Profumo

Profumo

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Profumo vor 3 Monaten 39 41
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Flakon
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Haltbarkeit
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Duft
Heiser geraucht


Roberto Greco strikes again!

‚Oeillers’, ‚Porter sa Peau’ und nun ‚Rauque’ – einer nicht nur schöner als der andere, sondern auch interessanter. Wem der Glaube an die Innovationsfähigkeit und Finesse der Parfümerie ob der anschwellenden Flut monoton krakeelender Aromachemikalien-Gebräue zu entschwinden droht, der möge hier schnuppern (auch Rubini, Pekji und einige andere böten sich an) – Heilung ist nicht nur möglich, sondern garantiert!

Dabei war ich in Sachen ‚Rauque’ zunächst ein bisschen skeptisch. Corticchiato und Flores-Roux, die für die beiden Vorgänger zeichneten, gehörten ohnehin zu meinen Lieblings-Parfümeuren, zu denen Sheldrake aber bisher nicht gehörte. Gut, seine Arbeit mit Serge Lutens ist sicher sehr ordentlich, aber sie liegt mir nicht. Zu dicht und zu ölig empfinde ich sie häufig, zwischen den einzelnen Facetten fehlt mir der Raum, die Luft. Die wiederum brachte zuverlässig Kollege Jacques Polge mit: aldehydige Fluffigkeit, exquisite, aber sparsame Details, klare Linien, anders ausgedrückt – Eleganz à la Chanel!
Sheldrakes Handschrift, jedenfalls seine Lutens’sche, fand ich hier nicht, aber auch keine andere.

Nun also ‚Rauque’, und ich muss sagen: Doch, da ist was Eigenes, etwas, das im eigenen Schaffen zu wurzeln scheint – in der duftgewordenen Haute Couture Chanels ebenso wie in der manchmal überladenen Orientalik Serge Lutens’. Diesen beiden Polen entzieht sich ‚Rauque’ jedoch ein gutes Stück, gewinnt ein eigenes Profil und findet zu einer Duftsprache, die ich eher unter den frühen Werken von Malle oder den alten Carons verorten würde, als in den genannten Häusern.

An einen Malle-Duft erinnert mich ‚Rauque’ besonders, an Ropions wunderbares ‚Une Fleur de Cassie’, dessen zentrale Note, die Kassiablüte, auch ‚Süße Akazie’ oder ‚Vachellia farnesiana’ genannt und zur Untergruppe der Mimosengewächse gehörend, ähnlich prominent in ‚Rauque’ aufblüht. Den nicht übermäßig süßen, leicht holzig, oder eher heu-artigen Duft der Akazie inszenieren die beiden Parfümeure jedoch auf deutlich verschieden Weise. Während Ropion das Bouquet mit Rose und Jasmin recht floral und mit untergründiger Indolik ausarbeitet und es letztlich auf einer feinpolierten Basis aus Sandelholz mit dezentem Vanille-Hauch ausklingen lässt, nimmt Sheldrake doch einige weiter Protagonisten mit ins Boot, sodass ‚Rauque’ zwar zunächst vom Aroma der Süßen Akazie dominiert wird, doch längst nicht so ausdauernd wie im Falle von ‚Une Fleur de Cassie’.
Recht bald gesellen sich nämlich die typischen feucht-grünen Aspekte des Veilchenblattes hinzu, gefolgt vom dunkel-blumigen Ton der Narzisse, deren Duftschleppe so gerne mit einem frivolen Stink daher segelt, hier aber zum Glück nicht allzu sehr Fahrt aufnimmt, sondern vielmehr den Übergang zu einer Basis einleitet, die den Duft peu à peau in eine völlig andere Richtung manövriert: weg vom floral-heuig grünen Geplänkel, hin zum sonoren, schier endlos vor sich hin summenden dunkel getönten Ambrarome, das den Duftverlauf alles in allem mindestens ebenso dominiert wie der initiale Akazien-Akkord.
Osmanthus, Myrrhe und Pilze haben zwar auch ihren Anteil am Duftgeschehen, bilden aber eher eine Art Background-Chor, dessen fruchtige, harzige und erdige Facetten auf dem sich entfaltenden Ambrarome-Fond zu tänzeln scheinen, bevor sie gänzlich darin untergehen.

Ambrarome - wow, was für ein Material!
So richtig darüber gestolpert bin ich noch nie, jedenfalls nicht bewusst. Ambermax, ja, das kannte ich, der sinnlich-warme Amberton auf Steroiden quasi, oder Ambrocenide, die beliebte vollsynthetische süßliche Holzigkeit in der junge Männer so gerne baden, von Ambroxan ganz abgesehen, dem Mega-Booster der modernen Parfümerie.
Aber Ambrarome?

