Rebirth2014

Rebirth2014

Rezensionen
Filtern & sortieren
1 - 5 von 25
Rebirth2014 vor 1 Jahr 10 6
5
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
9
Duft
Gesöff
„Ganz traditionell bereitete ich mir jüngst erst wieder einen Matcha in meiner echten schwarzen Raku-Matchawan zu. Ich gab mit dem Chashaku ein besonderes Matchapulver aus Yame in die Schale und fügte mit der Hishaku das auf genau siebzig Grad erhitzte Wasser hinzu. Besinnlich führte ich für fünfzehn Sekunden achtsame Bewegungen mit dem Chasen durch und schäumte damit entsprechend die grüne Flüssigkeit auf. Nun drehte ich die Schale zwei Mal, stellte sie vor mir ab, nahm sie wieder auf und trank den Matcha in genau drei Portionen. Die volle Aromavielfalt konnte ich in jener ruhigen Umgebung genießen und entsprechend habe ich ein ganz tiefes Verständnis für diese edle Flüssigkeit.“, sprach der Matcha-Kenner und legte den Flakon von „Thé Matcha“ verächtlich zur Seite.

„Ja, das ist kein Matcha. Riecht irgendwie holzig, milchig süß, nach Zeder, Feige, Moschus und Minze aber nie und nimmer nach MATCHA!“

„Oha, er sagte doch noch am Telefon, dass er Matcha sehr mögen würde?“, dachte sein Sohn und nahm deshalb an, dass ihm auch der Duft „Thé Matcha“ von Le Labo gut gefallen könnte.

„Da machen Leute etwas, wovon sie keine Ahnung haben! Entsetzlich und für jeden Japaner eine Beleidigung!“, fuhr sein Vater fort.

Zugegeben: als er vor 2 Jahren von zu Hause auszog, da entdeckte sein Vater gerade erst die japanische Kultur für sich und war sofort fasziniert von der Teezeremonie und dem ästhetischen Konzept „Wabi-Sabi“. Doch sein alter Herr war schon immer etwas verschlossen und genoss seine Erkenntnisse lieber im Stillen für sich. Versunken in einsame Gedankengänge suchte er offensichtlich nach der Definition seiner eigenen Werte und seiner Integrität. Wer in diese Welt – ob bewusst oder unbewusst – eindrang, der musste mit einer starken Abwehrhaltung rechnen.

„Papa, das ist Matcha. Riechst du denn nicht den krautigen Tee heraus?“, relativierte der junge Mann.

„Du willst mich veralbern?“, konterte der Senior ernst.

„Nein, ich wollte dir eine Freude machen. Aber ich hatte keine Ahnung, was Matcha für dich bedeutet. Das grüne Pulver spiegelt für dich eine ganze Kultur und für mich ist es nur ein Trendgetränk, dass ich mit aufgeschäumter Milch und einem Teelöffel Manukahonig genieße. Wahrscheinlich verziehst du jetzt gleich wieder dein Gesicht, weil ich dieses "heilige Pulver" mit meiner Zubereitungsart entweihe und ich kann es sogar aus deiner Sicht verstehen.“

„Aus deiner Sicht verstehen? Hm, da ist etwas dran. Aus deiner Sicht verstehen.“, sagte der Vater, lächelte verschmitzt und ging in die Küche.

Er nahm zwei Gläser aus dem Schrank und gab mit dem Teelöffel etwas Matchapulver hinein. Mit dem Wasserkocher brachte er Wasser auf eine Temperatur von achtzig Grad und goss es auf das Pulver in den Gläsern, um es im Anschluss mit einem elektrischen Milchaufschäumer zu verquirlen. Nun wärmte er Milch, schäumte sie auf und gab etwas herben Waldhonig in den Tee. Vorsichtig ließ er die aufgeschäumte Milch in den Tee laufen und rührte dabei vorsichtig um.


„Fertig, Sohn. Jetzt schmecken wir einmal Matcha aus deiner Sicht.“, grinste der Vater und gab seinem erwachsenen Sohn eines der beiden Gläser in die Hand.

Beide nahmen einen großen Schluck und der junge Mann fragte unsicher: „Schmeckt dir das? Hast du gut hinbekommen. Also mir schmeckt es richtig gut.“

Doch der ältere Herr stellte das Glas auf den Tisch und sagte mit finsterer Mine: „Das ist kein Matcha.“

Verärgert und unverstanden sah sein Sohn zu ihm hinüber, da begann der Senior laut zu lachen.

