QuiSuisJe
QuiSuisJes Blog
vor 6 Jahren - 24.02.2018
15 55

genießt du, oder konsumierst du schon?

Mit Anfang 20 als Student und bescheiderenen finanziellen Mitteln ausgestattet als heute, war der Parfumkauf etwas ganz und gar Besonderes. Meine beste Freundin und ich trafen uns regelmäßig zum online-Parfum-Stöbern bei ihr oder mir zu Hause; die Anschaffung eines neuen Duftes benötigte einiges an Vorplanung; gemeinsam lasen wir uns die Parfumbeschreibungen vor; klang der Text eher nach mir oder ihr? Wir suchten nach der Parfumwerbung, sofern vorhanden, und schauten, ob uns der Werbespot ansprach oder nicht. Wir liebten unsere "Stöber-Abende" und verbrachten Stunden damit, nach geeigneten Kandidaten zu suchen, die in die Vorauswahl kamen und so dann von uns vor Ort gemeinsam getestet und kommentiert zu werden. Unser geringes Budget ließ es nicht zu, dass wir uns jeden Parfumwunsch sogleich erfüllen konnten und so mussten wir abwegen, testen, abwegen, testen und schließlich wohlüberlegt den 30ml Flakon kaufen - mehr als 30ml war rein kostentechnisch nicht drin, und ja, wir wissen es mittlerweile alle, da jede Verkäuferin es seit eh und je wie ein Mantra runter betet: "Aber wenn Sie die 100ml nehmen, dann sparen Sie unter'm Strich! Das ist günstiger als der kleine Flakon!" - für 100ml hätte ich nicht unter'm, sondern auf den Strich gehen müssen und so begnügten wir uns mit 30ml unseres auserkorenden Duftes, und waren Stolz wie Oscar. Wir gingen mit unseren Duft auf die Piste und schnupperten immer wieder an dem Flakon und stellten es behutsam zu den anderen Schätzchen auf der Kommode. Ich liebte jedes meiner Parfums und verschmolz beim Tragen mit ihnen - meine kleine aber durchaus feine Sammlung behütete ich wie meinen Augapfel (sie erfüllte mich mit Wonne) ...

Jetzt mit 30 und finanziellen Mitteln, die mir das Ausleben meiner Parfum-Sucht ermöglichen, und durch die ich mir (quasi) jeden Parfumwunsch zeitnah, wenn nicht sogar sofort, erfüllen kann, hat sich etwas verändert - denn aus einem Genießen meiner wenigen Parfums, ist ein Konsumieren vieler geworden; die erlesene Suche machte Platz für den schnellen Kick - je mehr ich von meiner Droge (Parfum) brauchte, umso weniger hielt das rauschartige Gefühl, welches ich mit 20 vernahm, als ich einen neuen Flakon in den Händen hielt und fast huldigend in meine Sammlung aufnahm. Heute renne ich von einer Neuheit zur nächsten, von Flanker zu Flanker, ob intense, légère, rouge, noir, nude, absolut, blanch, edt, edp - der Markt überflutet uns mit einer Auswahl, die mich zum Konsumenten verkommen lässt; immer bereit für den nächsten Duft, der jetzt noch besser, noch haltbarer oder was auch immer ist. Früher reichten mir etwas 5-6 Schönheiten, heute will ich einen Harem. Wie beim Fast-Food geht es weniger um die Qualität, sondern um die kurze und sättigende Befriedigung, die aber nur von kurzer Dauer zu sein scheint! Baudelaire schrieb: "Wir greifen zur Droge und je mehr wir von ihr konsumieren, umso weiter treibt sie uns von dem Gefühl weg, welches sich beim 1. Konsumieren zeigte!" - Jeder Parfumneuzugang erzeugt bei mir ein Glücksgefühl von wenigen Minuten; stelle ich es zu den anderen Flakons, ist die Euphorie schon verblasst und ich hächel dem nächsten hinterher; ohne zu merken, dass nicht ein Mehr, sondern ein Weniger an Konsum zu meinem früheren Glücksgefühlen führen kann (hoffe ich zumindest!), hüpfe ich von Neuzugang zu Neuzugang und wünsche mir etwas von dem Gefühl zurück, welches sich damals bei mir einstellte.

Somit verordne ich mir ab heute einen Entzug - einen kalten! Ich werde meine vorhandenen Düfte tragen, die Reste in den fast leeren Flakons aufbrauchen und mich selbst beim Kauf von Neuheiten zurückhalten. Ich hoffe, der cold turkey veranlasst mich nicht, meine Therapie abzubrechen, aber so lange ich nicht wie Christiane F. die Tapete mit den Fingern abknibbel, werde ich eisern und stark sein und zu dem verloren geglaubten Genuss zurück finden!

15 Antworten