Was ich rieche: balsamisch-harzigen Amber, und zwar nicht zu knapp, doch da ist noch was anderes, noch mehr. Animalisches lugt deutlich hervor, aber auch irgendwie die Idee von dunklem, aromatischem Tabak, rauchigem Tee, altem Holz, hin und wieder was Salziges – ein wahres Kaleidoskop!
Hätte ich mich nicht schon längst mit echter Grauer Ambra (Ambergris) beschäftigt, man hätte mir diese Basis als gelungenen Ersatz der ebenso mythischen wie raren Wal-Substanz verkaufen können. Aber nein, Ambrarome ist kein wirklicher Ersatz, eher eine Annäherung, eine Art Übersetzung ins Vordergründige, ja Voluminöse, wärmer, sinnlicher, animalischer als die Ur-Substanz, die vergleichsweise zurückhaltender, leiser und hintergründiger agiert. An die Raffinesse der echten Ambra kommt Ambrarome zwar nicht ran, dafür ist es präsenter und hat deutlich mehr Power: eine muskulöse Ambra im Amber-Mantel quasi.

Interessant auch, wie alt diese Duft-Base ist: 1926 entwickelte sie der junge Hubert Fraysse gemeinsam mit seinem Bruder Georges für das eigene Unternehmen Synarome als Ersatz für die sündhaft teure, in Qualität wie Quantität natürlichen Schwankungen unterliegenden Grauen Ambra. Ähnliche Motive führten schließlich zur Einführung weiterer Basen wie Muscarome, Animalis und Cuir HF, ebenfalls noch heute häufig verwendete Duft-Bausteine.
Zentraler Bestandteil von Ambrarome ist Labdanum, bzw. dessen extrahierter Ethylester, der dem Harz der Zistrose ledrige, rauchige und würzige Aspekte entlockt. Über weitere Bestandteile der Base schweigt sich Synarome zwar aus, aber Versuche der Gas-Chromatographie haben wohl Civettone nachweisen können, aber auch kleine Mengen an Indol und Skatol.
Tja, man riecht’s. Aber, das riecht gut, und wie!
Im Gegensatz zu Ambergris, dessen animalische Facette eher flirrend, kaum fassbar scheint, ist sie hier doch recht handfest, aber zahm. Kein Vergleich zu Animalis-Krachern wie ‚Kouros’, ‚Figment Man’ oder der ersten Version von Diors ‚Leather Oud’.

So sehr Ambrarome aber die Basis dominiert, eine feine Ledernote vermag sich dennoch zu behaupten. Ein Ledernote, die eher an die guten alte birkenholzteerigen Cuirs de Russie erinnert, als an moderne, cleane, safranwürzige Cuirs wie beispielsweise Barrois’ ‚B683’.

Überhaupt die Bezüge zu Düften ‚der guten alten Zeit’ – sie sind recht zahlreich. Dabei ist ‚Rauque’ doch weit entfernt ein bloßer Nostalgieduft zu sein. Vielmehr versteht er es geschickt eine Aura des Vergangenen ins Heute zu transponieren, mit bekannten Mitteln zwar, aber in neuer Tonalität. Ähnliches ist Martin Fuhs mit Grautons ‚Pour Homme’ gelungen, wobei ich ‚Rauque’ weniger dezidiert als ‚Pour Homme’ labeln und es auch nicht so eindeutig einer bestimmten Duftära zuordnen würde. Vielmehr segelt der Duft viel weiter in die Annalen zurück, mit Anleihen aus den 20er, 30er und 40er Jahren, nebst einem deutlichen Twist in Richtung 70er.

Ziemlich Retro ist passenderweise auch der Flakon in den perfekt mit dem Duft korrespondierenden Farben Kalamata-Oliven-Violett-Braun und Olivenöl-Grün. Schriftzug und Flaschendesign bedienen sich dabei gekonnt aus dem Fundus der 60er/frühen 70er Jahre, sowie des Art-Deco. Das hat Stil!

Stichwort ‚Stil’, wer könnte diesen Duft tragen? Zunächst einmal: jeder, bzw. jede, wo leben wir denn: nieder mit den Gender-Schranken! Aber besonders gut stünde er vielleicht einem Typ ‚Lauren Bacall’, oder einem Typ ‚Georgette Dee’ – keine aalglatten, eher charktervolle Schönheiten. Ja und unbedingt mit der obligatorischen Zigarette und der vor lauter Raucherei dazu gehörigen ‚voix rauque’, der heiseren Stimme, die so manchem erst das gewisse verrucht-erotische Je-ne-sais-quoi verleiht

Ach was, mir – obwohl ich nicht (mehr) rauche und diesem ‚Typ’ alles andere als entspreche – mir steht er natürlich am allerbesten!



41 Antworten
Profumo vor 5 Monaten 21 19
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Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft
Ja, bitte, gerne mehr davon!
Immer wieder gibt es sie, diese Phasen, da ich regelrecht Duft-müde bin, mein Interesse an den unzähligen Neuerscheinungen erlahmt, und meine Aufmerksamkeit sich glücklicherweise wieder anderen Dingen widmen kann, die mir mindestens ebenso am Herzen liegen.
Zuverlässig aber, über kurz oder lang, kommt dann doch wieder ein Vertreter seiner Zunft um die Ecke, mich aus der olfaktorischen Lethargie zu reißen und daran zu erinnern, wie aufregend und spannend die Duftwelt doch sein kann, und wie schön es ist, für sie noch „brennen“ zu können.

