RichardFish
RichardFishs Blog
vor 10 Jahren - 08.11.2013
28 9

Wie ich durch Parfum meinen Job verlor

Hallo liebe Junkies,

es ist wohl nichts Neues, wenn ich sage, dass Parfum so sehr zu uns gehört wie für andere die tägliche Nahrungsaufnahme. Wir können einfach nicht ohne. Wenn ich kein Parfum benutze, fühle ich mich nackt, nicht mehr gut gekleidet, einfach unwohl. Das geht euch bestimmt auch so.

Nun ereignete es sich, dass mein früherer Arbeitgeber in der Tat verlangte, ich solle komplett auf Parfum verzichten. Wie es dazu kam, möchte ich euch gern erzählen.

„Hauptberuflich“ sozusagen studiere ich Jura. Im Januar 2011 suchte ich mir einen Nebenjob, um die Haushaltskasse etwas aufzubessern. Damals war ich noch nicht parfumsüchtig :D
Ich fing bei einer Verlagsgesellschaft in Frankfurt als Telefonist an und „erhob Daten für die Automobilindustrie“ (das war jedenfalls die offizielle Bezeichnung ^^). Nach etwa drei Monaten schon wurde ich befördert und durfte mich zum Team der Qualitätssicherung zählen, d.h. ich hörte die Gespräche unserer Telefonisten nur noch ab und kontrollierte deren aufgenommene Daten. Mein Team bestand aus insgesamt vier Leuten, wir kamen alle super miteinander zurecht. Im Sommer des Jahres 2011 kam ich dann irgendwie auf den Trip, Parfum zu meinem Hobby zu machen. Das blieb auch bei der Arbeit nicht unbemerkt. Bis dato duftete ich immer nach irgendeinem Wässerchen und in war dafür in der Firma bekannt. Das erste Mal fiel ich damit jedoch so richtig auf, als ich es mit der Dosierung von Tobacco Vanille etwas zu gut meinte. Nun, was soll ich sagen? Ich bade gern in diesem Duft. Also werden es an diesen Tag so etwa zehn Sprühstöße gewesen sein. Haha, ich weiß – total unmöglich von mir :D
Meine Kollegen waren etwas irritiert. Zum einen konnten sie den Duft überhaupt nicht einordnen und zum anderen bereitete ihnen die Dosis leichtes Kopfzerbrechen.Dieser Tag muss im Oktober 2011 gewesen sein. Danach war erstmal Ruhe.
Anfang 2012 zogen wir dann mit der Qualitätssicherung in ein kleineres Büro. Dennoch war es ein Großraumbüro mit etwa zehn Leuten. Das Problem bei der Sache: mein Parfum würde noch mehr auffallen, da der Raum kleiner war als der vorherige. An einem kalten Wintertag im Januar war es dann auch wieder so weit. Mein Kollege kam gegen 8 Uhr ins Büro. Ich war bereits seit einer halben Stunde da und erfreute mich an Aomassai der Parfumerie Genrale. Er kam also ins Büro, verharrte stehend an seinem Arbeitsplatz (welcher meinem direkt gegenüberlag, nur getrennt von einer halbhohen Wand), rümpfte die Nase und meinte dann wörtlich zu mir „Richard, du stinkst!“. Ich sah das mit Humor. Was sollte ich machen? Es abwaschen? Ganz bestimmt nicht. Und was wollte er machen? Wir hatten beide keine andere Wahl, als seine Aussage so stehen zu lassen und damit zu leben. Dummerweise hörte unsere Projektleiterin (=Vorgesetzte), die am anderen Ende des Büros saß, seine Äußerung. Am Tag darauf bat sie uns beide zum Gespräch. Da saßen wir nun zu dritt im Konferenzraum und wussten nicht so recht, was wir dort sollten. Die Projektleiterin begann damit, das Verhalten meines Kollegen Jonas zu monieren. Sie ermahnte ihn, einen höflichen Umgangston zu wahren und kritisierte, dass seine Aussage mir gegenüber persönlich angreifend formuliert war. Ich lenkte daraufhin ein und meinte, dass mich das gar nicht sonderlich gestört habe. Ich kann mit solchen Dingen gut umgehen, da ich auch ständig austeile. In dem Moment begann Jonas, sein Verhalten zu rechtfertigen. Er sah ein, dass die Art und Weise, wie er es rüber brachte, falsch war, jedoch gerechtfertigt gewesen sei. Von süßen Parfums bekomme er Kopfschmerzen und ich benutze angeblich definitiv zu viel davon. Unsere Projektleiterin gab dem Einwand statt und wir einigten uns darauf, dass ich meinen Parfumgebrauch bewusst im Auge behalten werde. Das war im Januar 2012.

Das ging dann den ganzen Sommer lang gut. Ab und zu kam mal eine Äußerung von meinem Kollegen, dass es heute wieder ein bisschen zu süß und ein bisschen zu viel sei. Aber nichts Dramatisches.

