TomGehFord

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TomGehFord vor 8 Monaten 6 2
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Duft
Männlich-modern, modern-männlich, oder veraltet? - MEISTERWERK.
Ich überarbeite hiermit meinen Kommentar von vor einigen Jahren, da das "ADG Profumo" zwischenzeitlich leider eingestellt und durch das "ADG Parfum" abgelöst wurde. Es soll hierbei weniger um die x-te Beschreibung der Duftpyramide gehen - die sollte bei diesem unvergleichlichen Meisterwerk ja nun wirklich jedem bekannt sein. Vielmehr möchte ich eingehen auf dieses absolute Paradebeispiel der Anpassung neuer Düfte an den modernen Geschmack.

Zur Einleitung möchte ich gleich eines klarstellen und kurz auf das "ADG Parfum" eingehen: Ich liebe frische und holzige Düfte, also auch all das, was man hier als "neumodischen Duschgelduft" abtut um dann zu untragbar riechenden, pseudoelitären Schwachsinnskunstwerken der Parfümeurskunst zu greifen, um wie ein Kamelstall zu riechen...aber immerhin wie ein schnöseliger. Das ist zwar eine andere Geschichte, soll aber meinen Standpunkt verdeutlichen: Düfte sollen den Träger ergänzen und seine Persönlichkeit unterstreichen, und nicht diese verändern oder übertünchen. Rein objektiv gefällt mir das "ADG Parfum" somit auch. Sein einziges Problem ist nur die Existenz des "ADG Profumo".

Das "ADG Profumo" ist ein zeitloses Meisterwerk. Seit ca. 2015 (somit Mitte 20) in meinem Besitz und jeweils (!) mehrere Flakons der Größen 180 ml, 125 ml und 75 ml aufgebraucht, denke ich mir ein Urteil über seine Klasse erlauben zu können. Es ist eine Allzweckwaffe, und in meinem Fall sogar noch mächtiger als das allseits glorifizierte "Aventus" (das ich bis 2019 auch liebe). Nein, wir fallen hier nicht auf das Niveau der Komplimentejäger ab, welche zur Selbstbestätigung das positive Feedback und die Höschen imaginärer Damen anderer benötigen. Dennoch ist seine Wirkung (an mir) so wunderbar exemplarisch für all das, was ich ausdrücken möchte. Daher kratze ich das Thema der Komplimente an einigen Erfahrungen mal an, ohne diesen einen hohen Wert beizumessen. Sagen wir, ich betrachte die Geschehnisse auch heute noch mit Bewunderung und Freude von außen, ohne sie jemals bewusst herbeigeführt haben zu wollen.

Der Duft war wie seine Reaktionen "einfach da" (er war damals mein einziger Duft) und hat mein sehr aktives Datingleben bis vor einigen Jahren (als man noch eine klassische Geschlechterdynamik bzw. Anziehung wahrnahm) maßgeblich mitgestaltet. Frauen klebten mir regelrecht am Hals. Mich erreichten beispielsweise nach Clubabenden teilweise Nachrichten von völlig fremden Frauen auf Facebook, und als Anlass diente die Frage, wer denn "der gutriechende Mann von gestern" sei. Wer weiß, wie sie mich so einfach fanden. Und wer weiß, wieso sie mich mit Beziehungsintentionen anschrieben. Der Herr behüte einen vor Frauen, die schon solchen Invest auffahren um jemand Fremden zu unterwerfen. Nun ja. Von anderen Lebens-, äh, Wochenabschnittspartnerinnen wurde teilweise mein Shirt behalten und von den Damen zur Arbeit getragen, um weiterhin an mich denken zu können. Dass ihre Bett- oder Couchkissen das "ADG Profumo" weitertrugen, hielt die Damen bei Laune und ihre Sehnsucht gefühlt intakter. Und vor kurzem traf ich eine Verflossene wieder, welche kurzfristig wieder zu mir geflossen war (und danach wieder davongeflossen ist, seltsame Strömung...). Sie fragte mich, ob ich denn noch diesen "zedrigen Duft" von damals habe. Welch unnötige Frage. Komm mal näher, Kleines. Uiihhii. Und ein männlicher Kollege ruft mir teilweise auch heute noch ein völlig kommentarloses "Profuuuuumo!" zu, einfach so, ohne weiteren Hintergrund oder Bedeutung. Das "ADG Profumo" ist all das, was ich entweder schon bin, oder sein möchte. Es verkörpert mich quasi in flüssiger, aber vor allem perfektionierter Form. Und wer strebt schon nicht nach Perfektionismus in etwas Bestimmtem? Jemand sagte es mal in etwa so: "Das ist einfach dein Duft, keine Ahnung". Und ich kann das nur bestätigen. Keine Ahnung wieso.