Notwendigerweise muss aber keine Neu-Entdeckung dafür verantwortlich sein: es kann mich auch ein schon längst erschnupperter Duft entflammen, der mir zunächst womöglich gar nicht weiter auffiel, oder ein anderer aus der Reihe seiner Mitstreiter stahl ihm die Show, oder ich war einfach noch nicht bereit für ihn, musste erst einen Umweg über Duft X und Duft Y gehen, oder es war schlicht der Zufall, der mir die Probe erneut in die Hände spielte – manchmal braucht’s ja ein paar Begegnungen, bis es Klick macht!

Vor zwei Jahren fand ich „Yes, Please“ jedenfalls ganz nett, aber offenbar nicht nett genug, dass er mich, neudeutsch gesagt, ‚abholte’.
Damals bekam ich ein ganzes Probenset von Ömers neuer Duftserie, die ich im Großen und Ganzen zwar ziemlich herausfordernd fand, aber nicht uninteressant. Wie auch: Ömer İpekçi kann gar keine uninteressanten Düfte machen, zumindest kenne ich keine! So richtig vom Hocker gehauen hat mich trotzdem keiner.
Zunächst.

Das Probenset zog weiter, aber doch hatte ich „Flesh“ einige Monate später erneut unter der Nase und war begeistert, restlos. Wieder einige Monate später war es diesmal „Yes, Please“, und ich dachte: Wow!, was für ein toller Duft! Wie konnte ich ihn vorher so übersehen haben?!

Ich fürchte, die ganze Reihe – der Parfümeur nennt sie seine „Reset Collection“ – neigt dazu übersehen zu werden, denn im Gegensatz zu seinen vorangegangen Werken, sind die neuen sicherlich sperriger, disharmonischer, weniger ‚catchy’.
Mögen sie Ömers künstlerische Potenz auch noch deutlicher offenbaren als seine ersten Werke, sind sie halt doch weniger Puccini, als vielmehr Schönberg, will sagen: weniger eingängig, und ja, auch weniger trivial. Nicht, dass seine Erstlinge trivial gewesen wären, nein (auch Puccini ist nicht trivial, jedenfalls meistens), aber die ein oder andere olfaktorische Arie war doch schneller und leichter dechiffrierbar: so intonieren Rose und Amber beispielsweise den allzu vertrauten Orient-Sound; Patchouli, Zistrose und wurzeliges Vetiver das dunkle Erden-Thema; Ambra, Mastix, Lavendel und ein Kräuter-Chor besingen wiederum die mediterranen Küstenlinien. Alles irgendwie bekannt und verortbar, immerhin aber eigenwillig und charakterstark genug, eine eigen Handschrift erkennbar werden zu lassen.

Aber „Yes, Please“, „Purpl“, „Flesh“ und „Blacklight“?
Gut, „Blacklight“ erschließt sich noch halbwegs zügig: der Duft ist kühl, zwischen grellen Aldehyden und tiefschwarz-ledrigem Rauch changierend gibt er duftgewordenes Schwarzlicht recht plausibel wieder. Und „Flesh“? Nun ja, der Moschuspuder, Iris und Ambrette: das bekannte Peau-Thema, aber wozu um Himmels Willen der Eimer Wandfarbe? „Purpl“ schließlich mit Vinyl, Schweiß und Erdbeeren – what the f*ck?! Und nun dieser Shake aus Cognac, Birne und Grapefruit, garniert mit gepfefferter Rose und umweht von undefinierbarem Stink, der mich beinahe würgen lässt.
Von wegen „Yes, Please“ – „No, Thanks“!!!

Was ist das?
Meist verbergen sich animalische Beimischungen ja eher zwischen den Basisnoten: hier ein bisschen fäkales Zibet, dort eine Spur ledriges Bibergeil, ein Hauch dreckig-geiler Moschus womöglich. Aber das hier riecht nicht nach Tier und fällt quasi mit der Tür ins Haus, einfach so, ‚in your face’, patsch!

Tja, keine Ahnung. Die wenigen auffindbaren Kommentare zu diesem Duft stochern eher im Nebel. Der Szechuanpfeffer? Die Kombination von Grapefruit, Birne und Cognac? Oder doch eine fiese Moschus-Verbindung?
Jedenfalls müft’s.
Irgendwie aber nicht unangenehm.
Von Test zu Test – dieses bizarre Intro fesselt mich zusehends – beginnen die gesträubten Nasenhaare sich tatsächlich langsam zu entspannen, und nach einer Weile, empfinde ich diese Störnote, diesen Party-Crasher eines ansonsten recht harmonisch rosig-fruchtigen Miteinanders, plötzlich sogar attraktiv!
Selten hat mich das erneute, mehrfache Testen eines Duftes derart eines Besseren belehrt. Ja, ich muss sogar sagen, dass es mir das wahre Wesen dieses Werkes erst nach und nach gelehrt hat. Womit ich wieder bei Schönberg wäre, der sich ebenfalls nicht sofort erschließt, in den man immer wieder tief hineinhören muss, wie man hier auch seinem ersten Eindruck nicht trauen, sondern immer wieder tief hineinriechen sollte.

