Titania

Titania

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Titania vor 9 Jahren 10
Hello Kitty!
Das (dem In-Frage-Stellenden blähen sich Brustkorb und Brustton) soll Kunst sein?
Das (dem Aufgeblähten entweicht die Luft wieder mit einem missbilligenden Zischen) kann ich auch!

Eine Wirkung indessen entfaltet sich trotzdem, immer. Zwischen den Worten, im Unwillkürlichen. Das, was uns zum Zischen bringt, ist genau die Kunst.

Denke, meine, fühle ich. 100 Prozent, sehr stark.

Aramesh. Noch so ein Teilchen von Signore Gualtieri. Ist das Kunst oder kann es weg? Eine Fragestellung, die der Mann vermutlich goutiert wie andere Orden und Medaillen, er wird womöglich geweihten Wein wie Wasser dazu trinken, stolz wie Oscar.

Und wie bei aller Kunst scheiden sich bei ihm die Geister. Selbst besonnen wirkende Gemüter erhitzen sich daran: Heiße Luft, zischen die einen. Ge-ni-al, skandieren andere, ganz andere. Kann es etwas dazwischen geben? Nun, es geschieht nicht sehr oft im Leben, aber manchmal lautet die Antwort: MariaLux.

Wobei ich zugeben muss und möchte, dass ich bislang erst zwei Nasomattos wirklich getestet, also getragen habe, tags, abends, drinnen, draußen, allein, unter Wölfen. Mit höchst unterschiedlichem Ausgang: Narcotiv Venus empfinde ich als überraschend harmonischen Pas de Deux aus Tuberose und Jasmin, sommertauglich sogar und sinnlich zwar, aber ohne sich komplett nackich dafür zu machen. Während China White in der Lage ist, mich sofort und komplett in eine Abgrundtiefe hinabzuziehen, die nicht meine ist, aber zu werden droht. Diesen Duft habe ich gerade so eben überstanden, hab mir die Haut anschließend wieder übergezogen und meiner Seele Kakao und Kekse hingestellt, um sie wieder hervorzulocken.

Kunst? Kann in jedem Fall etwas, der Mann, ich kanns bloß nicht immer aushalten.

Aramesh nun. Muss man den haben? Unter einem Namen vertickt, der Frieden bedeuten soll, mit einer Begleitpoesie, der man Prosa an den Hals wünschte, in einem aus der hochpreisigen Kosmetik vertrauten, unpraktisch mogelpackigen Umkarton und in einem Flakon, den man deeply oder truly noch irgendwie hübsch retro finden könnte. Aber in Lila?

Kunst? Wenigstens gekonnt?

Die objektive Antwort: Keine Ahnung.
Die subjektive Antwort: Ja. Manchmal. An Tagen wie diesen, zwischen allem, nirgends ganz.

So auch am vorletzten Sonntag, da trug ich diesen Duft, um im diffusen Licht der Tage zwischen den Jahren mit einem meiner ältesten Freunde spazieren zu gehen. Angenehm, meinte er bei der Begrüßung. Süß. Was ist dieses Kratzige? Alles im selben Atemzug. Kätzchen, antwortete ich und grinste. Er indessen kuckte kariert. Was ein wenig eigenartig war, denn wir haben einen running gag mit cat content, der eigentlich immer funktioniert. Und wir grienen eigentlich immer im selben Augenblick, auch wenn es mal nicht sehr lustig ist.

Angenehm.
Süß.
Kratzig.
Vertraut.
Irritierend.
Ohne zu zischen.
Und sanft. Sehr sanft.

So ist Aramesh. So wirkt er, auf mich. Und er duftet nach Nelkenblüten, Honig, Holz und Kitty. Zumindest irgendwie auch.
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Titania vor 9 Jahren 10
To know that all I need is everything
Diese Frau ist kein Mädchen mehr. Und dieser Frühling ist ein Sommer, der den kommenden Herbst schon ahnt, obgleich der letzte Winter ihm noch in den Knochen steckt. In diesem Wirbel wird spürbar, dass das Leben nicht nur eine Richtung kennt und wir - während das Rad sich dreht und dreht - gut daran tun, in einer Mitte so etwas wie Ruhe und Ordnung zu finden. Ein Herz, das schlägt. Struktur und Rhythmus. Die Entschiedenheit, etwas zu tun oder zu lassen - auch: hindurch zu lassen. Zu geben, zu nehmen, zu strömen, zu dämmen.