Wäre der Duft ein Mann, dann wäre er kantig, dunkel und doch fresh (ein ebenbürtiger deutscher Begriff fällt mir tatsächlich nicht ein), ein Statementsetzer mit eigener Meinung die er mit aller Kraft vertritt und niemals von ihr abrückt, ein Anführer in modernem Gewand und mit Prinzipien der alten Schule. Er hätte Persönlichkeit mit Tiefe, wäre geheimnisvoll, würde von guten Männern respektiert, von Frauen geliebt, von Knechten gefürchtet, wäre rational, durchaus auch kaltschnäuzig und nur in kurzen Momenten nahbar, sich selbst am meisten vertrauend und unbeirrbar. Er wäre kein klassischer Gentleman, sondern von der rauen Sorte. Das bedeutet auch: Er pfeift auf deinen Wunsch nach der 1749. Duftbeschreibung, damit du dich in der Kommentarpolizei kurz wichtig fühlen kannst. Nein, er packt dich stattdessen am Kragen, drückt dir eine Bergamotte im Gesicht aus und lässt dich dir in einem Schwall Weihrauch einen abhusten, bis du ihn um Entschuldigung bettelst, während du dir deine oversized Hose hochziehst. Heute nennt man so jemanden "stabil". Und "ADG Profumo" ist so stabil wie es eine Flüssigkeit nur sein kann.

Doch nun das Trauerspiel: Er wurde eingestellt und nach Verweichlichung unter neuem Namen auf den Markt gebracht. Weil er nicht mehr so richtig zum Markt passt. Wundert uns das im Jahr 2023 wirklich? Wie gesagt, das "ADG Parfum" an sich ist kein schlechter Duft. Aber der in meiner Vorstellung so stabile Mann ist ganz gesellschaftskonform eingeknickt, hat seine Ecken und Kanten verloren, seine geheimnisvolle Persönlichkeit voller Tiefe ist einem oberflächlichen, massentauglicheren Dasein gewichen. Er eckt nicht an, er hat keinen Mumm und keine so starke Präsenz mehr. Hätte er sich schlecht verkauft, wäre eine Generalüberholung angesagt gewesen, und kein "Feinschliff" (im negativen Sinne) unter fast identischem Erscheinungsbild wie hier.

Die Masse mag ich auch sehr, wie anfangs erwähnt. Aber das "ADG Profumo" hat diese Masse angeführt und ist nun als "ADG Parfum" in ihr untergetaucht. Es ist nun modern männlich, und nicht mehr männlich-modern - das ist ein Unterschied. Für einige war es ja ohnehin altherrenmäßig (DAS habe ich wirklich noch nie verstehen können).

Doch ich akzeptiere diesen Wechsel nicht. In meinem Duftschrank warten nämlich noch u. a. ein ultraseltener 300 ml-Flakon von 2016 (das Teil ist wirklich riesig) und noch einige weitere kleinere Pullen darauf, angebrochen zu werden. Für mich bleibt er für immer männlich-modern. Der perfekte bzw. perfektionierte, vollkommene, klassische Mann. Ich werde mein Leben lang "ADG Profumo" tragen, und irgendwann werden wir vielleicht eins werden. Danke, Herr Morillas. Mit dem Duft kann sich ein Mann eigentlich nur selbst übertreffen.
2 Antworten
TomGehFord vor 1 Jahr 5 1
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Flakon
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Sillage
6
Haltbarkeit
6.5
Duft
Kurzzeitig freie Fahrt
Jean-Christophe Hérault, bekannt als Ghost Perfumer von Creeds Aventus, hat mit seinem mittlerweile legendären Meisterwerk die Messlatte für sich selbst extrem hoch gelegt.

