Was mich schon eine Weile beschäftigt....
Ja, die Zeiten sind unruhig. Unsicherheit macht sich breit und manchmal ist man versucht, sich die Decke über den Kopf zu ziehen, um all das zu verdrängen, was sich an Nachrichten vor uns tagtäglich auftürmt. Ersatzweise greifen wir zu Süßigkeiten, oder kalorienärmer eben zu süßen Düften.
Als wir Kinder waren, da wurde uns der Gang zum Zahnarzt versüßt mit dem Versprechen, danach ein Eis zu bekommen oder der Halbgott in weiß hatte selbst ein Glas mit bunten Bonbons stehen, aus dem man sich zur Belohnung bedienen durfte. Vielleicht nicht ganz uneigennützig, denn so war der nächste Zahnarzttermin schon mal in Vorbereitung. Auf alle Fälle war uns Süßes immer Seelentröster, Beruhigung, heile-Welt-Vorspiegelung und somit immer positiv besetzt.
Offensichtlich müssen die Kinder in uns immernoch gepampert werden. Vielleicht greifen wir wohl deshalb so viel zu süßen Düften, dass den Parfumeuren gar nichts anderes übrig bleibt, als diese Sucht nach Süßem zu bedienen. Das geht so weit, dass wir doch tatsächlich Düfte als "lecker" bezeichnen, als ob wir sie trinken wollten.
Der ein oder andere von uns ist aber erwachsen und möchte verd..... nochmal Parfums, die nicht kindchengerecht an Karamellpudding oder Kirschmarmelade, Weihnachtsbäckerei oder Märchenstunde aus 1001 Nacht erinnern. Warum wird uns Liebhabern herber Düfte nur zugestanden, Düfte aus dem vorigen Jahrhundert zu benutzen um dann aber auch gleich mit "ältlich", "Vintage" oder schlimmerem tituliert zu werden. Ja warum bin ich denn auf der Suche nach Vintage-Düften. Doch nur, weil es für meinen offensichtlich für heutige Verhältnisse völlig verkorksten Duftgeschmack keine aktuellen Parfums mehr gibt.
Ich will durch einen Duft weder Beschützerinstinkte in Männern wecken, noch mir Angst vor der nächsten Tagesschau nehmen lassen. Im Gegenteil. Vielleicht will ich einen Duft, mit dem ich mich nicht an starke Schultern anlehnen will, sondern eher die Faust in der Tasche machen kann. Wenn ich wütend bin, will ich nicht nach Pudding duften. Und ich bin in letzter Zeit oft wütend.
Mir sind inzwischen die meisten ausgewiesenen Herrendüfte zu süß. Und nein, das hat nichts damit zu tun, dass ich schon ein wenig länger auf der Welt bin als die meisten Parfumos hier. Auch als ich jung war hatten die Männer kein Problem damit, wenn wir nach Paloma Picasso, Cabochard oder Magie Noir dufteten und sie brauchten weder Vanille noch sonstige Backzutaten in unseren Parfums, um uns begehrenswert zu finden. Vielleicht brauchen aber heute die Männer mit unseren süßen Düften ein Mittel gegen ihre Angst.....? Ich weiss es nicht, aber ich wünschte mir so sehr Licht am Ende des Tunnels zu sehen und nicht mit jedem neuen Duft den Wunsch nach Wasser und Seife zu spüren, weil schon wieder alles klebrig ist.
Liebe Parfumeure, hat nicht jemand von Euch den Mumm, mal gegen den Strom zu schwimmen und so wieder mal so richtig herbe elegante Parfums zu kreieren. Könnt ihr das überhaupt noch? Oder dürft ihr es vielleicht gar nicht?
Ich weiß, ich gehöre auf Parfumo einer Minderheit an und habe bewusst auch überzeichnet. Aber meine Freude an Düften hat deutlich nachgelassen, denn im Grunde bin ich nicht nur Rose/Oud überdrüssig, sondern was wir am "normalen" Mainstream bemängeln wiederholt sich für mein Empfinden in der Nische nur mit entsprechend höheren Preisen. Alle blasen ins selbe Horn und was erfolgreich ist, wird totgeritten. Und nun gönne ich mir ein Tröpfchen Knize Ten.
Du sprichst mir aus dem Herzen. Leider sind die Parfümeure eingestellt, um den Profit der Firma zu steigern. Nur der Kundenwunsch zählt. Persönlicher Geschmack ist keine Kategorie. Ich kenne keinen Parfümeur, der sich im Angesicht der neu lancierten Düfte nicht zu Tode langweilt. Alles wird in "Consumer Tests" zum Einheitsbrei rund gelutscht. Dann die Restriktionen. Dabei haben wir Stoffe zur Verfügung, von denen frühere Generationen nicht mal zu träumen wagten. Wo bleiben die?