Chamade ist langsam. Bereits das Glas Champagner, das man uns zum Auftakt reicht, hat nichts vom Bersten der Knospen, vom Grellen des ersten Grüns, von einem ausgelassenen Fest. Der erste Schluck perlt fein, doch so dicht, dass ein weiterer Schluck durchaus drin zu sein scheint und der nächste Atemzug erst einmal warten muss. Den Atem anhalten - nicht weil er stockte oder das Herz vor lauter Frühling beschlossen hätte, dass es keine Luft mehr bräuchte, nur noch Liebe. Es ist im Gegenteil eine Art Akt der Vernunft, ein Abwarten, Abwägen, Prüfen, Lauschen, auf etwas Nahes, aber Fremdes: Wer bist du? Was wird aus dir werden? Und: Warum bist du hier?

Eine Aufforderung zum Tanz. Bevor die Musik einsetzt. Eine Musik, die man noch nie zuvor gehört hat und zu der man erst lernen wird, sich zu bewegen.

Diese Musik wird zum Immergrün, erkennbar geheimnisvoll, ein Gefühlsdickicht und zugleich ein Weg hindurch. Der Duft führt taktvoll, gibt sich ernsthaft, zeigt sich bergend. Nur langsam, nach und nach entspannt sich sein fragender erster Blick in ein Lächeln, wird weicher, weiter, seiner selbst sicherer, wissend, dass das Leben ist, wie es ist und man jeden Tanz lernen kann, wenn man es muss. Vertrauen und Vertrautheit wachsen und vertiefen sich, das Lächeln liegt noch am nächsten Morgen da wie auf dem Gesicht einer schlafenden Schönheit, die aus einem Traum ins wahre Leben erwacht, immer wieder, weil sie es möchte.

Chamade lässt uns die Wahl zu träumen oder zu erwachen, verlangt jedoch, dass wir uns bekennen - zu ihm. Und ist dabei auf verblüffend nachsichtige Weise absolut. Der Duft ist nicht laut, aber stark; er widersetzt sich einer sachlichen Analyse ebenso wie einer Übersetzung seiner Poesie in flankierende Formen mit Midnight oder Miss davor. Vieles davon, von all dem, was Chamade auszulösen und nicht aufzulösen vermag, finde ich auch in einem der verwirrend schönen Gedichte E. E. Cummings' wieder:

somewhere i have never travelled,gladly beyond
any experience,your eyes have their silence:
in your most frail gesture are things which enclose me,
or which i cannot touch because they are too near

your slightest look easily will unclose me
though i have closed myself as fingers,
you open always petal by petal myself as Spring opens
(touching skilfully,mysteriously)her first rose

or if your wish be to close me,i and
my life will shut very beautifully,suddenly,
as when the heart of this flower imagines
the snow carefully everywhere descending;

nothing which we are to perceive in this world equals
the power of your intense fragility:whose texture
compels me with the colour of its countries,
rendering death and forever with each breathing

(i do not know what it is about you that closes
and opens;only something in me understands
the voice of your eyes is deeper than all roses)
nobody,not even the rain,has such small hands
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Titania vor 10 Jahren 14
Kann mir mal eben jemand die Krawallbürste rüberreichen?
Darum also ging es. Darum also geht es. Stein des Anstoßes, Stein der Weisen, ein Juwel? Ich weiß noch nicht, oft weiß ich auch nach Jahren noch nicht so ganz genau und gar nicht so selten nie. Angesichts dieser, der jüngsten Vorgeschichte möchte ich uns allen jedoch, nach meinem allerersten Tag mit diesem Duft, eine Art Zwischenruf zumuten: Das also ist Shalimar? Wieso riecht es dann nach Fenjala?

Sicher war ich mir gewesen, dass ich diesen Duft irgendwann haben, tragen und lieben werde. Diese Gewissheit möchte ich gern umwandeln, in eine Wahrscheinlichkeit unbestimmter Größe. Wie die anderen Guerlains, die ich kenne, ist auch dieser extrem gut gemacht und wunderschön. Ein Klassiker, weil er das Zeug dazu hatte und hat. Also könnte ich ihn tragen. Wenn er dann, irgendwann, zu mir passt. Aus heutiger Sicht tut er es nicht. Was nicht an Shalimar liegt, sondern an mir.