Heute empfinde ich diese Störnote überhaupt nicht mehr störend, ganz im Gegenteil – sie würde mir fehlen, wäre sie plötzlich nicht mehr da. Ja, sie muss da sein, es braucht sie. Womöglich wäre der Duft ohne sie einfach zu harmlos. Jedenfalls gewinnt er mit ihr nicht nur Spannung, sondern auch Delikatesse, einen unerwartet attraktiven Reiz, der mich auf die Frage: mehr davon?, augenblicklich antworten ließe: yes, please!

Später morpht dieser disharmonische Start-Akkord zusehends in einen versöhnlichen, die Sinne schmeichelnden Mehrklang aus fruchtigen Akzenten, in schöner Balance zwischen süß und sauer gehalten, einer floralen Präsenz, ohne jede Blumenladen-Stickigkeit oder aasig-süßlicher Indolik, einer apart schnapsigen Anmutung, durchwölkt von feinen Weihrauchschlieren, dezent mit Vanille aromatisiert.
Ein fernes Echo des initialen ‚Gestankes’ aber bleibt bis zuletzt erhalten, schwächer werdend zwar, aber präsent genug um die Spannung zu bewahren und die Attraktivität zu erhalten.

Ömer empfiehlt übrigens:

„For your first time, I highly recommend putting on a sweet song and overspraying the fragrance. Even if you are normally a skeptical jerk.“

Me, a skeptical jerk?
No, definitely not.
Therefore, yes please, more of this!
19 Antworten
Profumo vor 6 Monaten 31 23
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
'Cravache' zum Dritten
‚Cravache’, zu Deutsch: Reitgerte, kam 1963 als erster Herrenduft
des Hauses Piguet auf den Markt. Zwar blinkte der alte Cellier-Klassiker
‚Bandit’ Jahre zuvor schon Richtung Unisex, bog aber letztlich nicht komplett auf dieses damals noch recht unbeschriebene Terrain ein. ‚Cravache’ aber bediente nun den vergleichsweise schmalen Duftkanon, der die tradierte maskuline Duftsprache beschrieb: frisch-herbe Agrumen, krautig-aromatischer
Lavendel, derbes Leder, mit ordentlich Eichenmoos fixiert, von einem dezenten,
unsüßen Blütenhauch durchlüftet.

Das klingt jetzt krachender und krawalliger als er eigentlich war – immerhin wollte er eine duftende Lederpeitsche sein – aber ‚Cravache’ blieb im Habitus doch ein echter Gentleman: zurückhaltend,
unaufdringlich, der wahlweise mit ‚Fracas’, ‚Bandit’ oder ‚Baghari’ bedufteten Dame jederzeit und überall den Vortritt lassend. Die Zeit der raumsprengenden
Duftgötter ‚Antaeus’ und ‚Kouros’, die sich dem Primat femininer Dufthoheit zu
widersetzen begannen, war da noch längst nicht angebrochen, und so reihten sich die wenigen maskulinen Vertreter ihrer Art noch selbstverständlich hinter die häufig großkalibrig ausufernd duftende Damenriege ein.
Heutzutage sind wir längst kräftigere und offensivere Herrendüfte gewöhnt, von Unisex-Düften ganz zu schweigen, sodass wir einstige Vertreter dieses Genres, heißen sie nun ‚Eau Sauvage’, ‚Habit Rouge’, ‚Monsieur de
Givenchy’ oder eben ‚Cravache’, eher als verdruckste Leisetreter wahrnehmen, in
Verkennung ihrer kavalierhaften Zurückhaltung.
Das waren eben noch Düfte mit Manieren!

Als das Haus Piguet in den 70er Jahren der
Bedeutungslosigkeit entgegendämmerte und schließlich die Parfumproduktion
einstellte, war es auch um ‚Cravache’ geschehen – es verschwand für viele
Jahre. Allein ‚Bandit’ und ‚Fracas’, den großen Schwestern, war es vorbehalten das Piguet-Fähnlein hochzuhalten: ein US-Amerikanischer Konzern hatte die
Rechte an den alten Düften erworben und sich auf die etablierten, immer noch zugkräftigen Schlachtrösser beschränkt.
Erst 2007, im Zuge einer Revitalisierung der Marke kam es auch zu einer Wiedereinführung von Piguets erstem Herrenduft, jedoch in erheblich überarbeiteter Form: die Blüten verschwanden komplett, desgleichen die ledrigen Nuancen und auch das Agrumen-Intro wurde kräftig gerupft. Ergänzt wurde das solcherart skelettierte Cravache-Konzept allerdings mit einer ordentlichen Portion Muskatnuss, aromatischem Salbei und einem Bündel Süßgras.