"Open Road", welches nur relativ sparsam beworben wurde (wie man an der Popularität auch erkennen kann), ist nun schon seit einigen Monaten erhältlich. Beschrieben als Duft, welcher die Abenteuerlust und den Freiheitsdrang wecken soll (oder so ähnlich), stellt er den Beginn einer neuen Reihe dar.

Abgefüllt in einem durchaus schönem Flakon, welcher einen mit dem mittigen Rohr etwas an Diors "Homme"-Reihe erinnnert, aber mit einem meiner Meinung nach gewöhnungsbedürftigen Sprühkopf versehen ist (der Tester in der Parfümerie war hier schon beschädigt), kommt das gute Teil daher.

Der Duftverlauf beginnt, wie so oft, mit einem zitrischen Opening, das hier besonders säuerlich ausfällt. Wer also wie ich eher nicht auf rein zitronige Kopfnoten steht, wird hier enttäuscht sein. Schon bald gesellt sich aber der rote Apfel hinzu, welcher dem Ganzen etwas Süße verleiht; die starke Zitrik geht wie üblich etwas in den Hintergrund, bleibt jedoch noch durchaus erhalten. Der Lavendel ist gut dosiert, und wirkt nicht kratzig, sondern modern und männlich. Von Anfang bis Ende bleibt der frische Charakter des Duftes erhalten. Den Salbei konnte ich nicht wirklich vernehmen, aber man soll ja auch nicht immer jede einzelne Note herausriechen können - das Gesamtwerk zählt schließlich. Im Drydown gesellen sich holzige Noten hinzu, ohne die Balance zu stören - der Duft behält sein frisches und leichtes Profil. Man nimmt zudem definitiv keine auffällige Synthetik wahr, was insbesondere für einen frisch veröffentlichten Freshie (fast ein Zungenbrecher) erwähnenswert ist.
Übrigens schwingt hier und da mit etwas Konzentration und gutem Willen sogar ein minimaler (in Worten: minimaler) Aventus-Vibe mit, was bei dem Parfümeur aber auch nicht weiter verwunderlich ist.

"Open Road" ist ein sehr leichter Duft, welcher meiner Meinung nach zur falschen Jahreszeit veröffentlicht wurde. Als Frühlingsrelease wäre er vermutlich deutlich besser aufgehoben gewesen, denn seine leichte und absolut niemandem auf die Pelle rückende Leichtigkeit ist wie gemacht für wärmere Temperaturen. Bei der derzeitigen Witterung geht er aber erst recht gnadenlos unter, und Räume wird man mit diesem Duft auch im Frühling nicht füllen. Auch die Haltbarkeit ist in Ordnung, aber mehr nicht. In der Preis- und Duftklasse gibt es derzeit deutlich sinnvollere Alternativen. Zum Discountpreis kann man sich die Anschaffung des Duftes aber durchaus durch den Kopf gehen lassen.

Abschließend bleibt zu sagen, dass "Open Road" nichts wirklich falsch macht, aber auch nichts besonders. Er reiht sich im oberen Mittelfeld in die Menge der frischen Düfte ein, mit denen der Markt überschwemmt ist, ohne ein plumper Klon zu sein. Irgendwie fehlt einfach das gewisse Etwas.

Doch seine Leichtigkeit, fehlende Tiefe und höchstens leicht überdurchschnittliche Performance sind, um positiv zu bleiben, wie gemacht für einen Flanker im Jahr 2023, an dem bestimmt schon gearbeitet wird. Ich tippe auf eine leicht dunklere Flüssigkeit, ein saftigeres Opening, stärkere Holzigkeit im Drydown, und etwas bessere Haltbarkeit und Sillage. Ein solcher Flanker wäre mir definitiv einen Blick wert.

1 Antwort
TomGehFord vor 1 Jahr 28 9
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Flakon
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Sillage
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Haltbarkeit
10
Duft
Ein Suchtgeständnis - aktualisiert nach Änderung der Duftpyramide
„bnib“ – brand new in box
„tint“ – gelb-grünliche Färbung
„grail“ – Gral (besonders guter Batch)
„vintage“ – Batches von 2010–2013

"Aventus" – Meisterwerk oder „Rasierwasser“?

