Die Auktion!
Da so mancher Blog vom Angekommen sein handelt, hier mal einer, wie man überhaupt zu Parfumo gelangt:
Die Sache ist die, es kommt nicht oft vor, dass ein Stück Kunst unter den Hammer gelangt und den Besitzer wechselt. "Woman III" heißt das gute Stück. Ich hab meine Jeans noch schnell vor dem Waschen gewendet und dachte "Das geht sich schon irgendwie aus!" Schließlich will jeder mal bei den Großen mitspielen.
Sotheby's 34–35 New Bond Street; London 13:40 Uhr, im November 2006:
Es regnet gerade Hunde und Katzen, als mich der Fahrer des Black Cab bei meinem Monolog über das Wetter unterbricht. Wir hätten soeben unser Ziel erreicht, meint er.
Bin gerade etwas nervös, der zu erwartende Angstschweiß wurde jedoch schon vor Fahrtantritt mit 3 Decklagen Nasomatto, sowie einem Voranstrich aus Amouage Jubilation XXV Man im Zaum zu halten versucht. Mir ist mittlerweile aber klar, warum der Taxiist während der Fahrt sowohl Fahrer- und Beifahrer Fenster partout nicht schließen wollte, obwohl der Bug seines Taxis längst wie nach einer Notwasserung aussah. Diese Frischluft-Fanatiker!
Mit meiner Kappe aus irischem Donegal-Tweed sehe ich aus, als wäre ich der leibhaftige Nick Knatterton, der dem größten Versicherungsbetrug in der Kunst-Szene auf der Spur ist. Unter dem Trenchcoat, der mir gerade die Katzen vom Leib hält, dampft es. Und dieser Zustand befleißigt mich, mir selbst die eine Frage noch zu stellen und zwar, wie Inspector Columbo das all die Jahre ausgehalten hat.
Nun ist längst Eile oberstes Gebot. Ich will meinen Einsatz nicht verpassen. Um 14:00 soll es laut Katalog losgehen. Jetzt aber ran, Herrschaften! In der Zeit verhökere ich meine halbe Parfum-Sammlung, wenn mir danach ist.
Aha, von Willem de Kooning ist das Exponat. Never heard! Mitunter Wegbereiter des Action-Painting. Klingt ein wenig nach Zeitvertreib in beliebig austauschbarem Ferien-Club-Dorf, sofern mir der schnell gestrickte Gedanke gestattet ist.
Mittlerweile haben im großen Auktionssaal die Adlaten mehrerer potenter Kunstsammler eingefunden. Wer diese Summen zu bezahlen bereit ist, hat auch jemand angestellt, der für ihn die Pranken hebt.
Da bereits jede Menge Gestühl mit persönlichen Gegenständen wie Hüten, Brillen-Etuis und Schals drapiert sind, werden sich sicher auch vermehrt Deutsche zu diesem Event eingefunden haben. Alle Badetücher sind angesichts der notwendigen Katzenwäsche wohl noch in Verwendung, was ich gut nachvollziehen kann. Ich bräuchte jetzt selbst eines. Ich finde noch ein Gestühl ohne sichtbaren Territorialanspruch und erkläre den knarzigen Vierbeiner kurzerhand zu dem Meinen. Relativ weit hinten und damit weit weg vom Geschehen, für meinem Geschmack.
Noch raunt es, Grüppchen von Menschen erzählen sich stehend, mit breiter Brust, von ihrem letzten Deal in der Kunst-Szene.
*DONG*
"Bitte begeben Sie sich nun auf Ihre Plätze. Wir beginnen in wenigen Minuten!"
*Sesselrücken im großen Auktionssaal*
*DONG*
"Ähem, geschätzte Kunstliebhaber aus aller Welt! Wie Sie sicher wissen, findet heute in diesem Haus bedeutsames statt. Etwas, wovon viele auch als Auktionator nur träumen können. Selbst wenn es nur darum geht, wenige Meter neben einem solch atemberaubenden Kunstwerk zu stehen." - "Seit 250 Jahren sind wir verlässlicher Partner, wenn es um Kunst geht. Lassen Sie uns nun mit dem beginnen, weswegen wir alle hier sind. Ich darf nun feierlich bei diesem Exponat den Vorhang lüften. Woman III, ein Gemälde, Öl auf Leinwand, mit dem Maßen 170 x 120."
