„Hier riecht´s ja wie bei Douglas“ oder wie ansteckend ist Parfümleidenschaft
Heute Morgen betrat eine Kollegin unser Drei-Mann-Büro und ließ sich zu oben genannter Verbalentgleisung hinreißen. Natürlich haben auch meine beiden Kollegen vor Verlassen des Hauses mal wieder den Duft aufgelegt, mit dem sie als Sieger aus dem täglichen Sillagewettkampf hervorgehen. Und vermutlich war die Bemerkung aufgrund der Duftkonzentration in der Luft auch nicht völlig unangebracht. Aber erstens weiß keiner von uns, wie es bei Douglas riecht, denn wir bevorzugen Blindkäufe im Netz, Abfüllungen bei Parfumo oder bestenfalls Mittagspausenbesuche bei Müller. Und zweitens hat uns der abfällige Unterton ihrer Anspielung so gar nicht gefallen, denn wir sind Parfumos mit Leib und Seele. Und das kam so…
Den Beginn meiner Duftleidenschaft kann ich tatsächlich relativ genau datieren. Vor mehr als 30 Jahren hat mir meine Jugendliebe das allererste Eau de Toilette meines Lebens geschenkt – Azzaro pour Homme. Heute ein Klassiker, damals anno 1987 der heißeste Scheiß. Ich würde meine damalige Reaktion eher nicht als ausufernd begeistert beschreiben. Denn mein Geld habe ich damals lieber für Platten und Klamotten ausgegeben, ein Deo hatte bis dato für den zweckmäßigen Wohlgeruch gereicht. Es war nur schwerlich vorstellbar, dass ich mal ein größeres Interesse für Düfte entwickeln könnte. Nun, es sollte anders kommen. Das zarte Pflänzchen sollte in den nächsten Jahrzehnten wuchern.
Ich kann mich noch ganz gut erinnern, dass ich in den Folgejahren Düfte wie Yves Saint Laurents „Jazz“ (im schwarz-weißen Plastikflakon), „Pasha“ von Cartier oder auch „Cycle“ von Otto Kern in meinen Besitz gebracht habe. Nach der Recherche bei Parfumo stellte ich dann mit stolz geschwellter Brust fest, dass ich offensichtlich schon damals mit der Mindestqualifikation eines Parfumos ausgestattet war. Ich würde allerdings lieber verschweigen, dass ein olfaktorischer Rohrkrepierer wie Gammon Exciting Amber ebenfalls zu meinen Dufteroberungen gehörte und dazu führte, dass ich im berühmten Kölner „Wartesaal“ an einem Freitagabend 1990 erstaunlich viel Platz zum Tanzen hatte.
Es gingen viele Jahre ins Land, bis ich mich 2018 hier angemeldet habe, weil ich auf der Suche nach einer Möglichkeit war, viele (Nischen)düfte kennenzulernen, ohne Haus und Hof verhökern zu müssen. Dem Erfinder des Souks möchte ich mit Füße küssender Dankbarkeit sagen, dass er sowohl meine Privatinsolvenz als auch das Ende meiner Ehe unwissentlich abwenden konnte.
Als ich 2011 meinen jetzigen Job antrat, traf ich dort auf einen ehemaligen Kollegen meines vorherigen Arbeitgebers. Im Verlaufe der Jahre stellte sich heraus, dass auch er eine gewisse Affinität zu Düften hatte, die ich durch meine unaufdringliche Penetranz zu einer ausgewachsenen Parfümsucht ausarbeiten konnte. Das war das erste Indiz dafür, dass dieses Laster aber offensichtlich auch ansteckend ist. Als dann 2016 ein weiterer Ex-Kollege aus früheren Zeiten zu uns stieß und unser heutiges Bürotrio vervollständigte, sollte sich meine Vermutung bestätigen.
Ich würde den letztgenannten Kollegen eher als uneitlen Menschen beschreiben, der nicht selten im Büro erscheint und mutmaßlich noch seinen Schlafanzug trägt (Schmutzfuss, bitte verzeih mir!). Durch die permanenten Parfümexkurse und damit einhergehenden Beschnupperungen seiner beiden Kollegen wurde auch er offensichtlich mit dem Virus infiziert, was zuletzt darin mündete, dass er bei ca. 30 Ebay-Auktionen von Parfüms ein Gebot abgegeben hatte, nachdem er hier zuvor zeitaufwändige Recherchen über die verschiedenen Düfte betrieben hatte. Am Ende des Tages wurde in diesem Chaos Jacques Bogarts „Riviera Nights“ leider doppelt bestellt, der aber so gut war, dass daraufhin ein Exemplar Einzug in meine Sammlung fand.
Am Rande sei bemerkt, dass wir alle drei mittlerweile Parfümbestellungen direkt ins Büro ordern und danach einige Tage im Auto verstecken, um sie später in einem günstigen Moment heimlich an unseren jeweils besseren Hälften vorbei ins Haus zu schmuggeln. Mein Schlafanzug-Kollege hortet seine Sammlung im obersten Regal seines Badezimmerschranks, weil seine Frau zu klein ist, um das Ausmaß seiner Leidenschaft erkennen zu können. Der andere Kollege setzt ausschließlich auf die altersbedingte Vergesslichkeit seiner Frau. Und ich erzähle glaubhaft und mit blumigen Worten, dass ich das meiste ja eh wieder als Abfüllung verkaufe. Herrlich…
Dass dieses wunderbare Hobby aber tatsächlich hochansteckend ist, weiß ich verlässlich seit ca. zwei Jahren, als ein neuer Kollege zu uns kam, der seinerzeit nur eine immer noch dreiviertel volle Boss Bottled Flasche besaß, die er 2009 als Geschenk erhalten hatte. Mittlerweile verbringt er Stunden bei Parfumo, hat seine Sammlung um mindestens ein halbes Dutzend Düfte erweitert und verflucht uns täglich ob unserer Mitteilungsbedürftigkeit hinsichtlich neuer Düfte. Nicht selten stürmt er morgens in unser Büro, streckt uns seinen Unterarm entgegen und befiehlt: „Riech mal!“.
Manchmal kommt auch er in unser Büro und sagt: „Hier riecht´s ja wie bei Douglas.“