Aventus wird selten so beschrieben, wie es ihm gebührt. Er ist kein Duft, den man blind kauft und sofort mag. Dafür hat er zu viele Variationen (dazu später mehr).
Er ist anfangs fruchtig-süß, aber manchmal auch nur zitrisch-säuerlich. Danach wird er holzig, ich meine rauchig, aber eigentlich auch nicht mehr. Manchmal riecht er dreckig. Er kann aber auch sehr floral sein. Hä?

Es gibt im Grunde nicht den "einen" Aventus - ihr wisst bestimmt schon, worauf ich hinaus will: Die Batchvariationen. Über die Jahre verteilt hat man im Grunde Unterschiede wie Tag und Nacht. Wieso die Schwankungen?
Geiz? Marketing? Oft werden die natürlichen Inhaltsstoffe und deren unterschiedliche Erntequalität als Grund genannt. Schuld sind aber auch mind. (!) vier Reformulierungen, die bis dato vorgenommen wurden (die letzte angeblich Ende 2019, aber auch dazu gleich mehr).

Im Folgenden sollen insbesondere die Unterschiede und die Entwicklung über die Jahre detaillierter aufgezeigt werden - Statements wie "Rasierwasser" sind nämlich vergleichbar mit "Ist halt ein Western" als Fazit zu "Spiel mir das Lied vom Tod". Leider sind viele Online-Marktplätze voll mit teils absolut professionellen Nachfüllungen oder Fakes, die man zum Teil nur an einem „o“ statt einer „0“ am Batchaufkleber erkennt, oder an der Art des geklebten Cellophans. Einige die hier von Rasierwasser reden, sind leider nie in den Genuss des originalen Aventus gekommen.
2010 begann die Reise, welche rückblickend für Hugo Boss 20 neue Bottled-Flanker gerechtfertigt hätte. Es war die Zeit des Rauches. Nein, eure 2014er bis 2022er Batches enthalten keinen Rauch mehr.

Wer Aventus damals nicht gerochen hat, hier eine beispielhafte Beschreibung des Batches 13Q02 (2013): Stellt euch vor, dass ihr eingesprüht mit einem Aventus der heutigen Tage, zwei Stunden lang am Grill steht. Euer Shirt riecht irgendwann völlig nach BBQ. Wenn sich der Geruch der fruchtigen Ananas mit dem BBQ-Rauch vermischt, habt ihr Aventus 13Q02 – quasi eine gegrillte Ananas. Der Birkenteer lässt grüßen. Genau dies ist mir mal passiert, als ich an einer Grillparty vorbeilief, eingedieselt mit Batch 19S41 (2019). Ich war sofort in 2013. Was für Erinnerungen!

Die Fans lieben das alte Zeug, und die Preise gehen bis ins vierstellige.
Es gab in den Jahren 2010 bis 2013 auch den Aventus im Stil „Aschenbecher“ – diese Batches waren besonders extrem und bestanden quasi nur aus flüssigem Rauch mit einem Ledertouch. Definitiv deutlich mehr Nische als heute. Die Performance war „stellar“. Eine brutale Sillage war keine Ausnahme.
Wer in der Community seine Flakons nach 2013 fälschlicherweise als „rauchig“ bezeichnet, wird daher sofort ge“teert“ und gefedert.

Mit der Zeit wurde das Thema „gegrillte Ananas“ aufgrund von Regulierungen abgehakt, und Aventus durfte „nur“ noch fruchtig bis holzig sein. Auch das Eichenmoos wurde reduziert. Ende 2019 traf es schließlich das Lyral. Dies bedeutet allerdings nicht, dass man nun „endlich“ identische Aventus-Batches hat. Nein, jeder Batch unterscheidet sich nach wie vor mehr oder weniger deutlich vom anderen, und umso mehr von den älteren. Selbst die Frucht zu Beginn kann gedimmt sein, so dass man einen „Darkventus“ wie z. B. Batch 17N01 erwischt. Ist die Vanillenote stark, spricht man von „bootybatches“ – in Anspielung darauf, dass Frauen darauf abfahren, z. B. bei 16A01.
Da z. B. diese Batches besonders beliebt sind, werden sie zu „grail batches“ ernannt und dürfen auch mehr kosten als andere.

