Die Wahrheit über Jäger und Sammler
Nod ist stolz auf seine Parfümixe. Statt wie gewohnt mit prachtvollen Sammlungen zu prahlen macht sich neuerdings Bescheidenheit bemerkbar. Er selbst hat es ja schon immer gewusst: Parfüm wird überbewertet! "Kleckern statt klotzen" - nach diesem Motto ist es ihm bisher gelungen, in jeder Hinsicht ein Bi-Vi zu bleiben. Schön, dass seinem guten Beispiel nun endlich gefolgt wird und sich der ein oder andere unerwartet einsichtig zeigt. Schließlich erinnert Nod sich nur zu gut an die Zeiten, in denen er auf Parfümix ständig über die diversen Blindkauf-, Spontankauf-, *zuvielkauf*-Selbsthilfegruppen gestolpert ist, deren Teilnehmer guten Vorsätzen meist gute Umsätze folgen ließen...
Diese Ära der Zügellosigkeit scheint nun aber Geschichte zu sein. Fast ein wenig erstaunt stellt Nod fest, dass sich offenbar Sammlungen im einstelligen Bereich wachsender Beliebtheit erfreuen. Damit verglichen kommt ihm seine eigene Sammlung mit aktuell 37 Flakons schon beinahe ausufernd vor. Vielleicht sollte er sie ein wenig verschlanken, doch leider kann er auf keines seiner derzeitigen Parfüms verzichten. Das ist auch logisch, findet Nod, denn verzichtbare Düfte hat er noch nie gekauft.
Überhaupt kann man es mit dem Beschränken auch übertreiben! Ein Flakon macht bekanntermaßen noch keine Sammlung. Kein Flakon erst recht nicht - darum werden solche Nullkommanix-Sammlungen von ihm auch kurzerhand mit "...hat noch keine Sammlung angelegt" beschrieben. Und überhaupt: wie soll das enden, wenn die Beschränker nicht lernen, sich im Beschränken zu beschränken? Dann gehen die Umsätze mehr und mehr zurück und eines Tages werden vielleicht gar keine Parfüms mehr hergestellt - oder zumindest keine, die ihm gefallen. Das sind ja keine schönen Aussichten, überlegt Nod. Mit seinen 37 Flakons nebst Abfüllungen & Co käme er zwar duftmässig ein Weilchen über die Runden. Aber wenn es keine Neueinführungen mehr gibt, dann geht den Parfümixen wenn nicht der Riech-, so doch zumindest der Gesprächsstoff aus. Keine Diskussionen, Deals und Duft-Desaster - das könnte fast ein bißchen langweilig werden. Egal - Parfümix gibt es dann ja sowieso nicht mehr, denn ein Parfümix ohne Parfüms macht in Nods Augen wenig Sinn.
So weit darf er es nicht kommen lassen! Alarmiert beschließ Nod, umgehend Maßnahmen zu ergreifen um die Parfüm-Rezession zu stoppen. Zum Beispiel wird er ab sofort jedem Parfümix zum 10. Flakon ein "Bravo!!!" unter die Sammlung schreiben - bei 5 vielleicht ein ermutigendes "weiter so"? Zum 50. Duft gibt es schon mal eine Flasche Sekt und wer die 100 schafft verdient, so meint er, einen persönlichen Besuch mit Urkunden-Überreichung. Wobei er selbst mit seinen 37 von einer solchen Ehrung allerdings noch weit entfernt ist. Macht aber nichts, findet Nod, denn es gibt da doch diese Ü-30-Partys... An denen könnte er problemlos teilnehmen oder besser noch gleich mal eine veranstalten.
Nod ist schon recht zufrieden mit seinen Präventivmaßnahmen, doch es fehlt noch eine Art Direkthilfe. Was kann er da machen? Die Wirtschaft einfach mal selber ankurbeln? Eine gute Idee, findet Nod. Ach ja, was tut man nicht alles, um Parfümix zu retten - notfalls sogar einen neuen Duft kaufen! Allerdings möchte er sich im Anschluss an die selbstlose Tat nicht unbedingt in einer dieser Fehlkauf-Selbsthilfegruppen wiederfinden, und so beschließt er seinen Tatendrang zu zügeln und sich erst einmal ein paar Gedanken über den Neuzugang zu machen. Dunkel erinnert er sich schon einmal die Frage "welches parfüm habt ihr euch als letztes gekauft?" gelesen zu haben. Dort will er sich einfach mal unverbindlich umhören und ein paar Anregungen holen.
Ah, das ist ja interessant - Herr XY hat also gerade diesen und Frau XX kürzlich jenen Neuzugang verkündet. Nicht selten werden sogar ohne eine Spur von Reue gleich mehrere Duftkäufe bekannt gegeben. Schnell stellt er fest: um die Zukunft der Parfümindustrie muss er sich vorerst keine allzu großen Sorgen machen! Wenn er es recht bedenkt gab es auf Parfümix ohnehin schon immer Sammlungen unterschiedlichster Größe. Das ist ein bißchen so wie in der Steinzeit, sinniert Nod. Da gibt es zum einen die Jäger, stets auf der Jagd nach dem einen oder den wirklich wenigen wundervollen Düften. Und zum anderen die Sammler, die - sammeln. Und sich mit ihrem umfangreichen Sammelsurium an Parfüms wohlfühlen, genau wie die Jäger mit ihren ausgesuchten Trophäen. Und natürlich jede Menge dazwischen...
Das ist auch gut so, findet Nod. Einen neuen Flakon will er sich trotzdem bald mal zulegen - nur so für sich. Da Parfümix nicht auf dem Spiel steht, hat es damit aber keine Eile und er kann sich Zeit bei der Auswahl lassen. Das macht ihm immer viel Vergnügen, weil in seiner Brust eigentlich zwei Herzen schlagen: das des Sammlers und das des Jägers.