Das neue ‚Cravache’ kam jetzt zwar mit etwas mehr Wumms daher, verströmte mit seiner würzig-muskatnussigen Fougère-Aura nun aber eher konservative
Gediegenheit, denn lederchypriges Draufgängertum (das es vorher zwar auch nicht besaß, aber unter der Fassade der Wohlerzogenheit zumindest andeutete).
Warum die Reitgerte, oder nach anderer Lesart: Lederpeitsche, so völlig entledert wurde, war mir immer schleierhaft, zumal das neue ‚Cravache’ mit seiner braven Biederkeit insgesamt altmodischer duftete als sein 44 Jahre älterer Vorgänger gleichen Namens. Hatte Piguet womöglich die Traute verlassen, die sie von den Cellier-Ikonen ‚Fracas’ und ‚Bandit’, über ‚Futur’ bis hin zu ‚Oud’ (fast) immer besaßen?

16 Jahre später ersetzt nun ein neues ‚Cravache’ den so
völlig leder- und blütenlosen Nachfahren des originalen ‚Cravache’ – diesmal in
EdP-Konzentration und mit erneut gravierend veränderter Rezeptur.
Zunächst: das Leder ist zurück! Und ja, sogar ein paar Blüten. Doch wer jetzt denkt, das gute alte Chypre mit der prägnant zitrusfruchtigen Eröffnung, dem würzigen, aber eben auch floralen Herzen und der holzig-ledrigen, feucht-moosigen Basis sei wieder auferstanden, der sei gewarnt: dem ist nicht so.
Zumindest nicht im Sinne einer detailgenauen Rekonstruktion.
Das originale Duftkonzept diente offenbar lediglich als Vorlage für eine neue,
ziemlich freie, den Vorlieben der modernen Parfümerie verpflichtete
Interpretation. So wird der ledrige Effekt zeittypisch im Zusammenspiel mit
erdigen Iris-Rhizomen und Safran kreiert, während die trocken-floralen Facetten
der Schwertlilie, mit einem Hauch Jasmin kombiniert, das Blüten-Bouquet neu definieren. Keinen Eingang in die aktuelle Rezeptur fand hingegen die dunkle
Rose des originalen ‚Cravache’.
Die Agrumen-Eröffnung wurde dagegen wieder etwas kräftiger akzentuiert, allerdings weniger im Stile einer hell aufstrahlenden Zitrus-Frische, als vielmehr von den komplexen bitterschaligen bis grünen Nuancen der
Bergamotte und des Petitgrain geprägt, ergänzt durch fruchtige Anklänge von
Bitter-Orange und Mandarine.
Geblieben ist der zentrale, den Duft charakterisierende krautige Lavendel-Akkord, von einer guten Dosis Salbei und einer Prise Muskatnuss aromatisiert, die im Gegensatz zur Ausgabe von 2007 allerdings keine tragende Rolle mehr spielt.
In der Basis schließlich ist der Chypre-Charkter des Orignial-Duftes nunmehr beinahe völlig verschwunden, nachdem er 2007 schon eher in die pudrig-moosige Fougère-Richtung driftete. Dort ist er nun vollends angekommen, bzw. schon wieder ein Stück darüber hinaus auf ein süß-würziges,
holzig-ambriertes, beinahe orientalisches Terrain gelangt.

Im Grunde verhält es sich mit dem neuen ‚Cravache’ ein wenig
wie mit dem Parfum von ‚Eau Sauvage’: der Spirit des Originalduftes ist zwar irgendwie noch da, aber derart paraphrasiert, dass er kaum noch erkennbar ist.
Die einstmals schlanken Chypre-Strukturen, denen in beiden Fällen eine gute Portion Eichenmoos als Fixativ diente, wurden Jahrzehnte später mächtig mit Cashmeran gepimpt und woody-ambrig aufgeplustert,
sodass sie zur Basis hin ein vanilleartig-süß-holziges Volumen entfalten, das –
zumindest im Falle von ‚Eau Sauvage Parfum’ – vor allem bei jüngeren
Generationen zuverlässig Begeisterung entfacht.
Mal schauen, ob das bei ‚Cravache Eau de Parfum’ auch funktionieren wird, die Anlagen sind jedenfalls da.
Einen kleinen, aber nicht ganz unerheblichen Unterschied zu
‚Eau Sauvage Parfum’ gibt es aber doch: das neue ‚Cravache’ ist immer noch erkennbar ‚Cravache’, nur eben in modischerem Outfit und gänzlich anderen
Proportionen: voluminöser, androgyner, synthetischer, ja und in gewisser Weise digitaler. Denn obwohl ich die beherzte zentrale Lavendel-Note noch rieche, die schon die beiden Vorgänger-Cravaches auszeichnete, habe ich das Gefühl in der neuesten Ausgabe die digitalisierte Fassung serviert zu bekommen.
Schlecht ist das nicht, nein, es ist nur anders und ich muss mich erst noch daran gewöhnen.