Das Problem der negativen Bewertungen zur Performance bestand schon immer, allerdings völlig zu unrecht. AUCH HEUTE NOCH! Der Grund: Anosmie. Die Duftblindheit setzt bei manchen schon nach 15 Minuten ein, bei anderen nach zwei Stunden. Da eine Restwahrnehmung noch vorhanden ist, geht man von unterirdischer Haltbarkeit aus. Dem ist nicht so. Ich selbst nehme den Duft (auch meinen 2021er Batch) noch nach 12 Std. im Bett wahr. Allerdings riecht er in der Luft und für andere noch präsenter. Dies beweisen die Kommentare der Mitmenschen. Manchmal, zehn Stunden nach dem Aufsprühen, rieche man noch meine „Wolke“, behauptet ein Kollege. Dies freut mich natürlich. Gleichzeitig kann ich dies umgekehrt bestätigen. Kunden die den Aventus auch tragen, rieche ich teils noch eine Stunde nachdem sie bereits gegangen sind – ein verunsicherndes Phänomen, das zu Unrecht viele Haltbarkeitspunkte kostet! Ja, neuere Batches sind riechen nicht mehr so kräftig oder tief, aber der Performanceunterschied ist nicht so enorm, wie er oft scheint. Den richtigen Batch findet man nur durch das Testen von zig Abfüllungen. Ich habe derzeit zwei 2019er Batches in Nutzung (19P01 als Zitriker für warmes und 19S41 als holzig-fruchtiger Bomber für kühleres Wetter), und der Unterschied ist enorm.
-> Wichtig: Mind. 3-6 Monate reifen lassen. NIEMALS neu angebrochen bewerten! Aventus muss erst atmen und reifen.

Was die Preise angeht, so schwanken diese ständig. Brandneue Flakons kauft man grundsätzlich im Ausland, z. B. bei „noseparis“ oder "parfas". Hier zahlt man weniger als in D. Privatkäufe sind günstiger, doch oft genug legen Käufer für ihre Favoriten auch deutlich mehr hin. Das Preisgewusel ist spannend und knallhart.

Ein großes Problem sind Fakes, die selbst Profis erwischen können. Selbst wenn der Flakon echt, der Ring unter dem Sprühkopf aus Plastik und der Batchcode existent ist und die Verpackung keine weißen Ränder hat, sind Fälschungen möglich. Besonders oft gefaked sind die Batches 15X21, 16C01 (überall auf eBay!), 19P01 (mit fast perfekter Verpackung), 20B01 (es fehlt das „N“ am Ende), und viele weitere Variationen, wie z. B. Zerstäuber a 33 ml. Findige Gauner füllen originale Flaschen mit sogenannter „stray cat piss“ (also einer schwachen, gelblichen Duftflüssigkeit), so der scherzhafte Fanjargon, nach.

Nun zu einem wichtigen Knackpunkt: Reformulierungen im Sinne von Verwässerungen außen vor, wurde die Duftpyramide von Aventus im Jahr 2020 offiziell verändert. Rosa Pfeffer, Zitrone, Sandelholz, Ananas jetzt nicht mehr in der Kopf-, sondern Herznote... daher auch die so oft genannte, stärkere Zitrik im Opening. Man geht hier eindeutig auf Konfrontationskurs mit dem mächtigen Wilden aus Diors Haus. Die traurige Ironie dabei: Aventus hat diese Duftrichtung überhaupt erst geprägt.

Aventus ist meiner Meinung nach exakt so, wie ein Mann riechen muss – das dachte ich bereits im Jahr 2016 beim ersten Riechen, und auch heute noch - teils mit Abstrichen. Es ist die absolute Spitze, die definitive 10/10, der perfekte Duft, dank dem ich einst fast alle anderen Düfte verkaufen musste und nun deutlich im Literbereich des Batchsammelns angekommen bin. J.-C. Herault hat ein absolutes Meisterwerk kreiert und wurde von Creed dabei völlig ausgenutzt.

