Sisyphos

Sisyphos

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1 - 5 von 143
Sisyphos vor 11 Monaten 15 4
8
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft
Carons Héritage oder: Auf dem Mont Ventoux mit Knete spielen - Teil II
Es geht also doch. Ein altehrwürdiges Parfumhaus modernisiert einen großen Klassiker. Und das auf eine Art und Weise, die für mich beeindruckend ist. Ich bin durchaus auch ein Freund von kräftigen Projektionen und überdurchschnittlicher Haltbarkeit, von sogenannter Duft-Avantgarde mit speziellen Konzepten (eher die Nasomatto-Linie als die Orto-Parisi-Linie von Gualtieri zum Beispiel). Aber die großen und fast historischen Duftgiganten der alten Schule, die noch einen richtigen Verlauf haben - mit Kopfnote und Herznote und Basisnote - oder von einer durch und durch gewinnbringenden Schönheit und Klarheit sind, üben auf mich nach wie vor etwas absolut Faszinierendes aus. Guerlain, Héritage zum Beispiel, oder gewisse Kreationen von Caron. Und Pour un Homme de Caron Parfum (2022) passt genau in diese Kategorie.

Die aktuelle Version steht der Version von 2005 in nichts nach. Ist nun türkische Rose gelistet, war es 2005 noch Amber. Merkt man aber nicht. Das hier ist ein warmer, ein überaus sinnlicher und tiefer Lavendelduft mit festem Vanille-Einschlag. Süß und zugleich eigentümlich frisch, sodass PuHdC Parfum 2022 auch sommertauglich ist. Die gewisse krautige Schärfe des Lavendel wird doch recht schnell handzahm, vertraut, liebenswürdig. Und der Assoziationsmotor läuft wieder bei mir, ich sage nur: Diese Kindheitserinnerung an lilafarbene Knetmasse und sich auf dem Mont Ventoux in den Wind stellen ...

Der ganze Ansatz ist gewiss monothematisch. Aber der Duft ist halt kein Monolith. Kein unbewegliches Duftmonster, das ein profiliertes Thema zementiert und durch seine völlige Andersartigkeit besticht, wie beispielsweise Megamare von Orto Parisi. Spannend ist so etwas ja ohne Frage, aber eine dauerhafte Beziehung eingehen? Nein.

PuHdC Parfum 2022 hingegen kann man getrost heiraten, das Parfum nimmt dich in den Arm. Es ist durchaus präsent, aber krallt sich nicht fest. Man muss sich eben Freiräume lassen. Ich habe bei den Lavendel-Carons nie so richtig diese Großmutter-Lavendel-Assoziation nachvollziehen können. Klar, ich kenne die Duftsäckchen etc. Doch irgendwie spricht mich das hier auf einer ganz anderen Ebene an und ruft vielmehr Bilder von echter Nähe und Intimität bei mir hervor. Für mich ist das perfekte Einfachheit, Aufrichtigkeit, Reduktion. Es ist die Konzentration auf das Wesentliche.
4 Antworten
Sisyphos vor 11 Monaten 18 6
8
Flakon
9
Sillage
10
Haltbarkeit
3
Duft
Auf den Gipfeln der Verzweiflung
Die Jagd auf der ultimativen Sillage-Projektions-Haltbarkeits-Skala scheint einen neuen Maximalwert erlangt zu haben, wobei ich die Zuschreibungen schon ein wenig übertrieben finde. Es gibt nicht wenige Düfte, die ähnlich stark sind wie Air Tiger und deutlich geringer bepunktet werden was die Performance betrifft. Aber die Beast-Mode-Denke liegt ja voll im Trend, die Parfum-Influencer geben auch in dieser Hinsicht alles. Hauptsache: Es hält wie Pattex und der Geigerzähler wird zum Zerbersten gebracht.

