Turandot
Turandots Blog
vor 6 Jahren - 06.11.2017
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Was mich schon eine Weile beschäftigt....

Ja, die Zeiten sind unruhig. Unsicherheit macht sich breit und manchmal ist man versucht, sich die Decke über den Kopf zu ziehen, um all das zu verdrängen, was sich an Nachrichten vor uns tagtäglich auftürmt. Ersatzweise greifen wir zu Süßigkeiten, oder kalorienärmer eben zu süßen Düften.

Als wir Kinder waren, da wurde uns der Gang zum Zahnarzt versüßt mit dem Versprechen, danach ein Eis zu bekommen oder der Halbgott in weiß hatte selbst ein Glas mit bunten Bonbons stehen, aus dem man sich zur Belohnung bedienen durfte. Vielleicht nicht ganz uneigennützig, denn so war der nächste Zahnarzttermin schon mal in Vorbereitung. Auf alle Fälle war uns Süßes immer Seelentröster, Beruhigung, heile-Welt-Vorspiegelung und somit immer positiv besetzt.

Offensichtlich müssen die Kinder in uns immernoch gepampert werden. Vielleicht greifen wir wohl deshalb so viel zu süßen Düften, dass den Parfumeuren gar nichts anderes übrig bleibt, als diese Sucht nach Süßem zu bedienen. Das geht so weit, dass wir doch tatsächlich Düfte als "lecker" bezeichnen, als ob wir sie trinken wollten.

Der ein oder andere von uns ist aber erwachsen und möchte verd..... nochmal Parfums, die nicht kindchengerecht an Karamellpudding oder Kirschmarmelade, Weihnachtsbäckerei oder Märchenstunde aus 1001 Nacht erinnern. Warum wird uns Liebhabern herber Düfte nur zugestanden, Düfte aus dem vorigen Jahrhundert zu benutzen um dann aber auch gleich mit "ältlich", "Vintage" oder schlimmerem tituliert zu werden. Ja warum bin ich denn auf der Suche nach Vintage-Düften. Doch nur, weil es für meinen offensichtlich für heutige Verhältnisse völlig verkorksten Duftgeschmack keine aktuellen Parfums mehr gibt.

Ich will durch einen Duft weder Beschützerinstinkte in Männern wecken, noch mir Angst vor der nächsten Tagesschau nehmen lassen. Im Gegenteil. Vielleicht will ich einen Duft, mit dem ich mich nicht an starke Schultern anlehnen will, sondern eher die Faust in der Tasche machen kann. Wenn ich wütend bin, will ich nicht nach Pudding duften. Und ich bin in letzter Zeit oft wütend.

Mir sind inzwischen die meisten ausgewiesenen Herrendüfte zu süß. Und nein, das hat nichts damit zu tun, dass ich schon ein wenig länger auf der Welt bin als die meisten Parfumos hier. Auch als ich jung war hatten die Männer kein Problem damit, wenn wir nach Paloma Picasso, Cabochard oder Magie Noir dufteten und sie brauchten weder Vanille noch sonstige Backzutaten in unseren Parfums, um uns begehrenswert zu finden. Vielleicht brauchen aber heute die Männer mit unseren süßen Düften ein Mittel gegen ihre Angst.....? Ich weiss es nicht, aber ich wünschte mir so sehr Licht am Ende des Tunnels zu sehen und nicht mit jedem neuen Duft den Wunsch nach Wasser und Seife zu spüren, weil schon wieder alles klebrig ist.

Liebe Parfumeure, hat nicht jemand von Euch den Mumm, mal gegen den Strom zu schwimmen und so wieder mal so richtig herbe elegante Parfums zu kreieren. Könnt ihr das überhaupt noch? Oder dürft ihr es vielleicht gar nicht?

Ich weiß, ich gehöre auf Parfumo einer Minderheit an und habe bewusst auch überzeichnet. Aber meine Freude an Düften hat deutlich nachgelassen, denn im Grunde bin ich nicht nur Rose/Oud überdrüssig, sondern was wir am "normalen" Mainstream bemängeln wiederholt sich für mein Empfinden in der Nische nur mit entsprechend höheren Preisen. Alle blasen ins selbe Horn und was erfolgreich ist, wird totgeritten. Und nun gönne ich mir ein Tröpfchen Knize Ten.






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