Das Gute heute ist, dass es viel mehr Auswahl gibt. Dadurch muss man länger suchen, aber das ist nun wirklich ein Luxusproblem. Sprühen wir gemeinsam "Sunday Cologne"? ;-)
Glücklicherweise habe ich genug Parfum in Vorrat, um die nächsten 30 Jahre zu überleben!
Ich bin kein Chypre-Fan, hätte immer gesagt, dass ich (unter anderem) süße Düfte mag... aber der aktuelle Trend ist mir auch zu viel. Ich bin ins, inzwischen ja recht süße, Herrensegment ausgewandert. Und bleibe sonst bei Lavendel, Harz und Holz in mittelsüß :-D
Gourmanddüfte sprechen mich wenig bis gar nicht an, nach Essen möchte ich nicht riechen und suche oft das Weite, wenn Menschen in meinem Umfeld sind, die eine dermaßen süße Duftwolke um sich tragen, dass es mir den Atem verschlägt!
Düfte mit Charakter sind immer schwerer zu finden!
Und ja, auch der Duft Mikrokosmos ist Trends unterlegen ....
Trotzdem war die Vielfalt und Verfügbarkeit noch sie no exorbitant (schon an Völlerei grenzend) wie zu dieser Zeit .....
Vielleicht riecht man den Duft vor lauter Parfums nicht mehr ?
Ältere Herren-Düfte sind mir wegen der Aldehyde oft nicht sooo angenehm, aber ich rieche sie an den Männern noch deutlich lieber als dieses süße Bonbon - Gediesel ;)
Ich bin deiner Meinung: nieder mit dem Süßkram (männlich oder weiblich) *ggg*
Am Wochenende war ich auf einen Familiengeburtstag. Was mir da entgegen kam, gehört wirklich verboten. Auf so engem Raum mit überwiegend Frauen: Mugler Angel, Alien, Rabanne Olympéa und 1 Million. Ich hat mich wirklich Überwindung gekostet, die Feier nicht zu verlassen.
Für mich ist ein Duft ein Stil- oder Ausdrucksmittel für meine Persönlichkeit oder eben für die Rolle, die ich heute einnehmen möchte. Wenn ich rosa Chiffon-Babydoll trage, nehme ich einen anderen Duft als wenn ich das kleine Schwarze oder das Businesskostüm oder meine Gothik-kluft oder meine Hippie-Jeans an habe.
Sollen doch die Massen LVEB & Co. tragen! Ich bin ich und trage MEINE Düfte. Wen juckts?
was für ein gelungenes Statement, ich kann Ihnen überall und gerne zustimmen! Egal wohin man kommt, ob ein Bummel in Regensburg oder mittags in unserem Casino am Klinikum - man glaubt immer öfter, in einer Großbackstube gelandet zu sein. Ich mag auch gerne mal einen kuscheligen Duft, aber den halt dann Zuhause. Und ja, auch ich will nicht wie ein Pudding riechen *g - noch dazu, wo es so wundervolle und geheimnisvolle Duftnoten gibt.
Danke für Ihren tollen Blog liebe Turandot!
Was mich viel mehr nervt ist die Permanentbeduftung mit pudrig süßer Vanille in der Öffentlichkeit. Privat kann ja gerne jede(r) müffeln wie er oder sie möchte. Aber eine Überdosis LVEB einen Arbeitstag um die Nase wehen zu haben ist für mich echte Folter. Da wünschte ich mir deutlich mehr Rücksichtnahme.
Aber ich kann Dich da verstehen..mich würde es auch ärgern...
Du ahnst es sicher, ich bin vollkommen deiner Meinung. Habe nur langsam den Mut verloren, mich über den aktuellen Zustand zu beschweren.
Ich vermute mal, sie können es nicht mehr. Die immer gleichen verwendeten Ester geben einfach nicht mehr her.
Danke für deinen Beitrag, das tut richtig gut!
Habe Deinen Blog gern gelesen!
Ich kann es gut verstehen, wie frustrierend es sein muss, wenn die eigene Vorliebe am Markt so gut wie überhaupt nicht mehr bedient wird, während es gleichzeitig mehr Parfums zu geben scheint als je zuvor.
Was die Angst vor der Tagesschau betrifft, da gibt es ein besseres Mittel als Parfum: einfach nicht anschauen ;)