Stefanu155
Stefanu155s Blog
vor 3 Jahren - 20.01.2021
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Lexikon der wundersamen Duftstoffe Teil 2

Da es sich bei einem der Einträge um einen etwas längeren Text handelt, habe ich beschlossen, diesen Abschnitt auf zwei lexikalische Stichworte zu beschränken, die in loser Folge und vorerst nicht in alphabetischer Ordnung weiterhin hier erscheinen werden. Da mein Forschungsassistent Wilhelm Kleinmeister zur Zeit auf Recherche im Ausland unterwegs ist, können wesentliche Bausteine zu einigen wichtigen Stichworten erst zu einem späteren Zeitpunkt hier Eingang finden. Vorerst werde ich also nur absolut gesicherte Erkenntnisse und Daten hier einfügen, nicht zuletzt auch, um das in mich gesetzte Vertrauen der geneigten Leserschaft nicht zu enttäuschen.

Lexikon Teil 2


Algen

In der Regel sprechen wir hier von Braunalgengewächsen, lat. → Phaeophyta.

Der Einzug der Algen in die Duftwelt ist eine, dem Thema entsprechende, an Windungen und Wendungen reiche Geschichte und beginnt bekanntlich mit dem Schotten Percy Weed im Jahre 1798 auf den Orkney-Inseln. Weed entdeckte, dass in Algen mehr Potential steckte, als sie nur zu verbrennen und die Asche an Glasmacher und Seifensieder zu verhökern. Er war jedoch streng genommen nicht der Entdecker der Alge als Duftstoff und Zutat von kosmetischen Produkten, als vielmehr ein geschickter Imitator, hatte er doch das Geheimnis der Duftextraktion von Gilbert D‘ Estanges aus der Bretagne abgekupfert, ein Sachverhalt, der den Historikern lange entgangen war, da es unwahrscheinlich schien, dass es den Franzosen so weit in den Norden verschlagen hatte und zudem unklar, was der Grund dafür gewesen war und welche Wirrungen des Schicksals ihn dorthin getrieben hatten. Nun konnte Weed eigentlich mit dem Geruch selbst nicht allzuviel anfangen, denn dieser begleitete ihn schon sein ganzes ärmliches und Algen verbrennendes Leben lang (→ Kelp), derart, dass er ihn eigentlich kaum noch bewusst wahrnahm. Bei den sehr seltenen Besuchen in der kleinen Ortschaft konnte es auch niemandem auffallen, denn, nun, hier oben auf den Orkneys roch alles nach Meer, Wind und – Algen. Selten war ihm aufgefallen, dass morgens beim Tee und Abends beim Bier im Dörfchen diese gewisse Duftaura des Küstenbewohners um ihn war, eine gewisse raue Frische, die zu den Gerüchen der miefigen Innenräume in einem reizvollen Kontrast stand.

Es bedurfte eines Unglücksfalls in der Familie, genauer des Todes einer seiner Tanten väterlicherseits, die ihn veranlassten, die schier endlose Reise ins ferne Edinburgh zu machen, um dort an den Trauerfeierlichkeiten teilzunehmen.

An dieser Stelle wird die Quellenlage unklar und wir wissen nur, dass er mehrere Wochen in der Stadt verbrachte, bevor er sich auf die Rückreise in die Heimat machte und seine für unser Feld wesentliche Arbeit begann.

In irgendeiner Form musste Percy Weed gut in der Stadt empfangen worden sein und ein kleines Erbe seitens der Tante entband ihn vorübergehend seiner drängendsten Sorgen. Offenbar besann er sich auf seinen Bekannten aus der Bretagne, Gilbert D‘ Estanges, den er dabei beobachtet hatte, wie dieser so etwas wie eine Algen-Salbe hergestellt hatte, durch eine, man könnte sagen, etwas vergröberte Methode der → Enfleurage, wozu feinstes und reines Schweinefett benötigt wurde. Nach langem Experimentieren gelang es ihm, selbst so eine seltsam duftende Paste herzustellen und er stellte fest, dass der Geruch sehr gewann, wenn er den Algen aromatische Kräuter beimengte und am Ende fein geriebene Zitronenschalen in die Algensalbe rührte. Leider ist die Zusammensetzung der Kräutermixtur nicht mehr bekannt und das genaue Rezept ist mit Percy Weeds Ableben verloren gegangen.

Nach Monaten geduldigen Experimentierens ließ er von seiner Nachbarin, die in solchen Dingen geschickter war als er, ein paar hübsch anzusehende Döschen mit der Salbe befüllen und in schönem Kursiv mit „Percy Weed‘s Seaweed Ointment“ beschriften und begab sich auf seine zweite Reise nach Edinburgh. Wir wissen, dass er einen Apotheker aufsuchte, Herrn Alister Mackenzie und seine Döschen diesem zum Verkauf anbot. Der Rest ist Geschichte, wenn auch eine über weite Strecken dunkle und verworrene. Gesichert ist nur, dass er als Inhaber der Pharmacy Mackenzie 1847 angesehen und hochbetagt in Edinburgh verstarb und es gibt Grund zur Vermutung, dass allein die von ihm hergestellte Salbe der Anlass für diese so glückliche Wendung seines Lebenswegs gewesen ist.


Zistrose

Hierbei handelt es sich um eine seltene Erkrankung im Wurzelbereich von mediterranen Staudengewächsen (siehe z. B. → Oleander; → Bougainvillea), welche die betroffenen Pflanzen zur Absonderung eines harzigen Sekrets veranlasst, das in konzentrierter Form von eher unangenehm-teerigen Geruch ist, in verdünnter Form, z. B. als alkoholische Lösung aber hoch aromatisch und belebend duftet. Der eigentliche Duftstoff ist hiermit also der Effekt einer pathologischen Veränderung der entsprechenden Pflanzenwurzeln, nicht die Erkrankung selbst. Da es sehr schwer ist, betroffene Pflanzen zu erkennen und die Gewinnung des Harzes mit arbeitsintensiven Prozessen einhergeht, gibt es Bemühungen, in Plantagen die Veränderung manipulativ herbeizuführen, um eine verlässlichere und konstante Produktion zu erzielen. Mittlerweile zeigen auch Laborversuche, welche die beteiligten Duftstoffe künstlich synthetisieren, erste Erfolge. (Stand 20. 01. 2021)

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