Mein Lebensvorrat besteht aus 2019er Batches (19P01, 19S21, 19S31, 19S41, 19U01, 19U11), von denen ich alle am liebsten noch foliert lassen würde.
Eine objektive Bewertung fällt mir trotz allem schwer, ich bitte um Nachsicht. Aventus bis 2019, ich liebe dich. Ein einst genialer Duft im Schatten seiner selbst, und TROTZDEM noch top.

Aventus, für immer.

Smell well.

Und nein ihr verdammten vultures, ich verkaufe nicht. (Insider der Community wissen Bescheid)
9 Antworten
TomGehFord vor 1 Jahr 20 2
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Flakon
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Sillage
7
Haltbarkeit
7.5
Duft
Es wird Zeit, Chanel...
"Blaue" Düfte - ob man sie auch "blau" nennen würde, wenn "Bleu de Chanel" zum Beispiel "Blanc de Chanel" heißen würde? Man weiß es nicht. Natürlich bezieht sich das "blau" auch auf den frischen "Duschgelfaktor" und die Farbe blau, welche man mit Aquatischem oder Sauberem assoziiert. Jedenfalls hat Chanel es im Jahr 2010 geschafft, mit "Bleu de Chanel" (Eau de Toilette) eine nicht enden wollende Welle an ebenjenen Freshies loszutreten, welche sich nach wie vor größter Beliebtheit erfreut. Es kam die Zeit der frischen, leicht holzigen, jederzeit und überall tragbaren Düfte, welche es nun auch in Unterkategorien zu finden gibt: frisch-süß (z. B. die Y-Reihe von YSL), frisch-würzig (Diors Sauvage-Linie), frisch-... you name it.

Nach dem ebenfalls sehr erfolgreichen (oder sogar erfolgreicheren und beliebteren?) Eau de Parfum im Jahr 2014 kam schließlich dieses Parfum hier auf den Markt. Chanel hat sich dabei strikt an die üblichen Regeln des Intensivierens der Duftkonzentration gehalten, um dem sehr zitrischen Charakter des EDT und teils auch EDP eine ordentliche Spur Reife und Tiefe zu verpassen. Klostein-Assoziationen sind spätestens mit diesem Parfum nicht mehr zu erahnen, denn die Zitrusnoten sind diesmal in eine samtig-holzige, sehr hochwertig wirkende Basis eingebettet, welche hier nun die Hauptrolle übernimmt. "Bleu de Chanel" ist erwachsen geworden. Seine Reife lässt nun wissen: "In der Ruhe liegt die Kraft". "Bleu de Chanel Parfum" ist nicht mehr so laut wie das ohnehin nicht sehr präsente EDP, sondern noch näher an der Haut - bedingt durch die Konzentration. Die holzig-weiche Basis hält durchaus ca. sechs bis sieben Stunden, vielleicht auch länger. Genau kann man das an sich selbst ja ohnehin nicht beurteilen. Dabei umgibt den Träger aber eben kein zitrisch-frisches, sondern eher ein angenehm anschmiegsames, holziges, leichtes Wölkchen, das absolut niemanden stören wird.

Es gibt wohl kaum eine sicherere Duftlinie als "Bleu de Chanel".
Auch dieses Parfum macht hier keine Ausnahme und ist so einfach zu tragen, dass man es nach all den blauen Weiterentwicklungen, Imitaten, Abwandlungen usw. mittlerweile sogar als etwas langweilig oder ordinär empfinden kann. Doch selbst wenn ich etwas Einfaches tragen möchte, kann "Bleu de Chanel Parfum" für mich sogar zu einfach wirken (einfach - nicht billig oder qualitativ schlecht!). Ist es trotzdem ein guter Flanker? Absolut. Ist es noch ein Trendsetter wie damals das EDT? Natürlich nicht - wie auch? Die Ur-DNA ist eindeutig identifizierbar. "Bleu de Chanel Parfum" ist kein identitätsloser, von Ecken und Kanten befreiter, weichgespülter Müll wie "H24" von Hermès, welches im besten Fall für geschlechtlich unschlüssige, am liebsten unsichtbare Bügelfans geeignet ist. Nein, es ist immer noch ein eindeutig männlicher Duft, ein Immergeher wie ein marinefarbener Anzug mit weißem Hemd, aber eben auch nicht viel mehr. Er wird nie schlecht sein, er wird nie nerven. Er wird immer der Prototyp bleiben. Aber reicht einem das auf Dauer? (Vielen tut es das, ich weiß).

