RubinS

Durch Zufall ist mir neulich ein 30% Gutschein einer bekannten deutschen Online Parfumerie in die Hände gefallen, die offiziell PDM anbietet. Also die stolzen 280,– € auf unter 200- gesenkt und freudig auf den Postboten gewartet.

Der erste Sprühstoß wurde gleich von einer irritierten Grundaggression in mir begleitet. Ich fühlte mich in einen potentiellen Abend vor 20-30 Jahre zurückversetzt: Es ist Wochenende und wir stehen an einer überfüllten Bar. Im Vorbeigehen hat mir wohl gerade wieder jemand seinen Long Island Ice Tea über die frisch gewaschenen Klamotten gekippt...

Ziemlich genau so roch für mich das Opening von Carlisle. Medizinischer Rum, zitrisch (für mich kein Apfel) und die Gewürze erinnern an Cola. Dummerweise einer der Cocktails die ich nie mochte. Sowohl in der Kategorie Wirksamkeit als auch in der Kategorie Geschmack gab es für mich stetes andere Favoriten.

So stehe ich also da mit dem ungeliebten Geruch und bin erst einmal ein wenig enttäuscht.

Boozyness ist auf jeden Fall vorhanden. Beschreiben würde ich das Opening mit phenolisch (Havana Club 3 Jahre lässt grüßen), Fruchtig zitrisch mit einem gewaltigen Schwall Muskat und etwas Vanille (Designer Cola like). ein paar rauchige Schwaden erhasche ich, was in das Bild der Bar von damals passt.

Leise war er überhaupt nicht und für mich etwas zu viel im Raum. Also Jacke an und raus in die kühle Winterluft. Die dortige Transformation hat mich dann nach wenigen Minuten absolut verzaubert. Plötzlich stand ich in der Mitte von Fruchtig, floral, würzig und süß ohne, dass eine Gewichtung erkennbar gewesen wäre. Wunderschön wabernd in wechselnden Nuancen, Bewegung tut ihm sehr gut und hilft ihm sich zu verwandeln.

Hier kommen dann auch für mich die Kuchenalogien für mich zum Tragen. Der Rauch hat Platz gemacht für einen versöhnlichen Frucht Streuselkuchen. Ich empfinde Opoponax in Richtung Steinobst und so stelle ich mir einen leckeren Pflaumen Datschi (Blechkuchen) mit leckeren Vanillestreusel vor.

Am Ende des Tages und am Beginn des Morgens habe ich dann immer noch deutlich eine mir angenehme warme Mischung aus Sandelholz Patchouli und Vanille an mir, bei der letzte Fruchtnoten mitschwingen. Bei Kleidung zieht er förmlich ein und wird zum Langzeitmieter.

Zum Glück war der zweite Teil der Duftreise für mich so versöhnlich. Ich habe ihn nun öfter getragen und das Verhältnis hat sich so zum positiven Entwickelt. Gerne möchte ich ihn jeden Tag für einen Spaziergang auftragen. Vielleicht ist er auch ein wenig nachgereift. Die fiese sprittige Note nehme ich ich nicht mehr wahr. Es hat sich eher zu einem leckeren Rumtopf verändert.

Einziger Wehrmutstropfen: Meine Frau und Tochter sind nicht meiner Meinung und akzeptieren den Duft eher, als das sie ihn lieben.

Aus diesem Grund ist es vielleicht besser, dass er keine weiten Kreise um mich zieht sondern eher nahe um mich herum projiziert. Für 280,– hätte der ein oder andere sich dennoch ein wenig mehr Sillage gewünscht.

Fun Fact: Nach den ersten Noten rieche ich Kokos – weiß gar nicht wo das herkommt?

Bei diesem Duft verhält es sich ein wenig wie bei Spielfilmen: Je ungnädiger die Kritiker desto mehr kommt man mit dem Gefühl aus dem Kino, dass der Streifen gar nicht mal so schlecht – ja vielleicht sogar gut war.

Es wird sicherlich keine Preise abräumen aber wenn das Gebotene ins eigene Beuteschema passt wird man gut (und leider etwas leicht) unterhalten.

Es lässt sich nicht leugnen, dass die Idee für die Kopfnote so auch einem Limited Edition Duschgel hätte entspringen können. Dabei schafft es Miyake aber zu verhindern in eine unangenehme Künstlichkeit abzudriften.

Trotz Dusch-Assoziation finde ich Die Kombination aus Zitrus, Kokos und Feige sehr ansprechend und kann mir vorstellen, dass Fusion seine Fans im Sommer finden wird.

Die Herznote ist gefällig und in der Form bekannt. Kokos schwingt noch eine Weile mit, das Florale bleibt dezent im Hintergrund. Dazu hätten mir etwas mehr kantige Darsteller gefallen. Kardamon und Patchouli verkommen leider etwas zu Komparsen.

Zudem ließ das Budget wohl keine Überlange zu. Ich habe mich durch die Pyramide auf das warm/ holzige Finale gefreut. Der Showdown ist so vorhanden aber leider recht kurz und verkommt etwas zu einer leicht seifigen Oper. Ehe man sich versieht ist der Abspann gelaufen obwohl man noch so viel Tag vor sich hat. Vom holzigen Ambrox (und Patchouli) hätte ich gerne noch eine Weile länger etwas abbekommen. Die Noten würden es per se ja auch zulassen.

Fazit: Es muss nicht immer literarisches Kino sein.
Schöner Duftverlauf, der Abwechslung bringt aber bei Haltbarkeit und Intensität noch Potential hat. Der bleibt nicht lange im Gedächtnis aber man kann ihn sich immer mal wieder "reinziehen"

PS: Sample stammt von einer TZ Probe aus einer meiner letzten Bestellungen. Parallel hatte ich Percival am anderen Arm. Nach 1,5 Stunden hat dieser dem Fusion klar signalisiert wie Ausdauer und Sillage geht.