„Aber es schmeckt gut. Wie immer man das nennen will. Das „Gesöff“ schmeckt gut.“ Er nahm den Flakon „Thé Matcha“, öffnete ihn und roch noch einmal daran: „Ja, das kommt hin. Riecht gut! Wollen wir ihn nicht auch einfach „Gesöff“ nennen?“

Beide brachen in Gelächter aus, nahmen sich in den Arm und leise flüsterte der Vater: „Danke, Großer, dass du mir meine Engstirnigkeit verzeihst.“

6 Antworten
Rebirth2014 vor 1 Jahr 15 4
9
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
7
Duft
Let's talk about ...
Bei Gualtieri gibt es keine Andeutungen. Seit seinem Film „Searching for Blamage“ nutzt er die multimediale Kunstform, um seine Düfte vorzustellen und entsprechend zu bewerben. Kompromisslos werden Bilder erzeugt, die in Verbindung zu seinen Düften stehen (sollen). Ob nun der Bazar oder das schmelzende Harz (Blamage), der dröhnende Metallkoloss im Meer (Magamare), der verpuffende Kopf im Labor (Fantomas) oder der umgeschnallte Gummidildo (Sadonaso) - alles spricht ein Gefühl in uns an. Suggestion.

Auch seine Düfte explodieren, sind kleine Monster in Sillage und Haltbarkeit. Megamare ist sogar der Megalodon unter seinen Kreationen. Kein Waschmittel und keine Waschmaschine der Welt ist in der Lage den Kampf gegen Gualtieris Urhai zu gewinnen. Man könnte sogar von Dufttätowierung sprechen.

Doch ist das Kunst? Ist allein die Expression, der laute Widerhall, das Spiel mit den Erwartungen und die Provokation ausreichend? Muss das Handwerk stimmen? Darf es massentauglich sein?

Sadonaso ordnet sich in das Konzept von Alessandro Gualtieri ein. Sein Werbefilm führt uns in die Klischees des sexuellen Untergrundes – vielleicht sogar an die Grenze zur Perversion. Die Aura verflüssigt sich, sammelt sich an den Wänden und versickert darin, um im Anschluss vom großen Meister selbst angezapft zu werden.

Damit wird eine verstörende bis erregende Wirkung erzielt; ganz abhängig davon, wie man selbst veranlagt ist.

Kann der Duft diese Erwartungen erfüllen? Er ist süß (Honig, Karamell), animalisch (Wachs, Costus), synthetisch (Glycerin-Rauch, Vinyl) und pudrig (Sandelholz, Vanille). Ist das purer Sex oder sogar Sadomasso?

Diese Fragen kann nur jede Person für sich selbst beantworten. Da spielt das bewusst erzeugte Kopfkino (Werbefilm und Titel), die eigene Phantasie und die individuelle sexuelle Erfahrung/Vorliebe eine große Rolle.

Persönlich denke ich, dass Gualtieri sich dieses Mal selbst zu weit aufs Eis hinaus wagte und schlichtweg eingebrochen ist. Neben seiner üblichen Gestaltung – die vordergründige Synthetik, starke Sillage und Haltbarkeit – ist ihm im kreativen Prozess offenbar die Luft ausgegangen. Vom Grundgerüst ist Sadonaso (bis auf die dominante Süße) dem „Pour Le Soir“ von MFK sehr ähnlich. Vielleicht ist das die Vorstellung, die Gualtieri tatsächlich zum Thema Sadomasso hatte; vielleicht aber auch nur des „Kaisers neue Kleider“.

Auch ich bin (wie viele Kommentare/Statements zu seinem neuen Duft hier spiegeln) von seinem künstlerischen Ausdruck enttäuscht. Da ich sowohl auf eine Interpretation der Duftwirkung, als auch auf die Interpretation der möglichen künstlerischen Anspielungen verzichte, werde ich ihm ebenfalls nicht unterstellen, dass er eine neue Zielgruppe sucht und Richtung Mainstream abgebogen ist. Sadonaso ist ein „Ausreißer“, der sich von den anderen Nasomattos distanziert, da er mehr auf Gefälligkeit als Ausdruck ausgelegt ist.

