Parfümroulette... oder wie meine Kinder lernten, sich selbst zu automatisieren

Kinder sind praktisch. Manchmal. Zum Beispiel, wenn die eigenen Hände zu groß sind, um das verlorene Kekslein unterm Herd zu greifen. Oder damit einem in der Pandemie nicht zu langweilig wird.

Wofür sie allerdings wenig geeignet sind, ist sich mit der werten Frau Mutter über deren Hobby der Düfte auszutauschen. (Ja, enttäuschend, ich weiß... der ein oder andere wird an dieser Stelle geneigt sein, den eigenen Kinderwunsch rigoros zu überdenken) Hingestreckte Arme zum Schnuppern werden meist mit Schulterzucken quittiert, manchmal fallen noch Urteile wie: „blumig“ oder „süßer Ameisenköder“ oder „ääähhhh“ (K2! K1 enthält sich regelmäßig).

Aber es gibt eine (vage pafümverwandte) Aktivität, welche mit größter Freude beiderseits ausgeführt wird – Parfümroulette. Das Spiel geht folgendermaßen: Eine unentschlossene Frau Be weiß nicht, was sie tragen soll, K1 oder K2 wird gerufen (je nachdem, wer näher ist, wir haben ja nicht den ganzen Tag Zeit) und darf sich blind etwas aus dem Schrank ziehen, was das Muttertier dann tragen muss. MUSS? Am Wochenende – ja. Vor der Arbeit – hat sie ein Veto. Also genau eines!

Problem: Unter der Woche gehe ich aus dem Haus, bevor ein Kind wach ist. Parfümroulette fällt also flach.

Man schreibe Gründonnerstag 2021. Beim Frühstück fragt Frau Be nach Parfümroulette. Aber... sie will dann einkaufen (mit Großvater Be, der aus Berlin kommt und ein Auto hat – also Zeit, Vorräte anzulegen). K2 will schon losrennen, in K1's hochpubertierenden Augen funkelt es schelmisch.

(Nicht vergessen hat das Kind die Episode, als Frau Be beim elterlichen Besuch ihrer Mutter einen Spritzer "Delina@Parfums De Marly"  und dem Vater einen Spritzer "Bee@Zoologist"  auf den Hemdärmel spritze, woraufhin die Muttersmutter es auf dem zweistündigen Heimweg im sicherlich gut duftenden Auto nicht mehr aushalten konnte, vom Muttersvater am Wegesrand ausgesetzt zu werden verlangte und sich von jemand Anderem die letzten 50 km chauffieren lassen musste)

„Was hast du denn, was frisch riecht und ganz stark ist und nach Katzenpipi riecht?“

Schluck.

„Öhm... nichts.“ (und wenn es sowas auch sicher mal gab, Frau Be hat es schnellstens entsorgt)

„Was würdest du denn sagen, ist dein stärkstes Parfüm?“

„Ach ich hab da ein paar...“

„Und welches ist am meisten wie Katzenpipi – es muss ja nicht frisch sein.“

„Es gibt so eine Holzart, da sagen die Leute manchmal, dass es wie Stall riecht. Das heißt Oud.“

K1 zückt das Handy.

„Wie wird das geschrieben?“

K2 guckt mittlerweile recht interessiert.

„Weil heute 1. April ist, hast du die Challenge, dein stärkstes Parfum mit Oud zu tragen.“

Schluck – mein armer, armer Herr Vater.

„Okay, aber nur wenn ihr das auch aufsprüht.“

Schweigen. (ich durfte ihnen noch nie was Duftendes aufsprühen)

K2 fragt, wie stark das ist.

„Wie ne Atombombe.“

K2 kichert. „Hol mal.“

Vor dem Parfümschrank stellt sich die Frage: Was hat Oud und ist nicht so krass, dass die Kinderlein davon geschädigt werden? Ich verwerfe alles, was nicht süß ist. Bisher mochten die eh nur Sachen, die nach Nachtisch riechen (Banausen!).

Meine Wahl fällt auf "Shaghaf Oud"  (Atombombe) und "Casablanca" (dagegen ein laues Lüftchen und viel kinderfreundlicher).

„Ich habe hier dieses und dieses gefunden – sind beide mit Oud, aber eins hat ganz viel und eins nicht.“

Die lieben Kleinen schnüffeln an der Flasche. Dass sie dabei das Gesicht verziehen, übersehe ich geflissentlich.