Mich befördert das in neue Höhen der Verzweiflung. Ganz ohne E. Cioran. Dabei bin ich kein Cologne-Fan im strengen Sinne oder will ständig Nachsprühen. Aber Air Tiger schafft es auch so gar nicht, mit einem klar herausgearbeiteten Thema oder einem besonders ansprechenden Duftverlauf zu überzeugen. Dabei startet der Duft zunächst mit einer durchaus einnehmenden und fast charmanten Zitrus-Würze (Kardamom, Zitrone), um dann zügig in eine tiefdunkle und deprimierende Leder-Labdanum-Starre zu verfallen. Auch das Patchouli trägt hier dazu bei, dem Ganzen einen gruftigen Gewölbekeller-Charakter zu verleihen.

Dabei fällt mir eine Diskrepanz zwischen Teststreifen und Haut auf. Air Tiger bleibt auf dem Papier etwas beweglicher und zugänglicher, verwischt und vermischt sich bei mir auf der Haut schnell und stark zu einem recht undefinierbaren, groben und respektlos wirkenden Holz-Mix. Und der wirkt auch noch ungewaschen. 3/10 für die ersten 10 Minuten (auf Papier) und den (Hoch-)Mut, einen solchen Klotz in die Landschaft zu stellen. Das Vorrecht der Jugend. Wobei M. Gebauer auch Mitte 30 ist.

Man lerne vom Meister. Bei Leder und voll Karacho. Und das ist immer noch Duro von Nasomatto. Air Tiger kommt aus der Werkstatt, Duro hingegen direkt aus der Apotheke: Geschliffenes Holz, Politur, helles Leder, unbeugsam und geradeheraus, dabei doch tröstend wie ein Pflaster (mit Elefanten und Giraffen drauf).
6 Antworten
Sisyphos vor 3 Jahren 23 8
8
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft
Bitter Sweet Symphony
Wie schön die Zutat Rose in einem Parfum ist, in welcher Ausprägung auch immer, wurde mir vor vielen Jahren das erste Mal so richtig bewusst, als ich Zino von Davidoff kennenlernte (die Version mit kursiver Schrift vor der Verwässerung). Es gibt durchaus Parallelen zu Phi – Une Rose de Kandahar. Beide teilen sich das Würzig-Orientalische. Es gibt jedoch auch markante Unterschiede. Phi ist spürbar fruchtiger und floraler, insgesamt süßer, weniger holzig als Zino. Gleichwohl kontrastier Phi die blumige Süße mit einem dunklen, sehr öligen, leicht bitteren und pikanten Ton. Dieses Rosenöl-artige ist besonders bezeichnend. Es hat beinahe etwas Medizinisches zu Beginn, ohne scharf zu wirken. Eine famose Bitter Sweet Symphony.

Ein Bogen kann auch zu Lumière Noire pour Homme von MFK gespannt werden. Dieser ist gewiss heller, transparenter als Phi und in seiner Makellosigkeit auch abstrakter. LpH ist im Ganzen frischer. Phi wiederum sinnlicher. Der Duft macht keinen Hehl daraus, die Aprikosenfrucht und das Marzipan mitten ins Zentrum zu stellen. Aber nur, um beide Komponenten von frischem, dunkelwürzigen Tabak einzufangen. Hier könnten sich all jene angesprochen fühlen, die etwas mit Tobacco Vanille von Tom Ford anfangen können. Phi besitzen interessanterweise mehr Männer als Frauen auf parfumo (Stand: 03.03.2021). Bezogen auf das Votum Zielgruppe liegen die Frauen prozentual vorn. Das spiegelt eine mögliche geschlechtsspezifische Kategorisierung (für die, die es zur Orientierung als einen Aspekt heranziehen möchten) von Phi gut wider. Er ist unisex, bleibt ambivalent, entzieht sich einer Sortierung ein wenig. Ich mag das ungemein.