Egal ob EDT, EDP oder Parfum - sicherer ist nur noch das Amen in der Kirche. Und diese "Sicherheit" ist meiner Meinung nach auch der größte Kritikpunkt. Klar ist die Performance nicht ganz dem Preis angemessen, da müssen wir uns nichts vormachen, aber auf 10 oder 20 Euro weniger kommt es ja auch nicht mehr an, wenn einem der Duft einfach gefällt. Das Parfum riecht für mich persönlich am hochwertigsten von allen drei Duftkonzentrationen. Ich denke, man hat aus der DNA bereits das Bestmögliche herausgeholt, ohne sie dabei zu stark von ihren Wurzeln zu entfernen. Und wenn man irgendwann nach einem "Zewa" statt Küchenpapier fragt, oder nach einem "Tempo" statt einem Taschentuch, dann weiß man, dass etwas verdientermaßen völlig standardisiert wurde. Dann kann es sein, dass es langsam Zeit wird für Änderungen.

Es wird Zeit, Chanel... nämlich für einen neuen Herrenduft. Auch wenn ihr euch mit euren wegweisenden Herrendüften immer Jahre Zeit lasst, so bin ich sicher, dass ihr erneut einen neuen Trend erschaffen könnt, so wie damals mit "Antaeus", oder "Egoiste", oder eben auch "Bleu de Chanel". Hauptsache, ihr geht nicht den modernen, minimalistisch-kastrierten Weg wie Hermès, sondern schafft eure eigene Moderne. Euch vertraue ich, genauso wie Dior im Übrigen auch. Polge gegen Kurkdjian. Eine nette Vorstellung.
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TomGehFord vor 2 Jahren 21 3
8
Flakon
8
Sillage
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Haltbarkeit
8.5
Duft
Die creedsche Segeltour
Sohn Erwin: "Papa, du hast doch mal von den Vintage-Fläschchen von "Erolfa" auf der Titanic erzählt. Müssten die nicht noch auf dem Wrack zu finden sein? Die könnten wir doch finden und für teuer Geld verkaufen."

Papa Olivier: "Mein Sohn, das ist doch eine uralte Marketinglüge. Du glaubst doch nicht selbst, dass "Erolfa" damals schon existiert hat?!"

Erwin: "Wie jetzt? Der Duft ist nicht hunderte Jahre alt?"

Olivier: "Hahaha. Nein, er wurde 1992 lanciert. Glaub doch nicht alles, was ich erzähle!"

Erwin: "Aber ich würde trotzdem soo gerne eine Segeltour über den Atlantik machen, auch wenn wir nicht nach der Titanic tauchen! Wir sitzen hier immer nur in unserer Villa und tun jeden Tag so, als würden wir im Labor Parfums per Hand mischen. Mir ist langweilig!"

Olivier: "Ich verstehe dich ja. Aber ich glaube nicht, dass es da, wo die Titanic unterging, viel zu sehen gibt außer Wasser, mein Junge."

Erwin: "Und wenn wir bisschen weiter links segeln? Zum Beispiel in der Karibik?"

Olivier: "Das können wir irgendwann mal machen. Aber ich beauftrage gerade einen Niemand, Herault heißt der Trottel, um "Aventus" zu entwerfen. Der soll in einigen Jahren rauskommen. Wir handeln gerade einen Vertrag aus, damit nur wir die ganze Kohle kriegen und er quasi gar nichts. Oder willst du irgendwann wie das Fußvolk auf eine öffentliche Schule gehen?"

Erwin: "Aber Papaaaa! Du hast mir versprochen, dass wir uns mal ein Segelboot ausleihen!"

Olivier: "ERWIN! Das ist zu teuer! Geh jetzt auf dein Zimmer, und arbeite verdammt nochmal an der Verwässerung von "Millesime Imperial!"