Eines aber weiß ich jetzt schon: ich werde das neue ‚Cravache’ mit Sicherheit häufiger tragen als die vorherige Version des Duftes, die mir schlichtweg zu konservativ war, zu sehr Börsenparkett, und dem die sehnige lederchyprige Maskulinität des Originalduftes abging. Dem Neuen fehlt sie zwar ebenso, ersetzt durch eine digitalisierte und genderfluide Modernität, mit der ich mich aber interessanterweise ganz gut anfreunden kann.
23 Antworten
Profumo vor 10 Monaten 30 18
10
Flakon
9
Haltbarkeit
10
Duft
Bukolische Duftlandschaften

„Inspired by the bucolic writings of the Latin poet Virgil“, so beginnt der Text auf dem postkartengroßen Flyer, der auch in dem Päckchen aus Mantua steckte.

Nach der italienischen Rennfahrer-Legende Tadzio Nuvolari, nun also der Staatsdichter des alten Rom und seine ‚Bucolica’, eine Sammlung von Hirtengedichten.
Schon die Rubini-typischen schweren Gips-Schalen, zwischen denen der Flakon steckt verraten, hier wird’s grün, genauer: moosgrün.
Aber der Duft wäre nicht von Rubini, würde er das Thema „Grün“ nicht völlig anders interpretieren, als es die großen Recken dieses Genres gemeinhin taten und noch immer tun: von ‚Vent Vert’, über ‚Ma Griffe’, bis zu ‚Cristalle’, ‚Aliage’ und schließlich ‚Synthetic Jungle’. Ihr Grün ist durchweg ein helleres Grün, ein luftigeres. Meist sind dabei Maiglöckchen im Spiel, etwas Vetiver, vor allem aber Galbanum.
In dieser Ode an die Natur, fehlen alle drei. Stattdessen rieche ich frische Mahd, neben schon gedörrtem Heu, herbes Tomatenblatt und beerige Frucht, über allem aber: das süßlich-aromatische Aroma der Kamille.
Kamille muss man mögen, um diesen Duft etwas abgewinnen zu können. Ich mag sie, und hier sind sogar gleich zwei dieser Korbblütler am Start: Römische Kamille und Blaue, bzw. Echte Kamille. Ihr charakteristischer Duft ist für mich der eigentliche Link zu Vergil und seinen bukolischen Dichtungen: die Römer liebten Kamille. Nicht nur trank man ihren Sud oder verrührte sie zu Salben, auch zum Aufhellen der Haare wurde sie verwandt.
Hier steht die Kamille im Zentrum des Duftes, als Bindeglied zwischen der leisen Beerensüße zu Beginn und allmählich aufblühenden floralen Noten, die mich in Summe ein wenig an den Duft von Lindenblüten erinnern. Wie ein dichter Teppich unter allem: die frische Mahd, aromatisches Kraut, koniferische Sträucher, staubig-vertrocknetes Gestrüpp (vermutlich von Strohblumen, den Everlasting Flowers stammend, die auf der Hersteller-Seite angegeben werden, und nicht von der Immortelle, die hier genannt wird, die ich beim besten Willen aber nicht entdecken kann), und darunter wiederum moosige und holzige Nuancen, die dem Duft Tiefe geben, ihn fixieren.
Das Interessante an diesem Duft: jedes Mal, wenn ich ihn aufsprühe, habe ich das Gefühl andere Facetten wahrzunehmen. Mal rieche ich deutlich die Beeren, die ich beim nächsten Mal vor lauter Heu und krautigen Noten vergeblich suche, während ich beim dritten Mal in einem Kamillen-Feld zu stehen meine – ein irgendwie kaleidoskopartiger, irrisierender Duft, der sich permanent, wie die Natur durch stetig sich ändernden Lichteinfall, zu wandeln scheint.

Die von Rubini so wortreich beschworene bukolische italienische Landschaft im Spätfrühling – ich finde, sie wurde in absolut plausible Duftbilder übersetzt: das Grün, die Beeren, die Kamille, die Lindenblüten, das Moos, alles greift wunderbar ineinander und amalgamiert zu einem dichten, aromensatten Odeur, das ich am liebsten wie einen Aperitif wegschlürfen würde. Nun eine Decke ausgebreitet, Rotwein, Käse, Brot und Oliven ausgepackt – ein Picknick in dieser so überaus wohlriechenden Natur, das wär’s!

Ich muss sagen, Rubini ist hier erneut ein außergewöhnliches Werk gelungen, in der Art, wie auch die drei Vorgänger jeweils außergewöhnlich waren: ‚Fundamental’ mit der charaktervollen wachsigen Trauben-Note, ‚Tambour Sacré’ mit der sehr speziellen Kombination von Tuberose, Akazie und Kaffee, und ‚Nuvolari’ mit seinen benzingetränkten, metallisch-ledrigen Facetten: allesamt tolle Düfte, teilweise ein bisschen bizarr und extravagant, aber niemals so sehr, dass man in Sachen Tragbarkeit ernsthaft Abstriche machen müsste.
Nein, sie sind alle tragbar, und ‚Odenaturae’ ist von den Vieren vielleicht der tragbarste: keine prekäre Animalik, keine schrillen Dissonanzen, kein (oft zu Unrecht!) übel beleumundetes Ambroxan. Dennoch ist ‚Odenaturae’ kein glatt polierter Nasenschmeichler, sondern ein anspruchsvoller und ausdrucksstarker Duft, kontrastreich, mit Tiefe, Volumen und spannender Notenauswahl (Ginster, Ysop, Bohnenkraut, Lorbeer, Angelika!), bei dem, zumindest für mein Empfinden, alles stimmt: Inspiration, samt Umsetzung, Qualität der Inhaltstoffe und eine kunstvoll ausgearbeitete Komposition.