4 Antworten
Rebirth2014 vor 3 Jahren 10 5
2
Flakon
1
Sillage
5
Haltbarkeit
1
Duft
Der Flohzirkus von New York

„Meine Damen und Herren, schauen Sie, wie unser Flohmeister - Le Labo - an seiner Duftorgel ganz natürliche Duftstoffe mischt! Wie? Sehen Sie nicht? Nun, das muss an Ihren Augen liegen. Ich bitte Sie, wir haben es bis nach New York geschafft! Wie wären wir wohl zu diesem Ruhm gelangt, wenn meine Flöhe nicht das täten, was ich Ihnen hier gerade beschreibe!“

Natürliche Inhaltsstoffe sind im Trend. In kleine Apothekerflaschen, aus Braunglas, (Achtung, jetzt wird es sperrig!) werden - natürlich - natürliche - Parfums ganz - natürlich - eingefüllt; -natürlich - besonders dann, wenn sie aus dem einzigartigen Grasse kommen. - Natürlich! -

Das dachte man sich wohl auch im Flohzirkus - Le Labo - und nutzte von da an besonders hässliche Flakons um das (schon klar was jetzt kommt?) - natürliche - Image der hauseigenen Floh-Lockstoffe auch optisch einfangen zu können.

Nun, auch ich besuchte jüngst diesen Flohzirkus. Dort wurde mir ein einzigartiges Bade- und Massageöl mit einem Duft, der an frisch auf die Erde gefallenen Regen erinnern sollte, präsentiert: Baie 19.

„Nicht schlecht!“, dachte ich: „Da steckt Kreativität dahinter!“ Doch dann begann mir der Floh-Dompteur etwas über die sagenhafte - Natürlichkeit - seiner Produkte zu erzählen. Ein Blick auf die Inhaltsstoffe (schön aufgelistet auf dem Etikett) bestätigte in großen Teilen seine Aussage. Aber warum befand sich dieses Öl ausgerechnet in einer Plastikflasche?

Mit diesem Sachverhalt konfrontiert, lachte der Mann verlegen und erwiderte sofort: „Ach, verzeihen Sie, da hat unser Floh Baie, in der 19. Generation, leider einen winzig kleinen Fehler gemacht!“

Sofort schob er mich zur Seite und gab mir eine Alutube mit einem Aftershave-Balm in die Hand. Er flüsterte verschwörerisch: „Sehen Sie hier, aus der Floh-Grooming-Abteilung. Nachhaltig, aus Aluminium produziert. Ein Balsam mit toller Pflegewirkung. Nur - natürliche - Zutaten. Keine Parabene und so ...“

Mein Blick fiel gleich auf die Angabe der Inhaltsstoffe. Wer hätte es gedacht? Bereits die zweite Zutat, nach Wasser, war das sehr - naturfremde - Silikonöl.

„Da müssen Ihre Flöhe noch einmal an die Rezeptur! Von Natur? Keine Spur!“, bemerkte ich zynisch.

Wieder die nervösen Zuckungen um seinen Mundwinkel und das peinlich gackernde Lachen: „Aber, aber, mein Herr! Wer wird denn gleich so kritisch sein? Die Absicht zählt. Unsere jüngsten Flöhe sind dafür verantwortlich. Die bekommen heute zur Strafe kein Blut von mir, dann machen die morgen schon wieder ihren Job so richtig gut.“

Schweigen. (Er errötete sogar)

„M...? (Räuspern) Mö.. mö.. mögen Sie schwarzen Tee?“, fragte der Dompteur und Schweißperlen tropften nun aus seinem Zylinder.

„Sehr gerne.“, antwortete ich so freundlich, wie es mir noch möglich war.

Gut, das war gelogen, denn eigentlich mache ich mir nichts aus Tee. Doch für den angespannten Zirkusdirektor waren meine Worte eine sichtbare Erlösung. Er stampfte in die Manege, führte sonderbare Handbewegungen (mit einem der Flöhe?) aus und kam mit zwei Flakons zurück.

„Das ist nun etwas ganz Besonderes! Unser äußerst begabter Floh - Thé noir, bereits in 29. Generation - bat mich Ihnen dieses exklusive Parfum zu präsentieren.“, sagte der nun wieder - unnatürlich - fröhlich gestimmte Flohfürst.

Er sprühte mir etwas auf das Handgelenk. Zwar war diese Komposition nicht mehr ganz so einzigartig und kreativ, wie das Gebräu vom kleinen Baie aus der 19. Generation, jedoch immer noch ein solides Parfum, das tatsächlich schön das Schwarztee-Aroma mit Feigen und trockenem Holz vereinen konnte.

