Sarungal
Sarungals Blog
vor 9 Jahren - 12.08.2015
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„Sometimes I feel like a moneyless child…“

...aber auch nur sometimes. Manchmal nämlich kommt einem einfach nichts Passendes unter die Nase, und Konto wie Portemonnaie schnurren zufrieden, während die spekulativ angedachten, eigens per Zettelchen gelisteten Traumdüfte sich entweder als uninteressant oder unpassend erweisen. Gestern war so ein Tag – heute ein anderer (ach was) …

Meine Schnupperlust führt mich am Dienstag mal wieder zu Brückner ins Rathaus – vielleicht ein wenig in der (bis heute unerfüllten) Hoffnung, dass sich auch in deren heil’gen Dufthallen einmal ein Shopping-Erlebnis ereignen möge, das den Rahmen professioneller Beratung sprengt. Diese Hoffnung wird ebenso enttäuscht wie jene, die ich in so manchen Duft setze: Huitieme Arts „Monsieur" entpuppt sich als recht ruppiger Geselle, der seine moosigen Anteile gar nicht rasch genug ins Treffen führen kann. Seit einer insgesamt eher unerfreulichen Begegnung mit „Victrix" reagiere ich allergisch auf diese Note, die – sofern sie derartig dominiert - den Wald zum Mikrokosmos grünlich muffelnder wechselfeuchter Landpflanzen schrumpfen lässt. Rundholz „Sept.21.1966" wiederum übertreibt die heliotrop-floralen Anteile und setzt dem sympathischen Rhabarber ein recht unfreundliches Oud ins Beet: Wieder nix für Sarungals schräge Nase. Kurkdjians „Absolue pour le Soir" findet sich erst gar nicht im Angebot: Kaum verkäuflich sei der, wird mir mitgeteilt, und deshalb ausgelistet. Dafür macht Robert Piguets „Nouvelle Collection – Bois Noir" eine recht gute Figur, hinterlässt allerdings keinen Eindruck; das ist zu wenig für einen Kauf. Die Frage nach „Wazamba" von Parfum d’Empire provoziert ohnehin in jeder Münchner Parfümerie nur ein vielsagendes Achselzucken, sodass ich zum letzten Punkt meiner Merkliste schreite: „7 de Loewe". Im Oberpollinger würde ich fündig, heißt es – also bedanke ich mich artig und besuche unser Münchner Pendant zum KaDeWe.

Da steht er auch tatsächlich, der Loewe – aber ach: Wir passen einfach nicht zueinander. Auf Papier wie Haut gellt irgendetwas Spitzes im Geschehen, das mir nicht behagt – schade, weil ich mich doch so auf die Apfel-Weihrauch-Kombo gefreut hatte. Stattdessen nehme ich (auch einige Stunden später noch) vor allem diese etwas synthetisch anmutende stechende Note wahr. Nun habe ich ja durchaus etwas übrig für spezielle Kreationen und erkenne die Eigenart des Dufts bereitwillig an; tragen aber möchte ich ihn lieber doch nicht. Inzwischen etwas angenervt, lasse ich noch Etros „Messe de Minuit" und Miller Harris’ „La Fumée" 'vortanzen'. Beide gefallen, sind aber dem mächtigen Schatten von Heeleys „Cardinal" nicht gewachsen…

Am nächsten (also heutigen) Morgen begleitet meinen Morgenkaffee eine eher leidenschaftslose Recherche zu Lutens „Fille en Aiguilles" - als mir der Online-Preis ins Auge sticht, den die Münchner Zentral-Drogerie listet: Eine schlanke 66 ziert das Produkt. Amouages „Memoir Man" hatte ich dort bereits zu einem vergleichsweise freundlichen Preis online geordert - und anschließend das Ladengeschäft aufgesucht, um mir selbst einen Eindruck zu verschaffen: Die Schillerstraße zählt nämlich – ungeachtet des Namens – keinesfalls zu Münchens bevorzugten Adressen. Dennoch wartet die Parfümerie mit einem erstaunlich breiten Angebot an Nischenware auf (und kredenzte mir bei diesem ersten Besuch mit Ramon Molvizars „Black Cube" den wahrscheinlich edelsten, rundesten, ja, perfektesten Weihrauch-Vertreter, der mir bislang unter die Nase kam. Angesichts des aufgerufenen Preises streike ich da allerdings noch…)

Also beschließe ich, meinen innerstädtischen 17h-Termin mit einem Besuch im Laden zu verbinden und schlage um kurz nach 4 dort auf. Dass die Damen sich an mich erinnern, poliert natürlich mein Ego – obgleich dahinter ebenso gut ein lautloser Stoßseufzer stehen kann: „Der schon wieder!".

Um den Lutens kennenzulernen, werde ich nach nebenan in die flächenmäßig weitaus größere Mainstream-Abteilung geschickt – aber Serge muss sich deshalb nicht grämen: Die Verkostung selbst verläuft streng nach Lutens-Richtlinien; so zumindest wird mir der Vorgang erläutert. Ein spezieller Teststreifen wird organisiert, der anschließend tief im Flakon versinkt – das hat was! Nach dem ergebnislosen Shoppingversuch des Vortags erfüllt endlich bereits eine Kopfnote mein ebendort beheimatetes Kino, und die trockenfruchtige, leicht angepflaumte Würzorgie im Talar wird nach einem viel zu kurzen, aber inzwischen beglaubigten Hauttest gekauft. Der Preis: 62 (!) Euro.