„Ich trag dann das, was ihr auch nehmt...“

K1 ist todesmutig und tippt auf den goldenen Flakon. Ich nehme 4 Sprüher (2 Nacken, 2 unter die Kleidung Richtung Bauchnabel), K1 bekommt genauso viel, K2 wird aufgrund der plötzlichen Blässe mit Casablanca (je ein Sprüher unter die Achseln – wie Deo) versorgt (man will ja kein Unmensch sein).

K1 tippt weiter auf dem Handy herum und fragt, ob sie denn irgendwo sehen könnte, welche Parfüms ich habe.

Ein kleiner Aussetzer im Herzschlag meinerseits. Jetzt. Jetzt ist die Zeit, wo ich ihnen parfumo näherbringen kann.

„Ja es gibt da so eine Parfümseite, wo man über alle Düfte nachlesen kann. Da habe ich auch einen Ordner, wo alle meine Parfüms aufgelistet sind.“

Nicht atmen! Keine plötzlichen Bewegungen! Jetzt nur keinen Fehler machen!

„Zeig mal!“

Mit einem Puls von 180 zeige ich ihr, wie man sich auf parfumo in der Sammlung zurechtfindet, das Kind vertieft sich und K2 versteht zwar nicht, warum das jetzt wichtig ist, aber macht mit.

Einkaufen. (der Herr Vater beschwert sich auch nur ein bisschen)

Wir kommen zurück in ein Bastelparadies. Überall liegen bunte Blätter, K2 schneidet fröhlich kleine Streifen aus, K1 schreibt eine Liste.

„Was macht denn ihr?“

„Wir bauen dir ein Parfümroulette. Als Ostergeschenk.“

Frau Be nickt ratlos.

„Darfst aber nicht gucken.“

K2 ist unterdessen versunken im Falten der Papierstreifchen und lacht sich scheckig über die Parfümnamen.

Nach 9 Stunden Arbeit ist es dann fertig, mein Parfümroulette.

And here's how it works. Jeder Duft meiner Sammlung steht auf einem Zettelchen. Diese Zettel sind danach geordnet, wie gut oder schlecht ich ihn bei parfumo bewertet habe. Jeder Bewertungspunkt ist einem Tag zugeordnet (hier nehme ich an, dass die Zuordnung auf Tage eher wahllos war und ich an manchen Tagen nur meine ungeliebten Düfte tragen darf und an anderen nur die MVPs), wie genau hier die Verteilung ist, werde ich sicher erst nach einigen Wochen mitbekommen. Wer liebt es nicht, sich überraschen zu lassen?

Auf dem Deckel findet sich eine Legende. (braun und dunkelgrün sind jetzt nicht so gut lesbar, aber wozu gibts Brillen?) 

 

Montag bis Freitag ist noch klar (zB Montags darf ich nur die roten Zettel ziehen), darüber hinaus finden sich aber noch Spezialkategorien in der Auswahl.

Hellblau steht für besondere Ereignisse (Ausgehen, Geburtstag etc) und beinhaltet Düfte, die ich besonders gut bewertet habe. Diese dürfen an jedem Tag gezogen werden, so erklärt K1, aber nur wenn es wirklich etwas besonderes ist. Das Kind ist da streng.

Braun ist die kleinste Kategorie (das Kind entschuldigt sich, dass es da nur wenige Düfte gibt – es waren nämlich meine schlechtesten Bewertungen oder auch die Düfte, die „Atombomben“ sind) und dürfen nur am Wochenende und wenn ich zuhause bleibe gezogen werden. (Gibt es eine bessere Motivation, ungeliebt Düfte vielleicht doch mal auszusortieren?)

Dunkelgrün schlussendlich darf ebenfalls nur am Wochenende gezogen werden, aber immer dann, wenn ich vorhabe, das Haus noch zu verlassen. (kein Tipp, welche Düfte sich dort befinden mögen.... grausames Tochtertier!)

Angestachelt durch die motzende Mutter lässt sich K1 dazu herab, einen extra Hinweis zu verfassen, wonach ich an den Wochenenden ALLE Farben ziehen darf. (und da sage einer, meckern hilft nicht)

Zur Veranschaulichung habe ich mal aus jeder Kategorie was gezogen.

Montag: "Casablanca"  (solide Wahl, den kann ich auch auf Arbeit tragen)

Dienstag: "Breath of God"  (hmmm... ich hab ja so meine Problemchen mit den solids von Lush, zuhause gerne, aber auf Arbeit??? So gut sie auch duften, sie strahlen einfach nicht ab. Vielleicht schmier ich einfach mal richtig richtig dolle.... oder zieh was anderes.)