„Ahhh, es gefällt Ihnen. Dachte ich es mir doch.“, atmete New Yorks berühmtester Flohmanager auf: „Ich sehe es Ihrem Gesicht an!“

Die Grimasse des Herrn, die vermeintlichen Floh-Parfumeure und die ganze erdrückende Stimmung im Zirkuszelt schienen mich zu verwirren. War dies nun großes Kino, was ich roch, oder doch nur ein beliebiger Duft?

„Nun, das ist nicht schlecht. Aber ...“, versuchte ich behutsam zu analysieren, doch schon fiel mir der Herr Direktor ins Wort: „Mein Herr, bitte, kein Problem. Ich kenne Sie jetzt!“

Der zweite Flakon, mit einer Pipette, wanderte schnell in meine Hand. „Sie wollen unser - natürliches -Image in Frage stellen? Ganz klar. Das ist Ihr gutes Recht. Doch mit diesem einzigartigen Parfumöl entlasse ich Sie nun aus unserem famosen kleinen Flohzirkus. Gehen Sie und genießen Sie zu Hause diesen Nektar von Mutter Natur, der mit feinstem Distelöl erschaffen wurde. Spenden Sie zum Abschied unserem kleinen Star, Thé noir 29, noch einen Applaus (und 130 Euro). Dann, husch, husch, RAUS!“

Bevor ich wusste, wie mir geschah, stand ich im heimischen Badezimmer und schraubte den Verschluss des Medizin-Fläschchen auf. Schon beim Öffnen tropfte das Öl ungewollt aus der Pipette und hinterließ hässliche Flecken auf meinem Hemd. Doch es roch kaum. Was war das? Ganz leicht vernahm ich das Aroma von - Thé noir -, jedoch ohne jene Magie der Flöhe. Der Eigengeruch des Distelöls überlagerte sogar fast die Aura des Parfums.

Nun träufelte ich mir 7 Tropfen auf das Handgelenk, bis ich merkte, dass dieses Öl nur auf der Haut stehen blieb. Gewissenhaft versuchte ich es einzumassieren, was mir jedoch nicht gelingen wollte. Letztendlich nahm der Stoff meines Hemdes die schmierige Substanz auf.

Immer noch nahm ich olfaktorisch kaum etwas wahr. Mit der Zeit entwickelte sich zwar eine leichte Ahnung des Duftes, die jedoch sehr hautnah und dezent blieb.

Ich machte es mir auf dem Sofa bequem und versuchte meine Eindrücke und die aufkeimende Frustration zu verarbeiten, als es an der Stelle, auf dem ich das Öl aufgetragen hatte, zu stechen begann. Ständig erfolgten kleine Nadelstiche, doch ich war dermaßen müde, dass ich umgehend einschlief.

Erst am nächsten Morgen wurde ich wach. Hypnotisch führte ich meinen Arm zur Nase und wunderte mich, dass der Duft immer noch wahrnehmbar war. Haltbarkeit besaß er; nur keine Sillage.

Als ich jedoch auf den Arm blickte, sah ich unzählige kleine Flohstiche, die Buchstaben formten. Im ganzen Zusammenhang stand dort in roten Pusteln: „Ein Hauch von Nichts. - Natürlich! - von Le Labo."











5 Antworten
Rebirth2014 vor 3 Jahren 10 2
10
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
7
Duft
Der Untergang des Hauses Dunhill
Einst stand die Marke „Dunhill“ einzig für hochwertige Tabakwaren. Die Tabakpfeifen aus dem Hause „Dunhill“ bilden noch heute in ihrer handwerklichen Kunst den Nimbus der britischen Rauchkultur. Wohlgemerkt eröffnete Alfred Dunhill 1907 sein erfolgreiches Tabakgeschäft, in einer Zeit, in der über die gesundheitliche Risiken des Rauchens nicht gesprochen wurde.

Zunehmend änderte sich seit Firmengründung das gesellschaftliche Gesundheitsbewusstsein und bereits 1968 verkaufte die Firma „Dunhill“ ihre Tabaklizenzen an „British American Tobacco“. Nur die hochwertigen Tabakpfeifen und entsprechendes Zubehör werden weiterhin original von „Dunhill“ gefertigt und angeboten.

