SpiroErgoSum

SpiroErgoSum

Rezensionen
SpiroErgoSum vor 7 Jahren 19 2
5
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft
Schmeichelnd kräftigender Nebel
Der erste pointierende Annäherungsversuch misslang; ich habe das Statement wieder gelöscht. Ich hatte Special Reserve Vetiver gegen Terre d'Hermes gerochen; nicht recht zum Vorteil des Elena. Doch war die Vergleichsebene schief; ich setzte die beiden in Analogie zu Musiken von Bach und Händel, um bildhaft vorzuführen, dass, nach meiner Meinung, die beiden einander nicht gleich, schon gar nicht Kopie und Vorlage seien. Das ging im Bild der Musik nicht auf. In der Sache steh' ich dazu:

Es hat, so will ich versuchsweise sagen, mit dem Eindruck von Materialität zu tun. Der Terre kann wie eine bewegliche Wand sein, er schiebt sich dem Träger voraus dir entgegen, und das hat, nach beträchtlicher Faszination, etwas Drängendes an sich; denn es rückt der Duft eines anderen dir auf die eigene Pelle, ob du es nun willst, ob nicht. Sobald einer diesen Terre mit stolzer Brust und gerecktem Nacken in engeren Räumen spazierenführt (sein Duft macht ihm den Rücken gerade) und ein bisschen mehr aufträgt, produziert er diesen Effekt. "Er wird mir immer recht bald zu viel": Wenn ich begründen sollte, warum es manchen mit dem Terre so geht, sagte ich's etwa so, als Ausdruck einer Vermutung.

Anders Special Reserve Vetiver. Das ist ein zart gewebter Duft vom Typus schwebender Nebel, der eng mit dem Träger geht, gelegentlich fein und weich aufwallt, sich dezent wieder senkt. Das hat etwas Kräftigendes an sich, das nicht in den Vordergrund strebt. Geht einer auf den Ellena zu, so prallt er leicht zurück; Special Reserve Vetiver lädt ein: Hier riecht es so fein, hier bist du willkommen.

Das sind Tendenznotizen, angedeutet, zugespitzt. Aber es ist was dran, ich bin davon überzeugt und habe es so erlebt, mit beiden.

Wenn ich für die Umgebung sehr gepflegt und nicht öde-beliebig, zugleich für mich selbst ermuntert, gekräftigt, vom cremig-klaren Zitrusholznebel mit ganz milder Pfeffrigkeit unsichtbar hautnah umspielt duften möchte - an langen, fordernden Tagen im Job; oder nach hoffentlich gutem Schlaf auf kurze freie Zeit -, dann greife ich gern mal zu diesem hier. Sein Ausklang, vermutlich, ist nicht sehr originell; bestimmt zuckt die Connaisseurin mit den Schultern. Er macht aber mir die Schultern leichter, wenn etwas Schwereres auf ihnen liegt. Und das ist doch viel, wirklich viel, nicht wahr, was sich sagen lässt über einen Duft, der, weil transparent und schmeichelnd, ohne irgend süß zu sein, den klingenden Namen: Duft verdient...?
2 Antworten
SpiroErgoSum vor 7 Jahren 26 9
6
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
9
Duft
Nach Maß ohne Maß - ein Dank danach.
(Leicht aktualisiert in 4/20)
Von all der Wärme, dem Charme, der sanften Kraft, die 'Tuscany' so anziehend machen, schenkt die Pyramide oben eine erste Ahnung: Worte. Also duften und wirken lassen. Am besten die frühe Fassung. Doch auch der Nachfolger hält sein Versprechen, der zwar nicht mehr so beständig ist, aber mit Behutsamkeit recht nahe am Original gebaut - wie, soweit ich sehe, ebenfalls 'JHL' und annähernd auch 'Havana'. Der überraschend lieblose Akt, sie alle ins gleiche Fläschchen zu träufeln, steht im umgekehrten Verhältnis zu der pflegerischen Haltung im Umgang der Marke mit ihren Düften.
Ich bekam 'Tuscany' geschenkt, als er noch 'Etruscan' hieß. Ich trug ihn beinahe ununterbrochen während zwei Jahrzehnten. Außer ihm kam fast nichts in Betracht - 'Jil Sander Man pure' (mit größtem Ertrag, falls „Komplimente“ die Währung sind) und ab und zu 'Havana'.

Meine Umgebung hat es akzeptiert, gemocht, gefördert. 'Tuscany', das war ich - für die andern, für mich. Ich schmiegte mich in ihn, er lächelte freundlich und reichte mir die seidenweich-kraftvolle Hand. Fein und stark und sensibel. Und sehr gelassen, darin mir weit voraus. Vielleicht hatte ich Glück und ähnelte mich an. Ich gab ja auch Würze hinein, in mein Leben, und sehnte mich zugleich nach unbeschreiblichen Aromen, wie sie, in der ersten Sekunde, in einer Nuance zum Vorschein kommen, die kein Parfüm, das ich bisher roch, in ähnlicher Weise erscheinen lässt. Ein Schein, eine transparente Aura wie von farblosem Gold; keine Farbe, ein leis strömender Glanz für Nerven, die sich streicheln lassen wollen.
Und dabei völlig unprätentiös.
Ich fange an, eine Hymne zu singen - und breche ab. Kein Gesang. Denn irgendwann war es vorbei. Ich hatte Angst gehabt, ihn zu verlieren. Ich hatte ihn immer auf Vorrat gekauft: Was, wenn er ausgemustert würde? Die Frage stellte sich plötzlich nicht mehr. Denn es gab nicht mehr nur den einen. Hier roch ich nun; und da. Und auch dort. Und außerdem da drüben; und oben, unten, rechts, links - ach! Unfassbar viele tolle Düfte! Aber keiner, nicht einer, von dem ich mir ausmalen könnte, dass er mich wieder auf zwanzig Jahre umhülle, Tag für Tag für Tag für Tag.
Warum? Das ist leicht zu verstehen für Parfümverrückte. Es gibt so viele, und so viele andere, und immer fehlt doch noch ein Letztes, oder dann ein Allerletztes...
Warum aber dieser eine für mehr als zwanzig Jahre? Aus nichts als Ahnungslosigkeit? Ich glaube nicht. Er hat eben all die Zeit hindurch ganz genau gepasst. Bei allem, was war und gelang und missriet. Bei allem, das sich änderte. Er war der Maßgeschneiderte, für den keiner Maß genommen hatte; der mit kunstvoller Schneiderei, mit gespitzten Fingern, mit Blümlein fein und Nadelstreif so gar nichts zu schaffen hatte.
Er war ein Glücks-Zufall. Mein Duft, der mir zugefallen war, ganz natürlich, das Unglaublichste und Selbstverständlichste von der Welt. Um heute ihm - wem denn sonst? - diesen verlegenen Erstling zu widmen, hab ich ihn wieder angezogen. Er hat mir zugeblinzelt, er hat mich angelächelt: Schreib! Du kannst über mich nichts Falsches sagen. Ich bin's, wie eh und je, dein Tuscany, dein duftendes Ich für mehr als zwanzig Jahre.
Merci, mein Freund. Und Verneigung. Ich hab dir sehr zu danken.
Er lächelt. Freundlich, männlich, warm, souverän.
Wie immer.
Ach, Freund, es wäre ein Glück, wärest du mir durch die Haut gegangen. Um mich dir ähnlicher werden zu lassen.
Ob das so ist?
Er lächelt, stumm.
Duftet.
Sehr fein.
Vorbei.
9 Antworten