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vor 2 Jahren - 30.09.2022
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Aus W.s Papierkorb gefischt: Dupes bekannter Gedichte

1.
Ich hab in meinen Jugendtagen
wohl auf der Haut einen Duft getragen;
die INCI rochen wunderbar,
ein Zauber in dem Dufte war.

Der schöne Duft gefiel nicht allen,
dass ich ihn trug, hat manchem missfallen;
ich floh die Nasenbanausigkeit,
ich floh in die große Parfumogemeind‘.

Im Netz, im Netz! Da konnt ich führen
ein duftes Leben mit Riechen und Spüren;
Flakons und Proben von jedem Gebräu,
ich testete sie meist ohne Scheu.

Ich schnupperte sie manchmal mit Zagnis,
selten war es ein schreckliches Wagnis.
Dass ich ein Jäger, wusste der Souk,
als Sammler hatt’ ich bald mehr als genug.

2.
Ich stöbert‘ im Souk so vor mich hin
und nichts zu finden, das war mein Sinn.
Auf einmal seh 'nen Flakon ich steh'n,
Verpackung anbei, der Sprühknopf schön.

Ich ließ ihn senden zu mir nach Haus.
Zum Schrank ihn trug ich, aus der Packung heraus;
und stellt ihn nieder am kühlen Ort.
Nun sprüh ich immer und dufte so fort.

3.
Vielsprüh läßt sein Duftgewand
wieder wabern durch die Lüfte;
unerträglich süße Düfte
fluten gnadenlos das Land.

Oudel wartet schon, will sich bald entfalten.
Horch, von fern ein leiser Schmerzenston!
Vielsprüh, ja du bist's!
Tu bitte Abstand halten!

4.
Ruhig, Parfumisto, klug und mild!
Du des Kollegen Ebenbild!
Das bist du; zwar der andre spricht
du habest seine Nase nicht.

Nur eben itzo war er hier,
fand deine Sammlung schlicht
und sprach: „Viel ist zwar wie bei mir,
doch seine Nase nicht.“

Ruhig, Parfumisto, was der Kollege spricht,
nimm‘s auf wie einen Scherz;
dann hab halt seine Nase nicht,
dafür ein großes Herz.

Heine, Waldeinsamkeit. Goethe, Gefunden.  Mörike, Er ist's. Claudius, Die Mutter bei der Wiege.

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