In der folgenden Entwicklung kaufte man sich bei Lifestyle-Produkten (z.B. Montblanc) ein und versuchte auch im Modesektor Fuß zu fassen. Das über das Rauchen aufgebaute Image des „Gentleman“ blieb dabei stets stilbildend erhalten.

Um ehrlich zu sein, wird „Dunhill“ überwiegend bei ehemaligen oder immer noch praktizierenden männlichen Rauchern der Inbegriff für hohe Qualität sein. Doch gerade diese Zielgruppe verprellte man sich in den letzten Jahren, indem „Dunhill“ (nun unter der Leitung des Schweizer Luxuskonzern Richemont) 2008 beschloss, sich komplett aus der Herstellung und dem Vertrieb von Tabakwaren zurückzuziehen.

Doch wohin soll die Reise gehen? Beobachtet man die Marke - die sich trotz der Orientierung am Zeitgeist immer noch einzig auf die Zielgruppe Mann ausrichtet - dann fällt auf, dass gerade das Sortiment im Sektor „Herren-Parfums“ stetig zunimmt.

Obgleich auf einen breit gefächerten Absatzmarkt ausgerichtet (Mainstream), gelingt es der Marke nicht wirklich in Deutschland flächendeckend ihre Duftwässerchen anzubieten. Nischenparfümerien ist das Marketing und die Preisgestaltung offenbar zu sehr im Mainstream-Sektor verankert (z.B. die „Icon“ Serie), um im Sortiment aufgenommen zu werden. Viele Parfümerieketten und Drogeriemärkte scheinen hingegen bisher in ihrer Zielgruppe keine potenziellen Käufer/innen für die „Dunhill“ Produkte zu sehen, um diese in ihre Regale dauerhaft einzuordnen. So wird es in Deutschland mitunter schwierig, vor Ort die Düfte testen zu können, da diese oft nur in Onlineshops angeboten werden.

Mit der „Signature Collection“ weitet sich „Dunhill“ - nicht zuletzt wegen der Preisgestaltung - seit 2019 auf dem Nischenmarkt aus. Durch die geringe Verfügbarkeit gibt es entsprechend auf „Parfumo“ bisher nur sehr wenige Wertungen (Stand März 2021 gerade fünf Bewertungen zu „Arabian Desert“). Diese vermitteln das Bild, dass es sich um ein herausragendes EDP handeln muss (ganze 8.3 Wertungspunkte).

Leider kann ich diesem Eindruck nicht zustimmen. Der Flakon ist tatsächlich herausragend und außergewöhnlich massiv gestaltet. Fast einem Pokal gleich, halte ich den wuchtigen Flakon (mit gerade 100 ml Inhalt) in meinen Händen. Die enthaltene Flüssigkeit gleicht optisch jedoch einer verwässerten Cola; ein schlechtes Omen.

Der Duft startet frisch holzig. In der weiteren Duftentwicklung arbeitet sich dann tatsächlich etwas Adlerholz heraus, das jedoch nur sehr sanft durchschimmert. Auf keinen Fall ist dies maskulin, sondern ganz klar - nicht zuletzt wegen der angedeuteten Rose in der Herznote - absolut unisex. In den Grundakkord ordnen sich nach meinem Empfinden Moschus und Kardamom mit ein. Bis auf die anfängliche Frische bleibt der Duftverlauf sehr linear.

Hier wird nichts Neues gewagt, sondern auf alt bewährte Duftmuster gesetzt. Aigner N°1 Oud oder auch Armani Eau de Nuit Oud könnten als Vorlage gedient haben. Das ist nicht schlecht umgesetzt und wird Oud-Einsteiger/innen, wie auch all jenen gefallen, die Oud als zarte Andeutung in einem holzig/blumigen Parfum mögen.

Entsprechend der sanften Duftgestaltug hält sich auch die Sillage bei einer guten Haltbarkeit zurück. Da gibt es jedoch gerade in der Nische einige Marken, die im ähnlichen Preissegment qualitativ deutlich bessere sanfte Oud-Düfte zu bieten haben (z.B. MK „Oud Satin Mood“).