Trotzdem zieht es mich nochmal in die Nischenabteilung, die sich hinter dem linken Türl befindet. Die Damen sind sehr charmant; wie üblich stelle ich die Frage nach der Verfügbarkeit von Borsari 1870s „Assenzio". (Und wer ist schuld? DaveGahan ist schuld. So!). Man will recherchieren und den Duft bestellen, sofern die Möglichkeit besteht; also lasse ich meine Karte da, die fachfraulich an ein Formular getackert wird. Bei der Duftbeschreibung werden die Ladies hellhörig; vor allem die alkoholischen Aromenanteile des Borsari scheinen sie zu inspirieren. Ich warne, dass ich nebenan bereits gekauft hätte und meinem Portemonnaie wie mir selbst Schnappatmung nicht zumuten wolle – aber das scheint nicht zu stören; stattdessen erhalte ich einen frisch gebrühten Espresso. Anschließend sammelt eine der Damen sämtliche Frapins aus dem Regal, bauen sie dekorativ auf dem Tresen auf und beginnt, Papierstreifen zu benebeln. Bei „Paradis Perdu" entfährt mir ein „Scheiße, ist der gut!". Für den Kraftausdruck entschuldige ich mich augenzwinkernd – und ernte ein Lachen: „Wir sind hier in der Schillerstraße; tun Sie sich also bitte keinen Zwang an!" Klasse; den Stock im Arsch können wir hier also weglassen.

Die andere der beiden Damen durchschnuppert derweil verschiedene andere Düfte auf der Suche nach dem einen, der riecht „..wie Papa am Sonntag: nach echte ukrainische Schnaps!" Hat sie recht – und verwirrend simpathisches Akzent von Osteuropa dazu – wenn auch weniger stark, als es meine lautsprachliche Verschriftlichung vermuten lässt. Ein Duft von Initio – „Magnetic Blend 1" – findet ebenfalls seinen Weg auf einen Streifen (und am Ende als Probe in meine Tasche), mindestens zwei weitere fliegen zusätzlich durch die Luft – kurz gesagt: Eigentlich bin ich im Duftparadies – wäre da nicht der 17h-Termin.

Einen Duft picke ich mir selbst heraus: Etat Libre d’Oranges „Rien Intense Incense". Schon auf dem Papier haut mich um, was da vor sich hinkokelt: Eine Ode an frisch geteerte Straßen, ein Halleluja auf pechschwarzes Öl, Autowerkstätten, Galvanisierungsprozesse und alles, das nach Ruß und Schmutz riecht. Durchaus irritierend, aber hochspannend. Noch spannender die Reaktion der Ukrainerin auf den besprühten Papierstreifen: „Sehe ich halbnackte Mann mit Ölstreifen im Gesicht. Sehr maskulin, viel Testosteron, sehr sexy!" Aha, denke ich, und blicke an mir herab: Ein (zugegebenermaßen geschmacklos weit aufgeknöpftes) Slim-Fit-Hemd in Uni-Beinahe-Dunkelblau, farblich abgestimmte karierte Shorts und Leder-Flip-Flops: Ich glaub’, ich muss zur Tanke…

Auf die Haut darf dieses Gebräu natürlich auch noch; dort nimmt sie es dann etwas anders wahr: „Ist weicher als auf Papier. Verbindet sich gut mit Ihre Pheromone…!" Speck, Maus – und ein schneller Blick auf die Uhr. In 10 Minuten beginnt mein Termin; auf dem Tresen schaut es aus wie nach einem seltsamen parfumzentrierten Kindergeburtstag. Ich entschuldige mich hastig – aber mir wird der Eindruck vermittelt, alles sei in bester Ordnung; also bedanke ich mich herzlich und verlasse das Geschäft…

Nun gibt es ja Situationen, in denen das dauernde Beschnüffeln des eigenen Handrückens durchaus inadäquat erscheint – aber ich schaffe es irgendwie sogar während des Termins, abwechselnd Lutens und Etat Libre einzusaugen. Ersterer hat – obgleich kein Schwächling – dabei eindeutig die schlechteren Karten. Zu dominant dampft „Rien Intense Incense" vor sich hin – und entwickelt dabei tatsächlich eine weichere, weniger auf puren Technikdreck getrimmte, beinahe charmante Rauch-Note ohne jede Weihe, die zu tragen ich immer mehr Lust bekomme. Kurz erwäge ich, zurückzugehen und einen Tausch zu vollziehen – aber den Lutens hergeben mag ich ebenso wenig. Also bringe ich den Termin zügig hinter mich, setze den Stinker in monumentalen Lettern auf die gedankliche Merkliste (wo er angesichts eines Preises von derzeit unter 100 € vielleicht nicht allzu lange wird herumsitzen müssen) und fahre heim.

Da bin ich jetzt – und hau euch den Quatsch ungefiltert um die Ohren. Warum? Weil er mit Parfum zu tun hat – und mit Menschen; am Ende sind Letztere meistens noch viel interessanter als jeder Duft! [ Der „Rien Intense Incense" muss trotzdem noch her – beim nächsten Besuch allerdings werde ich mir mehr Zeit mitnehmen: Der Espresso war nicht schlecht…!]

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