TasteExplore

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Rezensionen
TasteExplore vor 8 Jahren 13 10
7
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
7.5
Duft
Zitrischer Frischling mit (zu) hohen Ambitionen ....
Ursprünglich war die Überschrift als Statement gedacht, aber der Umstand, hier als erster einen Kommentar zum Bergamote Soleil zu schreiben, hat mich, ehrlich gesagt, gereizt. Zumal die Merkliste einen bemerkenswerten Umfang aufweist, gemessen an der Tatsache, dass BS erst kurze Zeit auf dem Markt ist.

Nach nunmehr zwei an mir vorbeigegangenen Share´s ist es auch mir endlich gelungen, eine Abfüllung zu bekommen und diese mit einer gewissen Erwartungshaltung auszuprobieren. Allein die Tatsache, dass innerhalb weniger Stunden beide Share´s voll waren, hat BS immer mehr in meinen Fokus gerückt. Jetzt wollte ich es einfach wissen ...

BS könnte vielleicht möglicherweise ein Duft für das kommende Frühjahr werden .... könnte .... vielleicht .... möglicherweise. Bei derartiger Anhäufung von Konjunktiven merke ich dann selbst, dass BS noch ein gutes Stück davon entfernt ist, mich überzeugt zu haben.

BS ist nach "Vetiver Fatal" und "Jasmin Angélique" der dritte Duft von Atelier Cologne, welchen ich in kurzen Zeitabständen testen konnte. Keiner von ihnen hat bei mir einen olfaktorischen Kick ausgelöst. Ist das nun repräsentativ für die gesamten Düfte von AC? Ich für meinen Teil befürchte eben dieses ..... was aber kein Problem darstellt.

Die beiden Protagonisten von AC, Sylvie Ganter und Christophe Cervasel, haben lt. ihrer Selbstbeschreibung mit Cologne Absolue eine neue "olfaktorische Familie" ins Leben gerufen, deren Basis hochwertige zitrische Komponenten sind und durch eine hohe Konzentration von Parfumölen voll zur Entfaltung kommen. Soweit nichts neues. Haben wir alles schon mal gelesen .... und gerochen.

Zum Duft. Auch einer ungeübten Nase eines Halbamateurs wie ich es bin, kann der Auftakt der fruchtigen Bitterorange mit dem namensgebenden Bergamott nicht verborgen bleiben. Ganz so, als ob ich gerade mehrere dickschalige Orangen geschält habe, übernimmt für die ersten 5 Minuten die Bitterorange die Führung, gibt sie im weiteren Verlauf zwar wieder ab, macht jedoch ständig auf sich aufmerksam. Sie kann und sie will sich nicht unterordnen. Der Jasmin, schon im Kopf zu erkennen, kommt langsam aber deutlich zum Vorschein und bleibt auch weit in der Basis erhalten, hat hier aber einen völlig anderen Charakter als im JA. Nicht so blumig und für mich viel angenehmer. Gemeinsam mit dem sehr diskreten Amber dämpft er die zu Beginn vorlauten bitteren Amplituden der Orange. Der Duft wird nach ca. 3 Stunden gefälliger und kommt mir nun etwas süsser vor.

Wenn ich am Anfang dem seeeehr zitrischen und für wenige Momente synthetisch empfundenen Auftakt eine gewisse Skepsis bzgl. der reinen Inhaltsstoffe entgegengebracht habe, so wird BS über die Zeit für mich "dicker" und damit hochwertiger in der Wahrnehmung. Jetzt stelle ich auch eine Nähe zu "September" von E. Kormann fest.

Ein wenig schmunzeln lassen mich die ganzen Ortsangaben der Duftkomponenten: slowenisches Eichenmoos, ivorische Bitterorange .... wer´s glaubt .....

Die Haltbarkeit ist mit 6-7 Stunden in dieser Kategorie ordentlich, die Sillage nicht aufdringlich, aber jederzeit wahrnehmbar.

Wie ich finde ein guter, aber bei diesem Preis mich (noch) nicht überzeugender Duft. Er ist unbekümmert, nichts aussergewöhnliches .... dennoch bemerkbar. Tragbar wohl eher für jüngere Altersgenossen, welche aber u.U. am Preis zu knabbern haben. Gleichwohl habe ich mit BS noch nicht "abgeschlossen". (M)Ein persönliches Summary bleibt bis zum Frühjahr offen .... und die Suche geht weiter.
10 Antworten
TasteExplore vor 9 Jahren 23 4
10
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
8
Duft
.... mehr als tausend Worte
Fehlende Eloquenz entsteht im besten Falle bei mir wenn ich den Versuch unternehme, diesen unbeschreiblichen Duft von Orto Parisi in Worte zu fassen. Ich trage ihn nun bereits seit gut zwei Monaten, aber immer noch erschließt er sich mir nicht in seiner Gesamtheit, vor allem am langen Ende an seiner Basis. Alleine dieser Umstand hat schon etwas geheimnisvolles.

Alles andere als Mainstream. Wie kann man zur Begründung der Namensgebung nur diese unvorteilhafte Eigenschaft in den Vordergrund rücken? Brutus war rhetorisch geschult, liebte die Auseinandersetzungen mit den Philosophen seiner Zeit und selbst Cicero betitelte die Darstellung der Geschichte der Redner Roms sogar mit "Brutus".