„Arabian Desert“ wirkt optisch edel, aber ohne jeglichen Wiedererkennungswert in der gewählten Duftstruktur. Diese Orientierungslosigkeit findet sich bereits in den Marken „Bentley“ und „Aigner“ wieder. Sich allein auf einen traditionellen Namen verlassen zu wollen, führt eben nicht automatisch in die Oberliga der Duftwelt. Damit wird „Dunhill“ sich kein neues Segment erobern können und muss sogar - nach meiner persönlichen Einschätzung - bangen, in absehbarer Zeit in Onlineshops verramscht zu werden.

Fast bin ich geneigt, um der momentan völlig überzogenen hohen Wertung auf Parfumo entgegenzuwirken, nur eine 5.0 auszusprechen. Doch auch diese Wertung wäre nicht gerecht. Es handelt sich tatsächlich um einen grundsoliden Duft, der nach meiner Einschätzung (unter Berücksichtigung des viel zu hohen Preises von fast 140,- Euro im „Dunhill-Shop“ und der uninspirierten Duftgestaltung) eine realistische Wertung zwischen 6.5 und 7 verdient.

Abschließend möchte ich zu meinem gewählten Titel mit einem Augenzwinkern Edgar Allan Poe zitieren und damit meine persönliche Enttäuschung über die Firmenpolitik der Marke Dunhill zum Ausdruck bringen: "... mein Geist wankte, als ich jetzt die gewaltigen Mauern auseinanderbersten sah; es folgte ein langes tosendes Krachen wie das Getöse von tausend Wasserfällen, und der tiefe und schwarze Teich zu meinen Füßen schloss sich finster und schweigend über den Trümmern des Hauses ..." - Dunhill.

p.s.: Vielleicht irre ich mich auch und Dunhill mutiert mit seinen zukünftigen Düften am Ende doch noch zum Phönix aus der (Tabak-)Asche.
;-)

………………

05.03.2023 - eine interessante Ergänzung/Gegendarstellung die ich von „Weinbergmaus“ als mail erhielt und gerne hier einfüge:

„So schreibst Du – ich zitiere:
In der folgenden Entwicklung kaufte man sich bei Lifestyle-Produkten (z.B. Montblanc) ein und versuchte auch im Modesektor Fuß zu fassen. Das über das Rauchen aufgebaute Image des „Gentleman“ blieb dabei stets stilbildend erhalten.

Nun Dunhill hat sich NIE bei Montblanc eingekauft! Die Hamburger Füllfederhalterfirma Montblanc wurde genauso wie Dunhill, vom vormals in Südafrika gegründeten und jetzt in der Schweiz beheimateten Luxuskonzern RICHEMONT, gekauft.

Sowohl bei Dunhill wie auch bei Montblanc, wurden von Richemont Lizenzen zur Duftherstellung (Parfüms) vergeben.

Hier handelt es sich um einen der großen Vermarkter für eine Reihe von Düften für bekannte Marken. Der Name ist INTER PARFUMS
Der franz. Ableger – bezeichnet als Interparfums France hat 11 bekannte Parfüm-Marken in seinem Portefeuille – Montblanc ja, aber nicht Dunhill! >>> www.interparfums.fr/en/index-2/

Dagegen hat der US-Ableger INTER PARFUMS Inc. 15 bekannte Parfüm-Marken.
Dieser mit Dunhill, aber nicht Montblanc. >>> www.interparfumsinc.com/

Obwohl Interparfums bekannte Marken hat, es ihnen im Prinzip nie gelungen richtige „Knaller“ zu konzipieren und diese auf den Markt zu bringen.“

2 Antworten
Rebirth2014 vor 4 Jahren 52 22
10
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Grauenhaft genial!
Ja, ich habe Fantomas die volle Punktzahl gegeben, obwohl ich ihn nie tragen werde. Er riecht für mich aggressiv, unharmonisch und in Teilen sogar ekelhaft. Aber er ist gleichsam ein kompromissloses Meisterwerk im Bereich Pop Art und könnte durchaus im Filmmuseum Frankfurt ausgestellt werden (als olfaktorischer „Soundtrack“ 4-D).

