Sind Düfte so außergewöhnlich oder ist es die Einzigartigkeit ihres Trägers

Vor einigen Wochen erhielt ich von einem sehr großzügigen Parfumo die Probe eines Duftes, von dem ich glaubte ihn niemals riechen zu dürfen. Seit dem hüte ich ihn wie einen Schatz. Es ist aber nicht nur der Duft als solches, der ihn für mich so wertvoll macht, sondern auch die Geste des Menschen, der ihn mir geschenkt hat, ohne eine Gegenleistung dafür zu wollen. Einzig um mir eine Freude zu machen und mich um ein Dufterlebnis reicher zu machen. Diese Großzügigkeit erlebe ich hier häufig, aber an dieser Stelle war es noch etwas spezieller, da wir bis dato keinerlei Verbindung hatten.

Als ich diesen Duft, ein Guerlain, das erstemal testete, spiegelte er all diese Gefühle in mir wieder, als wäre er eigens für diesen Moment kreiert worden. Er wirkte wie ein feingewebter Traum, zerbrechlich und empfindsam. Mit jeder Sekunde, die er an mir wirken durfte, wurde er immer mutiger, präsenter und einzigartiger. Als müsste er sich selbst von sich überzeugen. Erst schüchtern und unsicher, dann unerschütterlich und ausdrucksstark, ohne dabei über die Strenge zu schlagen. Warum ich all das schreibe-weil er mich an meine ersten Schritte bei Parfumo erinnert, als auch an sehr viele andere Menschen hier und anderswo. Ich habe am Anfang versucht, etwas bahnbrechend Sensationelles hier zu finden. Vielleicht tatsächlich auch DEN DUFT. Ich wollte etwas enthüllen, ein Geheimnis entdecken und habe dabei versäumt zum wahren Kern vorzudrängen. Auch jetzt noch finde ich Düfte in meinem Probenschälchen, von denen ich nicht wusste, dass sie da sind. Jedesmal wenn ich eine Lieferung erwartete, stürzte ich mich darauf wie ein ausgehungerter Wolf. Alles gleichzeitig riechen wollend, aus Angst ich könnte etwas verpassen ohne darauf zu achten, dass ich die wahre Schönheit dieser Düfte nicht zu erkennen vermochte. Weil ich nicht genau genug hinsah, weil ich keine Zeit hatte und weil ich getrieben wurde von einem Drang, der mehr an der Oberfläche kratzte als in die Tiefe zu gehen.

Zurück zum Duft. Er ist für mich in seinem ganzen Verlauf so maßgeblich für diese eigens meine Erkenntnis, weil er mir den Blick für den ein oder anderen Zusammenhang verschaffte. Viele von uns meinen unsere Leben wären langweilig, weil keiner davon berichtet, was wir alles so tun, was uns Freude verschafft und woran unser Herz hängt. Wir stehen nicht im Blitzlichtgewitter. Sind ebenso nicht berühmt. Aber wir alle haben unsere Geschichte, die einzigartig und speziell ist. Man muss sich nur die Mühe machen genau hinzuschauen und das Besondere in unserem Leben würdigen. So macht sich auch ein Duft auf unserer Haut bemerkbar. Ich lese häufig, dass dieser und jener Duft anders riecht oder wirkt, als bei einem anderen. Jeder hat seine eigenen Bilder, seine eigenen Emotionen und Erinnerungen, die durch einen Duft hervorgerufen werden. Das macht nicht nur den Duft so spannend, sondern vor allem uns selber. Nicht nur ein Duft hat viele Facetten. Auch wir, die ihn nutzen, haben viele Eigenheiten und Facetten, die das Gesamtwerk so speziell, so unglaublich schön machen. Ja, ein Duft hebt die Schönheit eines jeden Menschen für mich hervor. Sind wir uns auch am Anfang dessen noch nicht so sicher, wie der Guerlain, von dem ich anfangs sprach, so werden wir uns immer klarer, dass genau dieser Duft für diesen Moment, der "Richtige" ist.

In einer Zeit von großer Unsicherheit, Menschen sich gegenseitig misstrauisch gegenüber stehen, wo wir mit Negativ-Schlagzeilen berieselt werden, wo wir dazu neigen Radio und Fernseh auszuschalten, weil es für den Moment den Grad des Ertragbaren überschreitet, stimmt es mich freudig, beruhigt es mich, tröstet es mich, mein Augenmerk auf den wahren Kern zu legen und dass aus dem Herzen und nicht mit dem Verstand. Es verschmilzt nichts mehr zu einer großen, brodelnden Suppe, die für mich eher furchteinflößend ist, sondern zu einem Puzzle, in dem jedes Teilchen seinen ureigenen Platz hat und ohne das fehlende Stück niemals vollendet wäre.