar von der Korrektur eines Missverständnisses sprechen: das bisherige „Extreme“ war nämlich mitnichten eine potenzierte Variante des frisch renovierten Klassikers, sondern vielmehr eine von diesem inspirierte Neu-Schöpfung, die weder Extremes zu bieten hatte, noch den Verlust des Originalzustandes von Jean-Paul Guerlains frühem Geniestreich kompensieren konnte. Auf jene, die dem alten Duft hinterher trauerten und die Guerlain verärgert zurückließ, musste diese neue Version wie Spott und Hohn wirken – entsprechend allergisch die Reaktionen.

Doch diesen vielleicht noch immer Verstimmten sei das neue „Vetiver Extreme“ im bekannten Habit-Rouge-Flakon empfohlen!

 

Definitiv erkennbar ist nunmehr die Verlinkung mit der aktuellen Version des Klassikers. Auch hier ein mehr an Grün: die zentrale Vetiver-Note steht viel deutlicher im Zentrum und wird besonders in ihren rauchigen und moosigen Aspekten herausgearbeitet. Zurückgedrängt wurde im Gegenzug das süßlich-krautige Umfeld, das vor allem durch Estragon und Süßholz (Lakritz) definiert wurde. Nicht dass man es vollkommen aufgegeben hätte, nein, man hat aber ziemlich deutlich die Balance verändert, hat die dunklen Seiten der Ankernote stärker betont (somit rechtfertigt sich endlich gewissermaßen der Begriff „Extreme“) und zugleich das irritierenden, irgendwie viel zu präsente Umfeld in seine Schranken verwiesen. Jetzt erst scheint die nötige Ordnung hergestellt. Folgerichtig wirkt der Duft auch schlüssiger, konzentrierter und schnörkelloser. Das tut ihm gut, sehr gut sogar!

Darüberhinaus ist er sogar länger haltbar als sein Vorgänger, sowohl auf der Haut, als auch auf Stoff: während die erste „Extreme“- Version nach (immerhin) einigen Stunden nur noch eine süßlich-holzige Spur, mit einer Ahnung von entfernt verklingendem Vetiver zurückließ, wartet die neue Fassung selbst nach weitaus längerem Zeitraum (ich meine es selbst am nächsten Tag noch deutlich wahrzunehmen) mit dem kräftigen, dunklen und erdigen Ton des Grases auf. Die Süßholz-Estragon-Kombo ist zwar ebenso erkennbar, doch – wie gesagt – eher als rahmendes Beiwerk und nicht als rivalisierender Zweit-Protagonist.

 

So gut der Duft vorher schon war (mir jedenfalls gefiel er) –erst jetzt, quasi nachträglich, hat er seine Daseinsberechtigung, seinen gültigen Platz erhalten.

Bravo Guerlain!

 

3 Antworten

Weitere Artikel von Profumo