Im Oktober 2012 kam ich dann mit Kilians Love zur Arbeit. Und hier schieden sich die Geister. Mit Unterstützung einer weiteren Kollegin beschwerte sich Jonas an offizieller Stelle, nämlich bei der Projektleiterin, mit der wir schon mal dieses Gespräch hatten.
Die Folge seiner Beschwerde war, dass die Projektleiterin mit mir im Schlepptau einmal quer durch die ganze Firma zur Personalchefin rannte. Die hielt mir dann gewissermaßen eine Standpauke über Parfums und deren Gebrauch, gegenseitige Rücksichtnahme etc. Sie wies darauf hin, dass sie gute Parfums auch sehr zu schätzen wisse und es toll findet, dass ich mich dafür interessiere. Aber ich müsse auch auf meine Kollegen achten und dürfe mit meinem Parfum niemanden belästigen.
Ich zeigte mich natürlich einsichtig, aber wirklich verstehen konnte ich es nicht. An drei bis fünf Sprühern kann doch nichts verkehrt sein, dachte ich mir.

Das war nun also schon das zweite Gespräch zu diesem Thema – und es sollte nicht das letzte bleiben! Seit diesem Gespräch waren irgendwie alle so sehr sensibilisiert,dass es schon zu viel war, wenn ich überhaupt irgendwie roch. Aber was soll man denn machen? Wenn man Parfum benutzt, dann bemerkt man das nun mal. Logischerweise nimmt dies auch mein Umfeld wahr. Aber doch nur für einen gewissen Zeitraum.

Dann im November 2012: ich kam gerade aus der Uni und hatte am Morgen Un Bois Vanille von Serge Lutens aufgelegt. Ich muss dazu sagen, dass ich nie mit Parfum nachlege. Ich trage es morgens auf und dann genügt mir das.
Und meinen Kollegen genügte es auch zum wiederholten Male: sie beschwerten sich bei meiner Teamleiterin, mittlerweile waren sie zu dritt. Inzwischen hatte ich also schon mein ganzes Team gegen mich. Die Teamleiterin teilte mir dann in einem Gespräch unter vier Augen mit, dass ich wie eine Zuckerbäckerei riechen würde und sie schickte mich in der Tat nach Hause! Ich war gerade mal eine Stunde da und hatte eigentlich noch fünf Stunden Arbeit zu verrichten. Doch ich wurde nach Hause geschickt. Das empfand ich dann doch schon sehr lächerlich.
Am Tag darauf gab es dann noch ein Gespräch, nämlich mit dem Abteilungsleiter. Das war der Boss unserer Vorgesetzten, d.h. mittlerweile wurde es richtig ernst. Und er war auch ziemlich sauer. Er meinte, ich allein sei Schuld am Streit innerhalb des Teams und meinetwegen sei ein vernünftiges Arbeiten nicht mehr möglich. Er verlangte, ich solle ab sofort gar kein Parfum mehr benutzen. Nicht einen Tropfen. Wenn ich mich dem widersetze, habe ich mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu rechnen. Ich hab ihm natürlich klar gemacht, dass seine Forderung rechtlich gar nicht vertretbar ist. Es sei maximal legitim, wenn ein generelles Parfumverbot bestünde. Das war ihm aber egal. Alle anderen dürfen weiterhin Parfum benutzen, ich müsse als Einziger darauf verzichten. Sonst riskiere ich meinen Job.

Ich ließ mich zunächst darauf ein. Ich hatte keine Wahl und hatte durch das Gespräch auch irgendwie Angst bekommen. Aber ich sage euch, es war einfach die Hölle! Während ich an jedem zweiten Kollegen irgendeinen Duft wahrnahm, durfte ich nichts tragen. Es war so gemein.
Irgendwann hielt ich dem Verbot dann nicht mehr Stand. Ende November 2012 benutze ich morgens Straight to Heaven von by Kilian. Drei Sprüher. Vor der Arbeit war ich jedoch vier Stunden in der Uni, wo übrigens niemand etwas zum Duft sagte. Bei der Arbeit dann angekommen, betrat ich das Büro und musste feststellen, dass es bereits nach Zeder roch. Das hab ich auch laut geäußert und kassierte damit nur böse Blicke. Als meine Projektleiterin dann ins Büro kam, meinte sie an alle gewandt, dass es nicht angehen kann, beim Betreten des Büros erstmal unterm Tisch nachschauen zu müssen, ob da ein totes Tier liegt. Und wem gab man die Schuld daran? Mir natürlich wieder. Mittlerweile empfand ich das Ganze als reine Schikane. Ich hab versucht zu erklären, dass es vorher schon nach Zeder roch. Aber das war natürlich völlig egal. Ich war der Schuldige und durfte wieder nach Hause gehen. Zum zweiten Mal. Aber nicht nur das. Während ich arbeitete, waren meine Vorgesetzten im Hintergrund aktiv und eh ich mich versah, hatte ich die schriftliche Abmahnung vorliegen. Darin standen dann Dinge wie „Wegen übermäßigen Parfumgebrauchs“, „Wird hiermit aufgefordert, das Benutzen von Parfum ab sofort einzustellen“ und natürlich „Riskiert sonst die Kündigung“. Den Wisch sollte ich dann auch noch unterschreiben. Ich hab mich geweigert. Denn es war einfach derart lächerlich geworden und der dargestellte Sachverhalt entsprach einfach nicht mehr den Tatsachen.