Noch nie, nicht einmal in Tauers "Miriam", habe ich so derartig viel von einer idealen, idealisierten Mutter erkennen können wie in Shalimar. Eine Mutter-Königin, keine Königin Mutter. Der Duft hat etwas absolut Souveränes, ohne dafür mit irgendwelchen Klunkern oder Werturteilen zu klappern. Dieser Duft ist da. In voller Schönheit, ohne jede Zurückweisung, in einer Perfektion, die auf Kühle gänzlich verzichten kann.

Das ist absolut großartig. Existenziell. Und doch, für mich, nicht genug.

Denn ich wünsche mir mehr - Vollständigkeit. Das Bild einer Frau, das diese Mutter nicht nur mit einer Königin, sondern auch mit der Hure in Verbindung zu bringen wagt. Ich wünsche mir eine Realität, die dem Trost und der Pracht das Begehren gestattet. Für jedes große Herz und jede schöne Seele wünsche ich mir einen Körper, um ihn zu bewohnen, ganz auszufüllen.

Ein Parfum ohne jede Maskulinität, ohne den Hauch von Härte, ohne ein winziges bisschen Willenserklärung, ist daher im Moment für mich untragbar. Dafür kann dieser Duft nichts - dass ich es so sehe und so empfinde. Und dafür (oder dagegen) kann auch niemand etwas, der diesen Duft hat, trägt, liebt und möglicherweise auch braucht. Was könnte an Liebe je kritikwürdig sein oder an dem Wunsch nach Geborgenheit abzulehnen?

Ein Wunsch, den jeder kennt, auch ich - und den ich oft mit ein bisschen Milchreis klein genug kriege, auch jetzt im Sommer, dann meist mit Kokosmilch zubereitet und immer mit einer Prise Salz darin. Ein Kniff übrigens, den ich mir von einem Mann abgekuckt habe, nicht von meiner Mutter. Aufgewachsen bin ich gänzlich ohne Milchreis, Armer Ritter, Hawaii-Toast - und mit einer (wie manche schon wissen) ziemlich eigenen und entschiedenen Mutter.

Und Fenjala? War ihrs, war sie, war königinnenhaft und wie von einem anderen Stern - in einer Welt, die zuvor von Nivea, Fa und Irischem Frühling dominiert wurde. Oh, und von krauser Petersilie, mit der man für mein Empfinden jedes noch so gute Essen ein kleines bisschen schlechter machen kann - ein Punkt, in dem meine Mutter mir heute immerhin zustimmt.

Damals wurde gegessen, was auf den Tisch kommt. Heute müssen wir das nicht mehr. Wir entscheiden selbst, was auf den Tisch kommt, wen wir einladen, wessen Geschmack wir achten und wessen Hunger wir stillen. Wir können selbst hervorbringen, was uns fehlt und jeden satt kriegen, wenn wir das wollen.

Es ist die klare, entschiedene und ausdauernde Schönheit Shalimars, die uns genau daran erinnern kann.
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Titania vor 10 Jahren 11
Meer. Sein.
Salz. Salz. Das Meer wirft sich gegen die Felsen, denn dies ist nun mal der Job von Meer und Felsküste, also machen die beiden eben ihren Job und sie machen ihn gut. Wie Champagner steigt das Salz in die Luft, schäumt, perlt, prickelt - nicht im Bauchnabel, sondern überall auf der Haut, hinter der Stirn und bis mitten ins Herz. An einem Ort, an dem niemand Champagner trinken würde, weil das Einfache hier alles ist, was man braucht.

Eine Kargheit, die vollständig erfüllt. Klarheit. Hier wachsen Pflanzen - Pflänzchen, die trocken und winzig und irgendwie widrig wirken, bis man sie gegrilltem Fisch zur Seite stellt oder geschmortem Lamm oder sie zwischen den Fingern zerreibt und atmet.

Ein Aufatmen. Ein Duft, in dem alles gut zu sein scheint, gut und richtig. Diese Form von Männlichkeit erkenne ich in Fleur de Sel. Eine Sicherheit, ohne Frage. Ein einziger Blick, der alles zu erfassen scheint. Ein Duft, der nach Haut riecht, menschlicher Haut, männlicher wie weiblicher. Die Haut des Menschen, den man liebt. Auch, unbedingt: die eigene.

