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Shamis’ Blog
vor 3 Jahren - 27.03.2021
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Die Wahrheit über das korrekte Versenden von Duftproben

Nod hat einen Brief bekommen. Leider ist er von einem Anwalt. Nach einer knapp gehaltenen Begrüßung kommt man auch direkt zur Sache: er als Oberhaupt und Leiter von Parfümix sei unter anderem zuständig für das korrekte Versenden von Duftproben im Allgemeinen und den sogenannten Wanderbriefen im Speziellen. Ein wenig überrascht darüber, was so alles in seinen Zuständigkeitsbereich fällt, liest Nod weiter. Man wolle ihn, so heißt es, aus diesem Grunde für die mitunter erheblichen daraus resultierenden Kosten in vollem Umfang zur Verantwortung ziehen. Die Details würde man gerne mit ihm, alternativ aber auch mit seiner Versicherung oder seinem Rechtsbeistand klären. Das ist ja recht flexibel, findet Nod. Allerdings kann er sich nicht erinnern, eine Wanderbriefversicherung abgeschlossen zu haben und "Rechtsbeistand" klingt doch vor allem recht teuer. Nod überlegt: ein spurlos verschwundener Wanderbrief oder eine ausgelaufene Parfumprobe mögen zwar im Einzelfall schmerzlich sein - der rein finanzielle Aspekt steht aber dabei üblicherweise nicht im Vordergrund. Überhaupt ist er dafür, Probleme selbst zu lösen und bittet die Anwaltskanzlei kurzerhand um Aufklärung.

Während er allerdings auf Antwort wartet, kommt ihm auf einmal ein beunruhigender Gedanke: was, wenn es nun gar nicht darum geht, dass Duftpost zerstört wurde oder abhanden gekommen ist? Nod gerät ins Grübeln. Könnte es sein, dass die ihm drohende Klage vielmehr mit der ewigen Streitfrage "Darf man das Gefahrgut Parfum per Post verschicken?" zusammenhängt? Als Privatperson bewegt man sich da ja bekanntermaßen auf dünnem Eis. Und das umso mehr, wenn gar ins Ausland versendet wurde! Nicht, dass er es nicht selbst schon getan hätte... Doch so einen gelegentlichen Einzelfall kann man wohl nicht mit dem Gesamtpaket Parfümix vergleichen, befürchtet Nod. Wenn er als Schalter und Walter von Parfümix nun für alles, was da in den letzten Jahren so hin- und hergewandert ist, zur Rechenschaft gezogen wird, könnte das eine empfindliche Geldstrafe nach sich ziehen. Da hätte sich eine Wanderbriefversichrung vielleicht sogar gerechnet...

In doppelter Weise verunsichert beschließt Nod, sich erst einmal über das schwierige Thema "Gefahrstoffrecht" zu informieren. Oha - das sieht ja nicht allzu gut aus: auf den unerlaubten Handel mit Gefahrstoffen steht insbesondere, wenn dies in erheblichem Umfang stattgefunden hat, unter Umständen gar eine Freiheitsstrafe! Nod ist sich nicht sicher, ob man das Versenden so vieler Parfumproben noch unter "haushaltsüblichen Mengen" verbuchen kann. Wahrscheinlich ist das Auslegungssache, überlegt Nod, und kommt vielleicht auch auf den Richter an. Muss er in Arrest?

Denkbar wäre es, fürchtet Nod. Vielleicht sollte er für diesen worst case lieber schon einmal Vorkehrungen treffen? Vor allem muss er sich überlegen, wem er die vorübergehende Leitung von Parfümix übergibt, damit nicht während seiner unfreiwilligen Abwesenheit noch mehr Dinge aus dem Ruder laufen. Verflixt, woher soll er jetzt auf die Schnelle eine ebenso geeignete wie geneigte Person für dieses Amt finden? Es ist ja schon fast nicht möglich, eine Urlaubsvertretung zu bekommen! Erbost beschließt Nod, dass er seine Strafe auf keinen Fall antreten wird, bevor diese heikle Angelegenheit nicht zu seiner vollsten Zufriedenheit geregelt wurde. Notfalls wird er einen entsprechenden Aufschub einfordern und erwartet, dass man ihm da entgegenkommt! Außerdem braucht er natürlich noch einen qualifizierten Flakon-Sitter für seine Sammlung.