Phi ist ein Frühling-, Herbst- und Winterduft. Und eine Schlafgeh-Duft. Daher sind auch Bezüge zu Oud Satin Mood von MFK aus meiner Sicht möglich, wenngleich in Phi kein Oud enthalten ist. Der Ausklang ist wunderbar weich, warm und harmonisch. Hier leisten Moschus, Tonka und Ambra ganze Arbeit, fixieren fest. Allerding ist das nicht übermäßig wuchtig, wie man zunächst vermuten könnte. Projektion und Haltbarkeit sind zweifellos gut, aber im Ganzen wirkt Phi auf mich nicht überladen. Gewiss wird man eine Offenheit für Liebliches und Gourmandiges voraussetzen müssen. Die Klippe der Schwülstigkeit wird dann letztlich gekonnt umschifft. Was eine Kategorisierung von Phi anbelangt, so finde ich zudem, dass der Duft retro und progressiv zugleich ist. Er ist aus meiner Sicht tatsächlich so unique, dass ich ihn mir an einer älteren Frau und einem jüngeren Mann gleichermaßen vorstellen kann. Phi ist ein Parfum, das besonders durch den Träger/die Trägerin zu leben scheint. Ich finde das post-post-modern. Und zum Reinlegen.
8 Antworten
Sisyphos vor 3 Jahren 7 4
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Flakon
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Sillage
7
Haltbarkeit
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Duft
Werk ohne Autor
Phtaloblue. Augenblicklich schießen mir Bilder einer Kunstausstellung (abstrakte Malerei) durch den Kopf. Und eine Schwimmbad-Assoziation stellt sich auch gleich ein. Es dampft ordentlich und von draußen weht ein frischer Wind herein, der sich mit dem Chlor und dem freudigen Kindergeschrei im Schwimmbad vermengt. Phtaloblue ist aber artifiziell. Das Herausfordernde liegt auch in seinem Genre: Phtaloblue ist ein Aquat. Das bedeutet häufig, dass eher wenig Entwicklung und Komplexität zu erwarten sind – es sei denn, man mischt Salzig-Mineralisches mit rein. Das ist hier nicht der Fall. Der Duft bleibt klar, verkopft, theoretisch. Tatsächlich bin ich der Meinung, dass hier die Farbe „Blau“ in gewisser Weise in einen Duft überführt wurde. Das ist zunächst einmal spannend. Synästhetisch sozusagen.

Phtaloblue ist für mich letztlich ein Werk ohne Autor. Dabei verstehe ich den Filmtitel als Anleihe und will nicht auf inhaltliche Parallelen hinaus. Für mich hätte der Duft von einer Maschine komponiert werden können. Ich meine das nicht despektierlich. Es ist aus meiner Sicht schlicht herausfordernd, einzelne Elemente zu identifizieren. Rosengeranie, Orangenblüte, Lavendel. Davon hatte ich mir viel versprochen. Hier scheint jedoch alles ein wenig zu diffundieren. Fenchel klingt interessant und wenn man es weiß, ergibt es durchaus Sinn. Ich wäre aber von alleine vermutlich nicht drauf gekommen.

Trotz allem ist Phtaloblue für mich ein solider bis guter Aquat mit eben solider bis guter Projektion und Haltbarkeit. Die Neudefinition des Genres „Aquat“ sehe ich nicht. Es ist schwierig, hier eine Beziehung aufzubauen. Natürlich ist der Duft sehr gut tragbar, immer und überall. Saisonal gesehen haben wir hier ein dezidiertes Sommer-Parfum. Stilistisch und von der Grundidee sehe ich Ähnlichkeiten zu L´Eau von Serge Lutens, der zitrischer und dadurch auf eine gewisse Art zugänglicher ist und am Ende deutlicher Richtung weiße Wäsche weist, während Phtaloblue Wasser will. Beide setzen für mich jedoch ein recht klares Statement und verfolgen das Konzept Anti-Duft.
4 Antworten
Sisyphos vor 5 Jahren 26 13
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Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft
"Die Ölbäume sind sehr charakteristisch, und ich gebe mir große Mühe, das einzufangen." (Vincent van Gogh)
Der Olivenbaum (Echter Ölbaum) ist ein Symbol des Friedens und der Treue - oftmals mit biblischem Bezug. Und wer Olivenbäume, zum Beispiel auf Kreta, wo sich angeblich der älteste Baum der Welt befindet, einmal in natura gesehen hat, weiß, wie anmutig und beruhigend sie auf den Betrachter wirken können. Das imposante geschwungene und massive Holz, die stabile und erhabene Statur, das Lebendige und Beharrliche in einer oftmals kargen und vor Hitze flirrenden Umgebung. Selbst die in Öl eingelegten Oliven als fester Bestandteil der mediterranen Küche in all ihren Fassetten spiegeln diese Eindrücke auf eine gewisse Weise wider. Frisches Brot und Oliven(-öl) - gibt es einen schöneren kulinarischen Minimalismus?