Dies entfaltet sich in größter Feinheit, als etwas Filigranes, es erhebt Bodenständigkeit zu Eleganz. Ohne jede Lautstärke, nicht einmal die Möwen habe noch Lust kreischen. Ganz leise: ein Seufzen. Es wird nicht alles gut, es ist schon alles gut.
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Titania vor 10 Jahren 9
Sandelhyde sondergleichen
Ein kleines Outing vorweg, weil´s fürs Verständnis meines Blickwinkels nicht ganz unwichtig ist: Ich interessiere mich für Astrologie. Sehr. Und in einem ziemlich weiten Orbit um die üblichen Hund-Katze-Maus-Auto-Varianten. Es entzückt mich dabei besonders zu beobachten, wie uralte Mythen - repräsentiert in Asteroiden, die die Namen von Göttinnnen, Kentauren oder auch Popgrößen tragen - sich in diesem sehr großen Zusammenhang abbilden und aktualisieren. Denn nur dann bleibt ein Mythos das, was er ist: Wenn man ihn fortschreibt. Und ihm auf die jeweils aktuelle, eine aktualisierte Weise Leben einhaucht. Nur Menschen, wir Menschen, können das tun. Eine Gestaltungsfreiheit als Pflicht, zur Ehrenrettung oller Kamellen. Das ist doch mal ganz schön!

Leben also. Das funkelt mir bei diesem Duft auf jedem Meter entgegen. Ich steh genauso im Wald wie Angua und das ganz gewiss, kein bisschen Gloobenssache. Doch durch das dichte Dach der Bäume fällt Sonnenlicht, tropft mir direkt vor die Füße, aufs trockene Genadel, und stiebt und steigt Alice (im Wunderland, Asteroid 291, irgendwie ich) direkt ins neugierige Näschen. Und nimmt auch etwas vorweg: das Ende der Geschichte, die Basis. Das mag ich (nochn Outing) sehr - zu wissen wie es ausgeht, nur so ungefähr. Einen Duft aufzusprühen und zu wissen: Das ist es, was bleiben wird, nach Stunden oder Tagen und wenn ich den Pulli das nächste Mal anziehen werde, kehre ich dorthin zurück. In diesem Fall ins Land der Sandelhyde. Funkelndes Sandelholz, der Schmelz von Rotgold als Duft.

Dass ich Aldehyde nicht leiden kann, wird in diesem Augenblick zur Legende, stirbt, ist schon lange und für immer tot. Während es wahr bleibt, dass ich Sandelholz, Patchouli, Balsame und Harze gern mal recht unprofessionell in ein und den selben Topf werfe. Ich bin kaum die Richtige, einen Duft - diesen Duft in seine Komponenten aufzudröseln. Wald und Weihrauch, ja. Und kein Rauch ohne Feuer. Für mich ist der Duft ein Traum in Rot und Gold, eine Glut, in unzähligen Schattierungen zwischen Sonnenaufgang und Ascheschicht. Ich rieche den Goldschnitt alter Bücher, Torffeuer, Whiskey, ein Ledersofa, Darjeeling unlimited, das Funkeln von antikem Granatschmuck, die Biografie eines verkannten Künstlers und eine Einsamkeit, die keine ist, sondern Alleinsein, Ganzsein, Verbundenheit mit aller Geschichte.

Und wenn man aufsieht vom Buch, aufsteht vom Sofa, hinausschreitet aus dem Wald, zu laufen beginnt Richtung Sonne, wenn man diesen Duft trägt, dann trägt auch er, erhebt, wird lebendig, sinnlich.

Eigentlich hatte ich mir bereits als eine Art modernen Goldstandard in Sachen Sandelholz Decennials "Santal Sacré" ausgekuckt. Nach diesem Traum und zwei, dreimal Blinzeln ist mir klar, dass die Geschichte auch anders ausgehen könnte.

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Eine Erklärung zum Schluss, für all jene, die nicht mit dem Fernsehprogramm der Siebziger aufgewachsen (und trotzdem groß und stark geworden) sind: "Hund, Katze, Maus, Auto" war stets der erste Ausruf bei den "Montagsmalern", einem heiteren Begriffe-Raten: Einer aus dem Team malte, die anderen schrien, was sie sahen oder aber einfach nur, was das Zeug hielt - weil irgendwas ja schließlich stimmen muss.
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