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Scheeheratzes Blog
vor 8 Jahren - 21.07.2016
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Amouage, Amouage, Amouage - eine Marke sowie die gesamte Arabische Halbinsel einst Orient jetzt Okzident und über die unausweichliche Vergänglichkeit allen Seins

Ich besuchte die Arabische Halbinsel zum ersten Mal im März 1996. Start war Doha - Quatar. Relativ unscheinbar, klein, staubig, exotisch fremd. Es gab ein großes Hotel, ein Einkaufszentrum, einen Juwelier und das war's.

Die Vereinigten Arabischen Emirate und ihre Nachbarländer waren zu dem Zeitpunkt touristisch relativ unbekannt und uninteressant, weil es "da nur Sand und nix zu Saufen" gibt. Kein Reisebüro hatte das im Programm, man mußte sich Flüge und Hotel selber suchen, Informationen noch aus dem guten alten Dumont Reiseführer zusammenklauben und geflogen wurde ausschließlich einmal die Woche ab Frankfurt mit Emirates. Mittlerweile heben von jedem deutschen Acker täglich mehrere Billig-Airlines zum orientalischen Ballermann.

Weiter ging es dann durch die 7 Vereinigten Arabische Emirate, Dubai hob ich mir als letztes auf, denn der Aufruf "Do bye in Dubai" hat es mir angetan. Schmuck und Luxusuhren zu wirklich sensationellen Preisen. Bestes Sterne-Essen. Wunderschöne, raffinierte, originelle Architektur wohin man schaute. Reichtum überall. Alles war neu und aufregend mit einem Hauch von Ursprung, drüben in der Altstadt sowie das unvermeidliche Beduinenzelt in der Lobby eines jeden 5-Sterne-Hotels, wo der Weihrauch kokelte und der göttlich starke Kaffee, gekocht mit Rosenwasser gereicht wurde.

Meinen ersten Porsche fuhr ich in Abu Dhabi, mein erstes vierbeiniges Kamel umarmte ich in Al Ain und meine erste 24-Karat Kette schmiegte sich um meinen Hals in Dubai. Kleinkram für die Einheimischen, die ihren Schmuck nach Gewicht kauften, ähnlich wie die Deutschen ihren Feldsalat.

Abends, wenn der heiße Tag sich verabschiedete, überall die Lichter angingen, auf jeder Mosche leuchtete ein Halbmond, da lauschte ich hingerissen den Gesängen der Muezzins aus den vielen Lautsprechern der Moscheen und während Alles zum Gebet raste, drehte ich mich wie ein Derwisch im Kreis, um nur ja nichts zu verpassen.

Weiter ging es in den Oman - wo mich eigentlich nur das Al Bustan Palast Hotel lockte, das damals Sultan Quaboos gebaut hat, um 1985 ein Treffen des Golfoperationsrates stattfinden zu lassen, ferner diente es als Gästehaus für den König von Saudi Arabien und die Emire der Nachbarstaaten bewohnten die obersten Suiten, zuletzt bei einem Treffen 1995. Danach diente es als Hotel und hier auch lediglich nur die untersten Etagen und wenn Staatsbesuche kamen, so mußte der schnöde stinknormale Tourist zurückstecken und hinterm Absperrband den hohen Herren im weißen Gewand mit dem schwerenSilberdolch huldigen - ich kam in diesen "Genuß".

Heute wird es von Ritz-Carlton geführt und ist ein Touristenschuppen geworden, buchbar über billig.de und andere. Aus den luxuriösen Restaurants mit einer über die Grenzen geschätzten Küche wurden All-Inclusive-Touristen-Mampfbuden.

Die "Stadt" Muscat, war damals ursprünglich und klein, das größte war die Festung und die Frauen trugen generell alle das schwarze Gewand "Abaya" und die meisten bedeckten ihr Gesicht mit der Maske, die "Burqa". Die Straßen waren sandig und der Souk dunkel, klein, niedrig, dicht an dicht und da gab es alles Mögliche, nur keinen westlichen Tinnef. Märchenhaft duftende schwere dunkle Öle, das Fläschchen für 1 DM.

Muscat war gut zu Fuß zu erforschen und so kam ich mehr oder weniger durch Zufall zu "Amouage". Ein kleiner Verkaufsraum, ausgelegt mit dicken Teppichen, mit einem einzigen Verkäufer und von der Decke baumelte ein riesiger Kronleuchter. Die Wände waren verspiegelt, davor standen verschnörkelte Regale in denen die einzigen drei Düfte standen, die es gab: Amouage Cristal Gold for woman, im edlen Kristallflakon und 24 Karat vergoldetem Zwiebel-Verschluß, der damaligen Moschee nachgebildet. Dann noch Amouage Cristal & Gold Gentlemen's Eau de Toilette, ebenfalls in schwerem Kristall und 24 Karat Gold Verschluß, dem traditionellen Dolch "Khanjar" nachempfunden. Zu jedem Duft gab es noch eine Seife, oval für die Mädels, rechteckig phallusähnelnde für die Burschis.

