Saoirse

Der Geistes-Lichtblitz: Endlich, endlich, endlich habe ich kapiert, was man unter "Gourmand" versteht. Etwas, das Appetit auf Süßes machen soll, oder? Wie Garnet schon bemerkte: Zuckerwatte pur, dazu gebrannte Mandeln und noch so einiges, das mir die Plomben aus den Zähnen zieht. Klebrig wie Karamell, Kaubonbons, Lakritzschnecken. Eigentlich mag ich süße Düfte, aber irgendwo ist auch hier die Grenze erreicht. Zum Glück ebbt die Zuckerbombe ein wenig ab, um sich dann tief unten doch wieder zu finden. Von pudrig und blumig erkenne ich hier absolut nichts, leider auch nichts von meiner geliebten Tonkabohne. Zu viele Pralinen drumherum. Und hier leuchtet nun auch die Signal-Lampe auf: Ich sollte dringend mal wieder zum Routinecheck einen Termin beim Zahnarzt vereinbaren.
Der einzige Hoffnungs-Schimmer: Ich habe keinen ganzen Flacon, nur ein kleines 1,5ml-Pröbchen, das nur wenig Platz in meinen spärlich bemessenen Räumlichkeiten einnehmen wird, bis eines Tages in hoffentlich ferner Zukunft bei mir die Lichter ausgehen.

So oder ähnlich könnte die Annonce in der Partner-Such-Rubrik Es sucht Es lauten. Das kühle Blau in dem sexy Sixpack kommt frisch-frech daher. Man muss dazu nicht viel sagen, ausser: Schade, der hätte gut in die Station Cool Water und New West gepasst. Wahrscheinlich gibt es ihn auch deshalb offiziell nicht mehr. War wohl ein Aqua-Man zu viel. Im Miniaturen-Katalog Band 2 wird als Hersteller auch Viale genannt, doch mehr Informationen findet man trotzdem nicht. Ruhe in Frieden.

Irgendwann mal, lange ist es her, fand ich den Duft wirklich cool, so pur aus der Bottle geschnuppert. Doch dann rannte jeder Typ, der sich selbst für einen Adonis aus dem dazugehörigen Werbespot hielt, damit herum. Egal ob es passte oder nicht. Unter all den Horden, die dieses Wasser spazieren trugen, gab es nur einen in meinem Bekanntenkreis, zu dem er wirklich passte. Der Typ war mittelgroß, sportlich, trug meist helle Jeans, weisse T-Shirts und Cowboystiefel, hatte schwarzgelocktes Haar und hellblaue Augen. Der Kerl war ein Unsympath vor dem Herrn, was das "cool" im Wasser dann auch noch mäßig rechtfertigte. Nachdem dann auch noch ein Abteilungsleiter, groß, bauchig, schwarzer Haarkranz, Karojackets aus den späten 60ern, also nicht mal lässig Burberry, Oberlippenbart und fette schwarze Hornbrille, in diesem Ozean zu baden schien, war es aus und vorbei. Einmal testete ich das Wässerchen bei mir, frei nach dem Motto: "Wenn ich schon den dazu passenden Mann nicht finde, dann behalte ich eben den Duft für mich". Doch nach knapp 15 Minuten kam ich mir vor wie eines dieser Kaugummis in der blauen Zuckerhülle, die es zu 10 Pfennigen in unhygienischen Automaten zu erwerben gab. Also weg mit Cool Water, her mit Aramis "New West". Den mag ich heute noch, den trägt nicht jeder, der duftet auch an mir klasse und er kommt ohne Adonis-Werbespot-Image aus. Wahre Klasse zeigt sich eben nicht darin, dass sie sich im Dutzend billiger verkaufen lässt.

Der Name ist Programm. Da mein vorhandener Flacon zwar über einen extrem fest sitzenden Verschluss, nicht jedoch über eine Aufschrift verfügt, die mir den tatsächlichen Inhalt verrät, brauchte ich mittelstarke Gewalt, um dem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Und dann empfängt mich alles, was ich jemals an Vanille gekostet habe. Vanillezucker, Vanillepudding, Vanilleeis. Dieses Duftwasser in Kombination mit der Kakao-Orange-Serie von Yves Rocher und das Diätprogramm sollte perfekt sein, falls es denn wirklich ausreicht, all das zu riechen statt zu essen. Wer Vanille pur mag, der ist hier bestens aufgehoben. Und wer noch keine Idee hat, was er demnächst als Sonntagsgebäck auf den Tisch bringen soll: Wie wärs mit Vanilleplätzchen?

Théosiris ist ein mächtiger, wuchtiger Duft. Er erinnert mich an Herbst, wie ich ihn von früher kannte. Die letzten Blumen blühen, die letzten Beeren hängen an den Sträuchern, man wandert über regennassen Waldboden und irgendwo entfernt verbrennt jemand Laub und altes Holz. Ein Hund mit seinem ausgeprägten Geruchssensor würde nun den Duft von "Théosiris" schnuppern, ein Mensch müsste diese Eindrücke um ein Hundert- oder gar Tausendfaches verfielfältigen. Für einen Damenduft erscheint er mir fast zu holzig, zu moosig und zu rauchig, für einen Herrenduft zu heftig, blumig und süß. Zu einer resoluten, naturverbundenen Dame, wie sie von Margaret Rutherford in den "Miss Marple"-Filmen verkörpert wurde, passt dieses Aroma wie maßgeschneidert.