Für mich bestätigt dieses neue Werk einmal mehr, dass das Haus Rubini ein ganz besonderes ist, eines, das Kreativität und hohes künstlerisches Niveau zu vereinen, und noch dazu zu halten weiß und damit ein ungeschriebenes Gesetz Lügen straft, wonach immer die ersten Kreationen die besten seien. Nein, Cristiano Canali und Andrea Rubini haben zwar vor acht Jahren mit ihrem fulminanten Einstieg die Messlatte verdammt hoch gehängt, sie aber seither (das dritte Mal in Folge!) nicht gerissen.
Das muss man erst mal hinkriegen!
So hebt sich das Haus wunderbar heraus aus der Menge der immer hektischer ganze Serien an Düften raushauenden Labels, die immer die gleiche Handvoll Parfümeure anheuern, die ihrerseits wie am Fließband die (gefühlt) immer gleichen Ouds, Aquatics, Gourmands, Neo-Chypres, Neo-Fougères usw. produzieren.

Profil gewinnt man anders. Profil gewinnt man mit einem Wagnis, und das sind Canali und Rubini eingegangen. Und Profil gewinnt man auch mit Kontinuität, wie Coco Chanel mit Ernest Beaux, wie Robert Piguet mit Germaine Cellier, wie Christian Dior mit Edmond Roudnitska, wie Estée Lauder mit Bernard Chant, und neuerdings Marc-Antoine Barrois mit Quentin Bisch – kongeniale Partnerschaften, die einzigartige Parfumkunstwerke schufen, und schaffen. Auch Rubini und Canali beschreiten diesen Weg, wenngleich in kleinerem Maßstab und mit kürzerer Reichweite, da ihre Werke nicht auf dem Ticket der Haute Couture daher gesegelt kommen, sondern als kleine, feine, für sich stehende Duftkunstwerke, die ohne das Tamtam der Modewelt auskommen müssen, und hoffentlich noch lange bestehen können.

Ach ja, zwischen dem Gummi und den beiden Gipsschalen, die er umspannt, steckte ein kleiner quadratischer Zettel, worauf handschriftlich geschrieben steht: Enjoy! Andrea Rubini

Signor Rubini, ich enjoye diesen Duft so was von!


18 Antworten
Profumo vor 11 Monaten 26 20
10
Haltbarkeit
9
Duft
Pin-Up Girls und Heckflosser
Ja, Matos nervt.
Ständig kommt er mit neuem schrillen Zeug daher, kombiniert Banane mit Plastik, Erdbeer-Kaugummi mit Soda, oder Jasmin mit Chlor. Aber damit nicht genug, meist suhlen sich diese geruchlichen Mesalliancen auch noch, wie Schweine im Koben, in einer derben, überbordenden Animalik, am liebsten in fäkalem Zibet, gerne auch stinkig-dreckigem Moschus, wälzen sich anschließend in körperlichen Costus-Feuchtgebieten, um sich zu guter Letzt mit einer Puderquaste voll schweißigem Kreuzkümmel zu deodorieren.
Mehr Igitt vereint kaum ein Parfümeur in seinen Kreationen, ein selbsternannter, by the way, denn die, die es von der Pieke auf gelernt haben, womöglich gar ISIPCA diplomiert, die anschließend auf den Galeeren der großen Aromen- und Duftstoffherstellern anheuerten, die würden den Teufel tun, ihre handwerklichen Fähigkeiten derart bloßzustellen.

Nein, mit einem Jean-Claude Ellena oder Bertrand Duchaufour, einer Mathilde Laurent oder Christine Nagel kann sich ein Miguel Matos natürlich nicht messen. Vermutlich will er das aber auch nicht. Seine Funktion ist vielmehr die eines Enfant Terribles, eines Störenfriedes in der selbstgefällig dahindümpelnden Parfumbranche, in der zwar jeder nach einem neuen Hit giert, keiner sich aber zu weit aus dem Fenster lehnen mag. Da kommen so Dreistlinge wie Matos gerade recht, die übermütig dilettierend auf der Duftorgel herum hacken, dass den Granden und Grandinnen der Zunft die Sinne schwinden – aber, erhöhte Obacht: vielleicht springt ja etwas heraus!
Explosiv wie das kreative Potential des Portugiesen nämlich ist, könnte es der gebannt einander beäugenden Karawane tatsächlich als Impulsgeber dienen, den einen verheißungsvollen Schritt zu tun, der Verharrung endlich zu entkommen.
Sollen andere sich doch die Finger verbrennen!