Bekannt war aber auch, dass Brutus geschickt seinen Intellekt durch vorgespielte fehlende Eloquenz versteckte - und hier finde ich den ersten (für mich erklärbaren) Ansatzpunkt der Namensgebung.

Ja, er versteckt sich .... hinter einer vordergründig und auf den ersten Moment sogar fast erschlagenden Kopfnote von Bergamotte, Holz und (gedüngter) Erde. Allerdings bremst er nach Hautkontakt fast augenblicklich ab und sowohl Patchouli als auch Pfeffer, beide aber in ihren Amplituden von angenehmer, leichter, still schmeichelnder Süße begrenzt. Was dann nach 5 Stunden und mehr kommt ist nur schwer beschreibbar, aber sehr charaktervoll.
Es liegt in der Natur des Menschen, ständig zu vergleichen, aber B. ist völlig anders als Amouage. Und Duro? Für mich entzaubert sich Duro etwas nach hinten, während Brutus hier klar seine Stärken zum Vorschein bring.

Haltbarkeit und Sillage sind stark. Ihn als Unisex zu bewerten mag aus meiner Sicht durchaus gewagt sein. Sollte ich ihn jemals an einer Frau bemerken, werde ich sofort wissen, dass mir hier eine Persönlichkeit mit Durchsetzungskraft gegenüber steht. Denn das eint alle Düfte von Orto Parisi: Sie machen keine Persönlichkeit - sie fordern den Träger auf, eine zu sein.
4 Antworten
TasteExplore vor 9 Jahren 28 10
10
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
9
Duft
Elegante Dominanz pur
Mark Twain formulierte einmal, dass zwei Dinge im Leben wichtig sind: Ignoranz und Überheblichkeit, und der Erfolg ist einem sicher.

Das trifft nach meiner Einschätzung sowohl auf V. als auch auf dessen Träger zu. Und es bildet wohl auch die gemeinsame Schnittmenge aller Düfte von Orto Parisi.

Alessandro Gualtieri bezeichnet seine Düfte, welche unter dem Label O. Parisi am Markt sind, als animalisch, intensiv, ja sogar bis hin zu unerträglich. Synonym wäre auch brutal, martialisch ...... und überirdisch treffend.

Auf Musik übertragen vergleiche ich die Düfte von OP mit der Sinfonie mit dem Paukenschlag von Joseph Haydn. V. ist ein olfaktorischer Knall, welcher die z.T. träge Welt der Parfümeure aufweckt.

An einem kühlen vorweihnachtlichen Abend ließ ich mir den Duft zum ersten Mal am Handgelenk auftragen. Kurzzeitig hatte ich das Gefühl, mit einem Hammer bearbeitet worden zu sein. Aber wirklich nur ganz kurz. Die Kopf- und auch noch etwas die Herznote ist nichts für Träumer und die Sensiblen unter uns. Aber abwarten ..... es lohnt sich. Genau so, wie unsere Gefühle keiner Statik unterliegen und eine bemerkenswerte Bandbreite aufweisen, verhält sich V. im mittel- und deutlich im langfristigen Duftverlauf.

Mantel zu und raus auf den kalten Ku´damm. Meine Körperwärme verband sich mit dem Duft und es stieg ein von mir in dieser Form noch nie wahrgenommener hesperidischer Duft auf, der in diesem Segment für mich ganz klar zu den TOP 10 gehört (wenn sogar nicht noch höher).
Schon fast wie ein Tick führte ich mein Handgelenk minütlich zur Nase und meine Stimmung wurde besser und besser. Ich betrat das große Luxuskaufhaus und wollte noch einige andere Düfte probieren. Während eines intensiveren Gesprächs mit einer netten Dame einer nicht ganz unbekannten und billigen Luxusmarke wurde ich von ihr auf meinen Duft angesprochen, welcher in dem süsslichen und warmen Gewabere unzähliger Duftmoleküle langsam die Führung übernahm. Sie war sehr angetan. Von meinem Duft natürlich ..... ;-)

Wieder raus auf die Straße und rein ins Taxi. Die Taxifahrerin eine für diese Berufsgruppe ungewöhnlich feminine und schon fast overdressed Mittfünfzigerin bemerkte nach ungefähr einer Minute, dass sie nun schon ungezählte Fahrgäste im Fonds zu sitzen hatte mit ebensolch einer vielfältigen Bandbreite an Gerüchen. Aber mein Duft wäre der Hammer. Mehrmals wollte sie an meinem Handgelenk riechen, was definitiv kein Annäherungsversuch war.

Warum erzähle ich das alles hier? Abgesehen davon, dass ich mich mit diesem Kommentar hier in der Gemeinde einführen möchte klar mit der Intention, V. als eine Bereicherung darzustellen. Den absolut treffenden Beschreibungen von FLUidENTITY ist eigentlich nicht viel mehr hinzuzufügen. Ich halte mich mit dem Versuch der Beschreibung der Duftpyramide von V. noch zurück und beschränke mich einstweilen mit den bei mir hervorgerufenen Emotionen. Zu einem späteren Zeitpunkt vielleicht eine Ergänzung.

V. ist ein Erlebnis der anderen und unvergesslichen Art. Er hat sich tief in mein Geruchsgedächtnis eingegraben und wird definitiv auf absehbare Zeit meiner Sammlung zugeführt.
V. ist ein Duft für (bereits) selbstbewusste Persönlichkeiten.

Da, wo der Träger von V. ist, ist oben! Elegante Dominanz pur eben ......
10 Antworten