Mittwoch: Abfüllung (nach dem Abschreiben der Flakons war die Kraft alle und die Abfüllungen blieben auf der Strecke, es gelang mir, das Kind davon zu überzeugen, in jeder Farbe ein zusätzliches Zettelchen zu fertigen, wo Abfüllung draufsteht – danach muss ich dann blind in meinen Schuhkarton greifen) Zum Spaß kam bei der Ziehung "Green Irish Tweed"  heraus – hier muss ich auch nochmal sortieren, da mittlerweile eine Flasche davon existiert.

Jetzt will ich aber trotzdem wissen, was da noch im Mittwoch liegt.

Mittwoch: "Tea Rose"  (ui – den hätte ich so freiwillig nie auf Arbeit getragen; ich merke mir vor, dass Mittwoch möglicherweise einige Schwergewichte enthält)

Donnerstag: "Smuggler's Soul"  (wieder Lush, aber eine gute Wahl – den trag ich eh viel zu selten und der würde tatsächlich äußerst gut auf Arbeit passen. Hier wird mir mal wieder der Wert von Parfümroulette vor Augen geführt – man trägt auch Düfte, die man irgendwie vergessen hatte)

Freitag: "Crystal Noir (Eau de Toilette)"  (passt perfekt auf Arbeit, meinten sie jetzt EDP oder EDT??? Wird man sehen, ob es zweimal im Topf ist, ansonsten trag ichs abwechselnd – ich bemerke eh keinen großen Unterschied.)

Nun zu den interessanten Kategorien, wir beginnen beim unbeliebten Zuhausebleiben am Wochenende.

Wochenende zuhause: "Bee@Zoologist"  (BEE??? Ehrlich? Nur für zuhause??? der hat bei mir Höchstbewertung, ich liebe Bee... ach ja, da war ja was mit Atombomben... siehe weiter oben: die großelterliche Heimfahrt des Grauens, hier werde ich einfach tricksen... pah, Bee nur für zuhause, ich lass mir doch nix vorschreiben) Na jetzt bin ich ja gespannt, was ich auch in der Öffentlichkeit tragen darf.

Wochenende rausgehen: "Frosted Cream"  (ich schwöre, ich weiß genau wie der aussieht und habe noch eine vage Erinnerung daran wie er riecht, aber ich find ihn nicht mehr; Merke: Frau Be braucht einen richtigen Parfumschrank!!!)

Wochenende rausgehen: Abfüllung (och nö... ich wollte doch sehen, was in der Kategorie ist, beim Ziehen wieder das gleiche Spiel wie vorher: ich ziehe "Time for Love@Micaleff" , wo mittlerweile die große Pulle eingezogen ist)

Wochenende rausgehen: "Monoï Eau des Vahinés"  (meine Begeisterung hält sich in Grenzen, den wollt ich eigentlich im Sommer nochmal probieren, bisher hat der bei mir eine sehr mittelmäßige Bewertung)

Aber jetzt... jetzt kommt die beste Kategorie. Düfte für besondere Ereignisse!!!

besondere Ereignisse: "Eau de Missions"  (ach ich sehe... ja, er hat bei mir eine sehr gute Bewertung und es hat einen Grund, dass ich fast einen halben Liter davon hier stehen habe, aber... zum Ausgehen würd ich ihn eher nicht tragen. Eher so zum kuscheln.) Nochmal ziehen.

besondere Ereignisse: "Boudoir@Vivienne Westwood" (bin ich einverstanden) Und weils so schön war, zieh ich nochmal (hier offenbart sich der Suchtcharakter, der mich auch so viele Düfte hat anhäufen lassen)

besondere Ereignisse: "Angel Eau Sucree (2014)"  (sowieso immer nur ein klares: Ja!, den hab ich ganz doll lieb)

PS: Und zur Feier des Tages und angestachelt durch die ungewohnte Beschäftigung mit Parfüm ließen sich die lieben Kleinen zum Abschluss sogar noch meine schönsten oder besondersten Flakons zeigen.

K1 gefiel "Bade'e Al Oud - Oud for Glory"  am besten (kann ich den haben, wenn der alle ist?)

K2 war zu dem Zeitpunkt alles egal

Beide fanden den Flakon von "Lolitaland"  unglaublich hässlich (die Flügel vom Reh sind aus dem falschen Material und FALSCH RUM!!!!), aber den Duft am allerallerallerbesten!!! Wie der rohe Keksteig im Eis.

Und so trugen sie an diesem einen glorreichen Tag nicht nur einen Duft, sondern sogar zwei!!!