Als Kind der 70er Jahre nahm ich den Filmcharakter Fantomas als Schreckgespenst und Oberschurken wahr. Nach jeder TV-Ausstrahlung wurden wilde Spekulationen über den blauen Teufel zum Dauerthema unter uns Grundschülern:

„Hast Du gestern Fantomas gesehen?“

„Nö, haben meine Eltern verboten! Zu brutal! Aber ich bin noch einmal heimlich aufs Klo gegangen und habe ganz kurz auf den Fernseher geschaut. Da war Fantomas! Furchtbar blau und er hat total böse gelacht!“

„Echt jetzt? Boah, soooo gruselig! Schnell, erzähl weiter ...“

Mehr gab es allerdings nicht zu erzählen und der Mythos des schrecklichen Bösewichts mutierte weiter in unserer Phantasie. Wie konnten wir damals ahnen, dass es sich um eine harmlose Komödie mit dem herausragenden Louis de Funes handelte? Es war eine Zeit, in der schon allein die Verbrechensthematik eine FSK 16 rechtfertigte.

Mit unseren Actionfiguren - rund um die Abenteuerwelt von „Big Jim“ - spielten wir unsere kindlichen Vorstellungen über Fantomas nach. Um Gerüche/Düfte machte ich mir damals noch keine Gedanken, obgleich ich all die olfaktorischen Eindrücke dieser Zeit in meinem Gedächtnis abspeichern konnte.

Nun haben wir das Jahr 2020 und einer der provokantesten Parfümeure der Gegenwart nimmt sich der Thematik Fantomas erneut an.

Mit einem heftigen Melonengeruch, vielleicht etwas von Blaubeere untermalt, startet Fantomas. Ganz klar Calone, ein Duftstoff, der seinen Höhepunkt in den 80ern erreichte (New West ). Doch entdeckt wurde er bereits 1966, also genau im Zeitfenster der Fantomas-Filmreihe. Ob das bei Gualtieri reiner Zufall ist? Wollte er einfach Wassermelone - ohne weiteren Bezug - als Kopfnote einfügen? Damit die Komödie eröffnen? Oder wollte er hier auch einen Zeitrahmen setzen? - „Hey, habt ihr bemerkt, dass beides Mitte der 60er seinen Ursprung nahm und bis heute nachwirkt?“

Während man die Kopfnote noch als lustige Provokation abtun könnte, zündet bereits Stufe 2. Unter Glycerindampf (den sich heute mancher in die Lunge zieht, der jedoch in den späten 60ern als „Disconebel“ seinen Einsatz fand) zeichnet sich langsam eine Vinyl-PVC-Latex-Struktur ab. So rochen die Wohnungen und Kinderzimmer - besonders das Spielzeug (Puppen und Big Jim) - in den 70er Jahren. Das kann nun kein Zufall mehr sein!

Alles wirkt total „overtuned“, absolut schrill, und formt sich so schnell, wie Fantomas dem tollpatschigen de Funes im Film oft erscheint.

Über Stunden hinweg bleibt dieses gewollt synthetische Duftbild erhalten und Roy Lichtenstein zeichnet ein lautes „Peng!“ in einer Sprechblase dazu.

Bis hierhin wirkt das Konzept schon ziemlich genial: Fantomas teleportiert sich olfaktorisch ins Hier und Jetzt, doch die gewählten Duftstoffe teleportieren mich direkt in die späten 60er bzw. frühen 70er Jahre.

Langsam zieht sich in der folgenden Duftentwicklung die Kopfnote zurück (auf dem zur Probe mitgelieferten Tuch dauert das allerdings 2 ganze Tage). Die Blaubeermelone schwingt nur noch leise im Hintergrund, der Weichmacher aus Fantomas Plastikmaske verdunstet und ein beißender Rauch führt nun in die Tiefe/Basis des Duftes. Darunter versteckt sich der typische Gualtieri-Akkord, der schwitzig mit dem bekannten Fäkal-Oud sowohl die menschliche Ebene des Phantoms vermittelt, als auch die Signatur des Meisters offenbart.

Ganz ehrlich: Dieses Duftmonster möchte ich nicht auf der Haut tragen, so sehr es mich auch fasziniert. Das Thema ist jedoch dermaßen authentisch umgesetzt, mit einer Power, Kreativität, Tiefgang und Interpretationsspielraum - kurz gesagt: Alessandro Gualtieri hat damit den Zenit seiner künstlerischen Ausdruckskraft erreicht.

Gefällige, wohlriechende und schmeichelnde Duftwässerchen gibt es wie Sand am Meer. Auf die Ebene der Kunst - was Parfum durchaus sein kann und auch soll - hebt Gualtieri seinen Fantomas mit all seinem Können. Davor habe ich Respekt und belohne dies mit der bestmöglichen Wertung.

22 Antworten
1 - 5 von 25