In der MItte thronte einsam und majestätisch der Flakon aus der Heritage-Collection, eingehüllt im 24 Karat Goldkleid, Geschenke für hohe Häupter. Prince Charles z.B. hat seinen im Buckingham Museum ausgestellt. Die Flasche kostet zur Zeit ca. 6.000 Euros.

Ganz beschämt in der Ecke ein kleineres Regal mit der Neuerscheinung des Hauses: "Ubar", neben den edlen Kirstall-Gold-Flakons ein unscheinbares Etwas im ordinären Glasflakon. Der Verkäufer und seine Englischen Sprachkenntnisse waren so, wie der gesamte Oman: fern des Westens, ursprünglich, orientalisch. Gekleidet hat man sich als Wessi-Frau grundsätzlich auch bei 40 Grad Hitze in lange schwarze Hosen, mindestens über die Hüfte reichendes Shirt und dieses hochgeschlossen und mit mindestens halblangen Ärmeln und um den Kopf ein Tuch. Alles andere wäre undenkbar gewesen. Verständigt und gehandelt hab ich mit Händen und Füßen, einfach wunderbar, Orient wie er sein sollte. Der Duft der drei Amouages war neu für meine westliche Guerlain- und Lauder- und Dior-Nase, da waren Dinge drin, wie Weihrauch, Hölzer, noch nie gerochen und drum so unbeschreiblich umhauend umwerfend.

Der Preis für die Gold-Cristal-Flakons: je 250 DM, Ubar war für 70 Mark zu haben. In Deutschland waren Arabische Düfte unbekannt, es sei denn, man nutzte sie als Bezeichnung wie "stinkt wie ein orientalischer Puff". Weihrauch war für die Meisten Kirchenkram und Bääääähhhh, da wird mir immer schlecht.

So nahm ich alle drei Düfte mit nach Deutschland und wurde gerne darauf angesprochen, was da so toll riecht und so manch Kollege schnüffelte verklärt an meinem Ausschnitt rum, was aber auch eher an der Anatomie denn am Duft gelegen haben dürfte. "Am Oasch???? Nie gehört!" bekam ich stets zu hören, begleitet von Gelächter, ob der Lustigkeit des Namens. An meinen Ohren baumelten dicke runde 24 Karat Klunker, ich war unter den grauen deutschen Spatzen eine orientalische Prinzessin ohne Erbse.

Und heute, 20 Jahre später ist Amouage so was ähnliches wie 4711, man kennt es Allerseits und Allerorten und ohne Ende erscheinen neue Düfte aus dem Omanischen Reich, das Haus selbst steht unter europäischer Leitung, die Parfümeure kommen überall her, nur nicht mehr aus dem Orient.

Die Flakons sind einheitlich aus Glas - ähneln in der Optik ein wenig den vielen bunten Aurasoma-Flaschen - und statt der vergoldenten edlen Zwiebelkuppel haben die quadratischen Ladies-Flakons nun die Halbkugel, nachempfunden an die seit 2001 fertige neue Moschee in Muscat, obendrauf klebt ein neckisches Klunkerchen. Die Herren-Flakons erinnern eher an diese aufblasbaren Kleiderbügel für Pullover denn an den stolzen Dolch. DIe Preise bewegen sich um die 250 Euros - viel Geld für Glas und Plastik und relative Durchschnittsdüfte. Der momentane Hype des Westens wird am Fließband genutzt, man muß die Kuh melken, solange sie muht und die Kuh muht gut.

Weihrauch und Oudh sind nichts Besonderes mehr, man findet das bald in jedem Klopuztmittel und 1-Euro-Shampoos und es gibt kaum eine Neuerscheinung auf dem weltweiten Parfummarkt, wo nicht diese "exotischen" Inhaltsstoffe verhökert werden, gänzlich beraubt ihrer nahezu heiligen Exklusivität und Oudh, das nahezu fast schon heilige Holz wird oft blasphemisch beleidigt als "Kuhstall, Kamelscheiße und alte Frau unter der Achsel". Entwicklungen , die mich schmerzen.

Um mir nicht sagen zu müssen, ich hätte Vorurteile, startete ich eine Amouage-Testreihe. Liebevoll lackierte ich die Glasfläschen ihrem großen Origianl getreu an, pappte Klunker drauf und befüllte sie dann mit den Düften. Auf diese Weise kam ich hier bei Parfumo dank dieser genialen Erfindung namens "Souk" (einen Orden für den, der DAS in die Welt gerufen hat !) mit sehr netten Menschen in Kontakt, was bereichernd war und ich mich auch auf diesem Weg nocheinmal bei Allen bedanken möchte, denn ohne Euch hätte ich meine entzückende und 10000 Mal schönere Sammlung als die Originale von Amouage nicht.

Die Zeiten ändern sich, schnell und gewaltig und es erfüllt mich mit tiefer Dankbarkeit, dass ich dieses wunderbare schöne Land noch in seinem relativen Ursprung erleben durfte. Drei Jahre lang, jeweils im Frühjahr und im Herbst, bis die Russen und die deutschen Pauschal-Touristen kamen.