Hmm, 170x120? Ist das schon Full-HD? Im Auktionskatalog steht nichts davon, brainstomred es in mir.
"Entschuldigen Sie, Meister der Zeremonie, Sir der Auktion! Ich suche verzweifelt den Sofort-Kaufen Button? In der Lehne ist er jedenfalls nicht integriert!"
Die Blicke des irritierten Bieterkreises sind nun konzentriert auf mich gerichtet. Da hilft nur die Flucht nach vorne:
"Ihr Amateure, wart wohl noch nie auf einer zeitgemäßen Auktion, Haah?" Ich deute, er möge in Messias res fortfahren, da schießt es erneut aus mir heraus:
"Lieber Herr Kapellmeister, wären Sie so wohl so freundlich und würden das Bild einmal von der Rückseite zeigen? Wenden Sie die Polygon-Gretl aus Willendorf einfach mal kurz und zeigen uns ihre beste Seite. Sehen Sie kleingedrucktes, Buchstaben, Zahlen? Vielleicht eine Kombination aus all dem?"
Erneut Achselzucken bei dem Kunstmakler, der die Veranstaltung leitet und schon wieder sind sämtliche Blicke auf mich gerichtet. Hoffentlich hält die Fassade aus Duftstoff, denke ich mir insgeheim.
"Wollt Ihr Experten mir einreden, dass eure Bilder keine Batch-Nummer haben? Wie sonst soll ich ein Original von einem Fake auseinander halten? Saftladen! Es gibt heute für alles eine passende App. Was für ein zurückgebliebener Haufen."
Tuscheln in den Reihen, Achselzucken beim Auktionator, er versucht die Situation in diplomatischer Weise zu entspannen und erhebt seine Stimme:
"Guter Mann, dieses Kunstwerk wurde von unseren Spezialisten auf Herz und Nieren geprüft. Es stammt aus dem Jahr 1953..."
"1953? Hui, ganz schön alt. Sind Sie sicher, dass die Ölfarben nicht längst im Kippen begriffen sind? Können Sie mir garantieren, dass sie auch die nächsten 10, 20, 50 Jahre nicht kippen werden? Sie werden mir sicher beipflichten, dass Sonnenstrahlen und Wärme eine Pest sein kann, wenn es darum geht seine Kunst-Schätze zu schützen. Ich weiß, wovon ich spreche."
Der Auktionator ist nicht aus der Fassung zu bringen: "Guter Mann, im Laufe der Jahrhunderte, hat sich auch die Qualität der Ölfarben massiv weiterentwickelt. Während Rembrandt noch auf Naturprodukte..."
"Moooment!?? Sie möchten mir eben erklären, dass diese Pinselstriche auf purer Synthetik beruhen und nicht von feinsten Stoffen der Natur und diversen gefährlichen Expeditionen stammen?"
Während ich kurz nach Luft ringe und mir mit dem Auktionskatalog Frischluft zufächere: "Was war noch mal der Preis für das Antlitz dieser Paintball-Gretl?"
"112, Sir!"
"112€ und Sie machen so einen Zirkus hier?"
"112 Millionen Euro, Sir!"
Stünde ich, würde ich mich erst mal setzen: "Ist das letzter Preis?"
"Nein, das ist erster Preis, auch gerne als Mindest-Gebot bezeichnet, Sir."
"Naja, ganz schön nischig, für so ein bisschen Jung-Designer-Action-Painting, mit Verlaub. Unter Berücksichtigung all der vorerwähnten Einwände, ziehe ich dann doch lieber vor diesmal nicht mitzubieten, Herrschaften, wünsche allseits noch gute Geschäfte. Ich darf mich empfehlen, Herrschaften!"
...ordne das noch immer nasse Fell und bewege mich Richtung Ausgang.
Auf der Rückfahrt im Taxi zum Flughafen, dachte ich nach, ob mich wohl je wieder eine Kunst einholt und rieb mir die Nase.
So und nicht anders kam ich schließlich zu Parfumo!