Nun ist es aber nicht so, dass Matos nur Schrilles, sich selbst Gegnügendes fabriziert, sondern, dass er mit seinen Kreationen zur Haute Parfumerie hin und wieder sogar aufzuschließen vermag, ohne sich dabei über Gebühr zu verbiegen. „Killer Vavoom“ ist nun so ein Duft, der tatsächlich einem der renommierten Häuser entstammen könnte. Im Grunde verbirgt sich hinter dessen vordergründig plakativem Gourmand-Konzept nämlich das klassische mit Pflaumen aromatisierte Chypre-Konstrukt eines „Femme de Rochas“, eines „Diorama“ oder eines „Parfum de Thérèse“ – allesamt vom vielleicht größten Parfümeur entwickelt, der jemals gelebt hat: Edmond Roudnitska.

So kann man „Killer Vavoom“ auch als eine Art Verbeugung vor dem Altmeister der Chypre-Kunst lesen, auf Matos-Art natürlich. Dem schlanken, sehnigen Franzosen tritt er in vollem Divo-Ornat, auf großer Fregatte, mit geblähten Segeln entgegen. Alles, was Roudnitska im Laufe seines Lebens an Überflüssigem über Board warf, um so die kleineren, wendigeren Schiffe, mit den eleganteren Linien steuern zu können, packt Matos auf seinen überreich beladenen Dreimaster. Im Grunde ist „Killer Vavoom“ das duftgewordene Sinnbild für genau jene Opulenz, die Roudnitska zu überwinden versuchte, während Matos hemmungslos in ihr schwelgt. Aber, ich finde das Schwelgen in ihr hat durchaus seine Berechtigung, so wie man in der Opulenz Bruckner’scher Symphonien schwelgen, zugleich aber auch die filigrane Brillanz Schubert'scher Streichquartette bewundern kann.

Und Killer Vavoom ist opulent, aber hallo!
Aus den zu Wespentaillen verschnürten, Haute Couture tragenden Damen der Nachkriegszeit, wurde ein Curvy Model im Schokoladen-Delirium, mit Vollbart und in Leder-Chaps.
Klingt skurril, ist es auch.
‚Vavoom’ (auch ‚Va-Va-Voom’, wenn der Motor beim Anlassen stotterte, oder in heutigen Kinderzimmern: ‚Wrumm-Wrumm’) ist ein amerikanischer Slang- bzw. Comic-Strip-Ausdruck aus den 50ern, der das Aufheulen kurvenreicher Straßenkreuzer imitiert, und die nicht minder kurvenreichen Pin-Up-Girls der damaligen Zeit gleichermaßen bewundernd bedenkt. So wurden die ausladenden Heckflossen eines Cadillac ebenso mit „vavoooom!!“ quittiert, wie der Atombusen (noch so ein früher gängiger, heute skurril anmutender Begriff) von Jayne Mansfield.
Das „Killer“ davor steigert die libidinöse Lust am Kurvenreichtum ins Groteske, ins karikierend Übertriebene, nicht mehr Steigerbare, „Tödliche“ – die berühmte Dragqueen Divine und Tom of Finland lassen grüßen: Vavooooom!!!!

„Vavoom“ ist hier tatsächlich viel: die saftig ledrige Osmanthus-Blüte, die reichhaltige Pflaumen-Süße, der voluminös-erdige Eichenmoos-Patchouli-Fond, der lüstern-animalische Moschus-Hauch. Und über allem, der „Killer“: eine Fontäne zähfließender, herber Schokolade, die sich gleich einer Kaskade von den Kopf- über die Herz-Noten bis hinunter zur Basis ergießt. Sie durchdringt alles, ohne es zu ersticken, sie rahmt alles, ohne es zu überdecken. Ihre Präsenz ist wirklich enorm, oder mit anderen Worten: „Vavoooom!!“. Wer den Geruch von Schokolade nicht mag – Finger weg! Wer ihn aber mag, noch dazu die guten alten Pflaumen-Chypres, nebst einem kernigen Drall ins Ledrige schätzt, der, oder die, könnte mit „Killer Vavoom“ glücklich werden.
Süß ist der natürlich schon, ziemlich süß, aber auf eine Art, die ich mag: dunkel, Melasse-artig, fruchtig, herb. Keine Zuckerwatten-Süße, keine Flieder- oder Freesien-Süße, überhaupt nichts hell Süßes. Vielmehr ist alles dunkel, fast schwarz: das Leder, die Schokolade, die Pflaume, das Patchouli – voluminöse dunkle Opulenz!

Für mich ist der Duft eine gelungene Symbiose aus Vintage-Vibes (Matos liebt ja die alten fruchtigen Damen-Chypres!), moderner Gourmand-Allüre und zeitgemäßer Gender-Fluidität, denn mithilfe der ledrig-animalischen Beimischungen ist der Femme de Rochas doch tatsächlich ein Bart gewachsen, und was für einer!

Ein reifer Matos, ein erwachsener gewissermaßen, der die jugendlichen Überspanntheiten hinter sich lässt, der – immer noch wild! – versammelter rüberkommt, in sich ruhender.

Mich nervt der keine Sekunde!
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