Während er schon mal einige Anzeigen schaltet, klingelt plötzlich sein Telefon - die Anwaltskanzlei! Obwohl ihm nicht sonderlich wohl in seiner Haut ist, gibt er sich forsch und verlangt zu erfahren, was ihm zur Last gelegt wird - und vor allem von wem. Kühl teilt man ihm daraufhin mit, bei der Versendung des Gefahrstoffes "Parfumprobe" hätte er besser darauf achten müssen, dass entsprechende Warnhinweise sowie Sicherheitsdatenblätter für jeden einzelnen Duft beigelegt würden. Das sei aber größtenteils versäumt worden, was man ihm bestenfalls als "grobe Fahrlässigkeit" auslegen könne. Nod schluckt, ihm ist nun doch ein wenig beklommen zumute. Als er dann noch erfährt, dass es sich um eine Sammelklage diverser Parfümixe handelt, versteht er die Welt nicht mehr: was haben sie davon, wenn er ebenso wie die Wanderbriefe aus dem Verkehr gezogen wird? Hat er sich Feinde gemacht?

Doch darum geht es überhaupt nicht, wie Nod im weiteren Verlauf des Gesprächs klar wird. Vielmehr hat sich im Laufe der Zeit manch' ein ahnungsloser Tester Hals über Kopf in den einen oder anderen Duft verliebt und infolgedessen Haus und Hof verpfändet, zumindest aber sein monatliches Taschengeld für Parfum verschleudert. Niemand hatte die Betroffenen zuvor gewarnt - so gehe das nun einmal nicht. An den meist völlig übereilten Flakonkäufen solle Nod sich zumindest finanziell beteiligen.

Nod ist erleichtert: er wird doch nicht weggesperrt! Nun braucht er sich weder um einen Stellvertreter noch um einen Flakon-Sitter zu kümmern. Ganz unbekümmert ist er trotzdem nicht. Immerhin steht da noch diese finanzielle Forderung im Raum, die er nicht einsieht. Das Betreten von Parfümix sei auf eigene Gefahr, argumentiert er, und dazu zähle nun einmal auch der unkontrollierte Genuss von Duftproben. Im übrigen stehe es ja jedem Parfümix frei, sich vorab die entsprechenden Bewertungen, Statements und Rezensionen anzuschauen - Warnungen in alle erdenkliche Richtungen gäbe es da normalerweise genug! Darüberhinaus bietet er an, einen Blick auf die Klage- oder vielmehr Klägerliste zu werfen und diese offenbar besonders anfälligen Parfümixe auf unbestimmte Zeit von Wanderbriefen, Verlosungen etc. auszuschließen. Über ein erweitertes Testverbot  könne er sich eventuell mit den ortsansässigen Parfumerien verständigen. Nur zur Sicherheit...

Überraschenderweise möchte man davon jedoch nichts wissen. Ganz im Gegenteil: kleinlaut lenkt man ein und gelobt Besserung. Das ist aber auch das Mindeste, findet Nod, der in Zukunft keine Klagen mehr hören und erst recht keine erhalten möchte. Noch ein wenig erschüttert beschließt er, sich das Thema "Gefahrstoffrecht" in Bezug auf Parfum trotzdem noch einmal genauer anzusehen und seine Erkenntnisse im Anschluß den Parfümixen mitzuteilen.

(Ergänzung: nein, es gab hier keine Klage - wie immer ein reines Produkt meiner Phantasie ;-) )

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