Die Frage, wie man derartige Aspekte in ein Parfum überführen könne, stellte sich mir lange nicht. Zu ungeeignet schien mir ein solches Unterfangen. Der Olivenbaum ist ein wunderbares Symbol und rein kontemplativ. Das Produkt ist zum Essen da, eher zum Genießen. Bis ich Olivo von Bottega Veneta aus der Parco-Palladiano-Reihe testete: Der Duft ist wahrlich nicht einfach zu erfassen. Er ist für mich eine Empfindung. Und die lässt sich ganz gut mit Zur-Ruhe-Kommen umschreiben. Olivo ist unsüß, dabei keineswegs herb. Trocken, aber nicht verdorrt. Luftig, aber nicht flüchtig. Die Haltbarkeit ist recht ordentlich und die Projektion weiß sich bei aller Zurückhaltung des Duftkonzepts immer wieder zu behaupten. Parfums, die ganz selbstverständlich und unaufgeregt plötzlich erneut da sind und wunderbar einnehmend bei einer Körperbewegung durch die Nase dringen, sind rar. Olivo ist genau so ein Parfum.

Profan gesprochen hat Olivo etwas von einem Sauberduft. Klar und transparent. Ihn als frisch zu bezeichnen, wäre aber eine Beleidigung. Er ist reinen Herzens. Und ätherisch. Wie z.B. Vetiver Insolént von Miller Harris. Doch fehlt bei Olivo alle orientalische Würze. Allenfalls eine feine Aromatik ist für meinen Geschmack feststellbar. Olivo ruht in sich, völlig geerdet und zentriert. Auf sich selbst bezogen. Auf parfumo sind lediglich grüne Note, holzigen Noten und grüne Olive gelistet. Ich denke, das gute Durchhaltevermögen ist einer Portion Iso und/oder Moschus zu verdanken. Und unmittelbar nach dem Aufsprühen sind harzige Noten im Spiel. Aber, und das gefällt mir außerordentlich gut, es ist hier nichts "Gemüsiges" mit von der Partie. Auch fehlt dem Duft jegliche Schärfe und Krautigkeit, die grüne Düfte gern aufweisen. Im Gegenteil: Ich sehe eher eine leichte Cremigkeit, gerade im weiteren Verlauf. Olivo ist aber ein weitgehend konstantes Parfum. Ein bisschen wie eine kleine, balsamische Melodie. Und universal. Ein ganzheitlicher Ansatz. Daher kann ich mir den Duft zu fast jeder Gelegenheit und Jahreszeit vorstellen. Ob zur PP-Präsentation oder während des Sabbaticals im Kloster - Olivo hilft einem, durch den Tag zu kommen, das Schöne schöner und das Schlechte erträglich zu machen.

Die gesamte Parco-Palladiano-Reihe ist beachtlich. Cipresso und Lauro z.B. sind ebenfalls außerordentlich gut gelungen und von der Stilisitk mit Olivo vergleichbar, Castagno mit dezenter Süße und durch und durch unisex. Alle Düfte wirken natürlich und hochwertig, sehr tragbar und lebendig. Unbedingt testen und nicht auf den Preis schielen.
13 Antworten
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