Erwin: *weint und rennt die sechs Etagen in sein Zimmer hoch*

Abends, einige Stunden später. Papa klopt an Sohnemanns Tür.
Olivier: "Hey Kleiner, tut mir leid. Es war nicht böse gemeint. Aber du weißt doch, wie wichtig der Gewinn für uns ist. Ich mache das alles doch nur für uns. "Aventus" wird ein Kracher, das beliebteste und beste Werk der Firma Creed! Dann verkauf ich das scheiß Ding, und wir können uns für viele Generationen zur Ruhe setzen!"

Erwin: "Ok. Machen wir aber trotzdem eine Segeltour?"

Olivier: "Wir können gern mit dem Boot auf dem See rudern gehen. Wäre das vorerst auch in Ordnung? Die Segeltour holen wir nach, sobald wir die Firma verkauft haben. Versprochen!"

Erwin: "Oh jaaa! Aber ich mag rudern, und der Marketingspruch fällt mir bestimmt auch ein!"

Kurze Zeit später:

"Virgin Island Water für Damen und Herren ist eine Hommage an ein Segelabenteuer, das Olivier Creed in Begleitung eines königlichen Paares und seinem Sohn in der Nähe von Ginger Island erlebte, einer unbewohnten Trauminsel der unter britischer Hoheit stehenden Virgin Islands.

Als Olivier Creed 2006 mit seinem Sohn und zwei königlichen Gästen durch den tiefblauen Sir Francis Drake-Kanal zu Ginger Island segelte, trugen ihm die Winde des Meeres eine besonders betörende Duftimpression entgegen. Verführerische Kokosnuss, Limette und Hibiskus lagen in der Luft und noch an Deck seiner Yacht notierte Olivier Creed die ersten Ideen für ein neues Parfum. Als er sechs Monate später in Paris den ersten Flakon mit dieser Kreation seinen königlichen Gästen präsentierte, tauften diese die Komposition spontan „Virgin Island Water“."

Ich hoffe, diese absolut wahre Entstehungsgeschichte von "VIW" hat euch gefallen. Es wurde nichts hinzugedichtet. Nur die Sidestory um das Monster von Loch Ness wurde entfernt, allerdings nur aus Platzgründen. Um das ganze aber noch halbwegs als "klassische" Rezension abzuschließen:

"VIW" ist ein Duft, der einen wirklich an einen Segeltörn in der Karibik mit Abstechern an diverse Strände erinnert. Kokosnuss (besonders die!), Limette und Rum rieche ich am meisten raus, allerdings habe ich auch einen Batch aus 2016 (16A01) - Creed-typisch sind hier Variationen durchaus möglich. Die Performance (Haltbarkeit UND Sillage!) ist bei mir enorm, mit drei Sprühstößen meinte ein Kollege schon: "Boah, es riecht überall nach Kokosnuss hier!" Für einen frischen Sommerduft ist das unglaublich stark! Er erreicht bei mir auch locker die zehn Stunden. Die Kokosnuss wirkt dabei nie synthetisch (auch wenn sie das ist) oder Kopfschmerzen erregend, sondern natürlich. Der Duft ist perfekt ist ausbalanciert zwischen frisch und süß, wobei die Kokosnuss ihm definitiv den Unisexvibe verleiht.
Man fühlt sich regelrecht an einen heißen Tag in der Karibik erinnert, mit Cocktail in der Hand, Klein Erwin am Strand spielend, die Palmen sich im Wind wiegend.

Bei neuen Batches ist Vorsicht geboten, da diese angeblich relativ schwach auf der Brust sein sollen. Grundsätzlich ist aber auch hier (wie bei allen Creeds) empfehlenswert, den Duft in einen Taschenzerstäuber abzufüllen und nur wenige Tage abzuwarten. Er wird dadurch deutlich tiefer, runder und langanhaltender - quasi Mazeration im Schnellprozess. Bei meinem 2021er "Aventus" mache ich das schon immer, und der Duft ist dadurch zu einer wahren Fruchtbombe geworden - im Vergleich zum zitruslastigen Flakonduft.
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