Die Emirate sind zum Massentourismus degradiert, die Häuser werden statt schöner nur höher, die Röcke der Touristinnen immer kürzer, die Ausschnitte der Frauen immer tiefer und die Kultur und Tradition immer flacher. Zig Jeeps donnern täglich durch die Dünen und abends ist statt der sprechenden Stille der endlosen Wüste laute Musik, Geklatsche und Gekreische zum bauchtanzenden Mädel aus Russland zu vernehmen.

Die Düfte von Amouage - wobei hier in erster Linie die Damendüfte von mir genannt werden, sind so, wie der gesamte Ferne und Nahe Osten mittlerweile sind: komplett westlich orientiert. Es gibt nichts Neues, nichts Besonderes, da gab es Blumendüfte mit Vanille, weiem Moschus, Tonka und Tagetes, wie sie in jedem Wässerchen anzutreffen sind. Tausendmal hat mich das schon berührt, nichts hat zoom gemacht. Einige stachen mir wie ein böser Djin in die Nase (Interlude woman) und das hochgesungene Memoir woman, auf dieses rassige verruchte Weib ich mich so gefreut habe, entpuppte sich bei mir als lautes, süßes, überschminktes Tabledance-girlie.

Von einem Parfum aus dem Oman, da erwarte ich andere Kaliber, Orient in der Flasche und nicht den gesamten Nordrheinwestfälischen Vorgarten mit Vanillehäubchen und Schokisplittern auf Obst . Über die 7,5 % kam bei mir keiner hinaus - Ausnahme Jubilation 25, den ich 8% gab, wen wunderts, er ist ja auch einer der "älteren" Düfte.

Die Männerdüfte hingegen haben mich da schon gepackt, sie hatten alle was Orientalisches, alle ein kleines bisschen Geheimnisvolles und Betördendes, alle ein bisschen Arabischer Hengst, statt Ackergaul. Sie waren stimmig und bekamen von mir gerne 8 und 9 % mit Ausnahme von Sunshine Man, diesem kanariengelben Cocoloco - da war die Damenausgabe ja noch besser!

Hach, was hab ich mich im Anschluß an die Amörschchens aus dem fernen westlichen Orient glücklich und tief einatmend auf die "echten richtigen Araber" gestürzt, die auch nach 20 Jahren kein bisschen europäisch duften, die nicht in jeder Parfümerieabteilung der Kaufhäuser in jedem Kaff Deutschlands zu kaufen sind und übers Internet verramscht werden. Düfte, die so duften, wie ich mir Orientalische DÜfte vorstelle: schwer, ernst, tief, streng, in teils üppig-kitschigen Flakons, Düfte, die in meinem Inneren sofort die Muezzins erklingen lassen und ich Männer mit ernsten Gesichtern in langen weißen Gewändern sehe und keine Bubis in kurzen Hosen. Wunderschöne Frauen mit lebendigen Augen, die mich nicht mit KK-Silikonhupen und platinblonden Extentions und Lippen, die mich mit einem Haps fressen könnten, erschlagen. Düfte, die mich tief berühren und betören, wo ich auch jetzt noch nach Jahren grüble "Himmel Arsch, was ist da wohl drin?" Rätselhafte verschleierte Märchen aus 1001 Nacht.

Düfte, wo die Parfümeure weiterhin Abdul al Abdul bin Abdul bin Abdulum heissen und nicht Jean-Pierre Dödelsac und Vanessa-Mischelle fad de Flaume.

Finanziell hat sich Amouage mit der Masse statt Klasse einen großen Gefallen getan. Aber das Besondere, das Geheimnisvolle, das Königliche, das ist am Oasch !

Das Leben geht weiter, der Fortschritt schreitet - nicht immer zum Segen - voran. Quatar hat die Fußball-WM, der FC Bayern dort sein Winterlager. Dubai das Münchner Oktoberfest und Abu Dhabi nun auch die Starkbierzeit. Ozapft is !

In Fernsehberichten über Dubai hört man nun statt der zum Gebet rufenden Muezzins nur noch das Nebelhorn einer Carmen Geissens, die nach ihrem Rooooobäääärrrrrt plärrt und Daniela Katzenberger zum x-ten Mal ihren "Schatzi Luuuuuukasssss" abknutscht.

Menschen, die ich kannte und schätzte, leben nicht mehr. Die Pole schmelzen und die Bienen sterben. Statt Schimmi und Thanner ermitteln nun 23jährige Bulletten aus Dresden, humorlos, taff und langweilig. Die Boehsen Onkelz gibt es nicht mehr, stattdessen den Dieter Bohlen seine Superstars.

Auch der Blick in den Spiegel zeigt mir, dass die Zeit nicht stehen geblieben ist und das Wesen, das mir da entgegenblickt ich manchmal gerne sieze. Belämmert schau ich auf unsere knallrote Küchenuhr, wo der Sekundenzeiger rasend schnell und unaufhaltsam seine Runden dreht.

Ja: Nichts ist für die Ewigkeit !

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