Daraufhin fasste ich einen Entschluss. Ich bot meinem Chef an, die Abteilung zu wechseln. Raus aus der Qualitätssicherung und zurück in die Telefonie. Das heißt, ich habe mich freiwillig für den schlechteren Job entschieden. Damit war man aber einverstanden. Also telefonierte ich wieder und dort hat sich niemand beschwert, obwohl das Büro ein wenig kleiner war. Das zeigte mir eindeutig, dass meine Kollegen inzwischen eine persönliche Abneigung mir gegenüber entwickelt hatten. Ich fürchte sogar, dass mein Kollege Jonas homophob war. Denn sobald das Gespräch auf dieses Thema kam, verheilt er sich merkwürdig zurückhalten, ergriff manchmal sogar die Flucht.

Nach einer Woche in der Telefonie bat man mich dann erneut zum einen Gespräch. Und jetzt bitte festhalten: diesmal hatten sich meine Projektleiterin, der Abteilungsleiter und unsere Personalchefin die Zeit genommen und gaben sich die Ehre, mit mir gemeinsam im Konferenzraum zu diskutieren, wie es jetzt weitergehen sollte. Aber es sollte gar nicht weitergehen. Man eröffnete mir, dass man an einer Fortführung des Arbeitsverhältnisses nicht interessiert sei. Ich solle bitte meine Sachen packen und gehen.
Ich war so geschockt. Das hatte ich einfach nicht für möglich gehalten. Ich war sogar ein wenig den Tränen nahe, weil ich grundsätzlich gern dort gearbeitet hatte, ich meine (sonstigen) Kollegen sehr mochte und meine Arbeit darüber hinaus immer ausgesprochen gut war. Nicht ohne Grund hatte man mich damals schon nach drei Monaten befördert.
Wie dem auch sei: das Trio Infernale, dem ich mich gegenüber sah, wusste ganz genau, dass es mir nicht kündigen kann. Sie hatten einfach keinen rechtswirksamen Grund, der auch nur annähernd eine Kündigung gerechtfertigt hätte. Kündigung wegen Parfum hatte es einfach noch nicht gegeben und das wird es auch nicht geben. Es ist nämlich Humbug! Also baten sie mir eine Abfindung in Höhe von 1000 € an. Zudem würde man mich von Anfang bis Ende Dezember bei voller Gehaltszahlung beurlauben.
Glücklicherweise hatte ich noch ein Ass im Ärmel. Dies jedoch zu erklären, würde zu lange dauern. Im Ergebnis kam für mich dabei raus, dass ich die Abfindungssumme auf 1650 € hochhandeln konnte. Danach unterschrieb ich den Aufhebungsvertrag, der mein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit einer Frist von einem Monat beendete.

Ich nahm meinen Hut und verließ dennoch stolz und erhobenen Hauptes (und nicht zu vergessen mit 2200 € in der Tasche) die Firma, die mich als Mitarbeiter doch einst so schätzte und mich dann wegen meines Parfum zu feuern versuchte.

Doch für mich war wichtig, dass ich zu meinen Parfums stehe. Sie sind einfach so sehr Teil von mir wie mein rechter Arm: ich kann und will nicht darauf verzichten.
Hätte ich mehr einlenken müssen? Ich finde nicht! Denn das tat ich. Ich reduzierte meinen Parfumgebrauch auf ein sozial verträgliches Minimum. Ich bot freiwillig an, die Abteilung zu wechseln. Ich habe viel getan, was zur Konfliktlösung beitragen sollte. Ich muss mich nicht schämen und schon gar nicht rechtfertigen.

Und das Beste: ich habe jetzt einen Nebenjob, mit dem ich nicht nur mehr verdiene. Parfum darf ich so viel tragen wie ich will. Beschwert hat sich noch niemand. Das ist für mich letztlich die Bestätigung, dass es nicht an mir lag.

Jeder, dem ich diese Geschichte erzähle, hält sie für derart absurd und will sie mir zunächst nicht glauben. Doch meine Beweise sind die schriftliche Abmahnung und der Aufhebungsvertrag. Ich hoffe, dass mir so etwas nie wieder in meinem ganzen Leben passiert.




28 Antworten