Turbobean
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vor 2 Jahren - 31.12.2021
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Die wilden Elemente von parfumo.de

Was bedeutet eigentlich „radioaktiv“? Das ist eine der vielen Fragen, die ich mir auf einen der Zettel meiner Zettelbox notierte, um ihn dann zu den zweihundertfünfzig anderen Zetteln abzulegen, beschrieben mit Ideen und Fragen, die in einer kleinen Kiste auf Bearbeitung warten. Wenn mir danach ist, nehme ich mich eines Themas an. So wie heute.

(Diejenigen, die sich nicht für die Hintergründe von Radioaktivität interessieren, oder bereits alles darüber wissen, scrollen jetzt bitte weiter nach unten zum 2. Teil. Im Chemieunterricht hatte ich damals andere Sorgen, finde das Thema jetzt aber super spannend. Vielleicht geht es ja anderen ähnlich. Es ist wirklich faszinierend!)

Teil 1: Was bedeutet „radiokativ“?
Und was in aller Welt hat das mit uns Parfumixen zu tun? (Dazu später, im 2. Teil)

Es geht los: Plutonium ist radioaktiv. Uran auch. Das ist allgemein bekannt. Ich kenne zwar die Bedeutung von „hyperaktiv“, „inaktiv“ oder gar „scheinaktiv“ (in der Arbeit sehr verbreitet), aber nicht die von „radioaktiv“. Ich weiß nur, dass da eine Strahlung existiert. Und die ist irgendwie gefährlich. Aber was hat es eigentlich mit dieser Strahlung auf sich?

Folgendes habe ich recherchiert:

Jedes der 118 Elemente unserer Welt (z.B. Magnesium, Wasserstoff, Sauerstoff, Kalium, Gold, Silber, usw.) besteht aus Atomen (also Magnesium-Atome, Wasserstoff-Atome, usw.).

Diese Atome enthalten jeweils einen Atomkern. Der wiederum besteht aus einer bestimmten Anzahl Protonen (und Neutronen). Die Anzahl der Protonen bestimmt das Element. Hast Du zum Beispiel ein Kiloklumpen Atome mit 79 Protonen vorrätig, bekommst Du dafür 50.000,- Euro, denn es handelt sich um Gold. Hat Dein Kilo Atome aber nur ein Proton mehr (80), bekommst Du eine Menge Ärger beim Entsorgen, denn es handelt sich um flüssiges, giftiges Quecksilber.

Atomkerne sind in der Natur nicht veränderlich. Sie bleiben, wie sie sind. Silber bleibt Silber, und kann nicht zu Gold gemacht werden. Oft probiert, nie erreicht. Eine Ausnahme bildet das Plutonium (das Element mit den meisten Protonen) und seine gefährliche Verwandtschaft.

Plutonium-Atome enthalten eine dermaßen große Anzahl Protonen (94, und dazu natürlich jede Menge Neutronen), dass diese einen instabilen Haufen ergeben, der ständig am rotieren ist. Hin und wieder passiert es dann: ein Proton oder ein Neutron geht aus dem Haufen verloren. Wenn dieses dann aus dem Atom geradezu herausgeschossen kommt, nennt man das „Radioaktive Strahlung“. Aha!

Nach dem Verlust eines Protons entsteht ein neues Element, denn, ihr erinnert euch vielleicht, jedes Element wird ja durch die Anzahl seiner Protonen definiert. Plutonium wird dann zu Uran, Uran wird irgendwann zu Radon, Radon wird irgendwann zu Bismut (um die geläufigsten radioaktiven Elemente zu nennen), und wenn sich genügend Protonen gelöst haben, stabilisiert sich der Haufen wieder, verändert sich nicht mehr, und man nennt man das zuletzt entstandene, nicht radioaktive Element Blei (mit nur noch 82 Protonen). Interessant, gell?

Teil 2: Die wilden Elemente von parfumo.de

Warum erzähle ich euch das alles? Erstens finde ich das Thema wahnsinnig spannend und zweitens sehe ich eine Parallele zu uns Parfumixen. Sind wir nicht auch instabile Elemente? Während andere in sich ruhen und ein, zwei, drei Düfte ihr Eigen nennen, die sie ausschließlich, und relativ emotionslos benutzen, machen wir hier einen aktiven, veränderlichen, hoch energetischen Prozess durch.

Hier sind also die 11 radioaktiven Elemente und ihre Parfumix-Entsprechungen. Die davor stehende Kennzahl entspricht der Anzahl der Protonen. Es ist noch anzumerken, dass der Prozess der radioaktiven Veränderung rein zufällig einsetzt und keinem bestimmten Zeitplan folgt.

(Bitte verzeiht mir, dass ich hier nur die männliche Form „User“ verwende. Den Genderstern auf meiner Tastatur habe ich zerstört. Gemeint sind natürlich auch und insbesondere unsere liebreizenden Kolleginnen.)

94 Protonen: Das Plutonium.

Der Plutonium-User zeigt sich deutlich instabil. In ihm rumort es extrem. Getragen und getrieben von seiner nicht enden wollenden, neu entfachten Begeisterung, begrüßt er jovial jeden Mit-Parfumix im Ticker (den er noch recht regelmäßig mit der Parfumsuche verwechselt), vermeldet dort seine letzten Blindkäufe, beschwert sich über die Unzuverlässigkeit von Paketdiensten und gibt zu Protokoll, dass er sehnsüchtig auf den Postboten wartet, den er inzwischen mit Vornamen kennt. Seine Sammlung wächst schneller als ein Bambusstamm in der Regenzeit, und enthält bald alles was Rang und Namen hat. Seine zwei Katzen nennt er übrigens Tom & Jeremy.

93 Protonen: Das Neptunium.

Das Neptunium ist ausnahmsweise ein künstliches Element, das in der Natur gar nicht vorkommt. Es tut nur so, als ob es ein natürliches Element wäre, und der Neptunium-User tut ebenfalls nur so, als wäre er ein Parfumix. Er hat gerade eben so viele Punkte, dass ihm die verkäuferische Teilnahme am Souk gestattet ist. Sein Ziel sind günstige Angebote, möglichst mit vielen kostenlosen Beigaben, die er dann einzeln verticken kann. Seine Teilnahme an kostenlosen parfumo-Verlosungen kann als gesichert angesehen werden. Überhaupt reibt man sich ungläubig die Augen, wenn man feststellt, wie viele Neptunium-User es gibt, die in der Lage sind, joviale Antworten unter Verlosungs-Blogs zu verfassen. Und man wünscht sich, eine so beflissene Aktivität auch einmal in Blogs zu sehen, bei denen es nichts umsonst gibt (so wie dieser hier, hehe).

92 Protonen: Das Uran.

Der Uran-User hat am Ende eines turbulenten Quartals einen Blick auf seinen Kontoauszug geworfen, und dabei festgestellt, dass er mit den gezahlten Überziehungszinsen den neuesten Sauvage-Flanker hätte erwerben können. Das (und nur das!) gibt ihm zu denken. Er beschließt deshalb, seine Blindbuys auf Düfte mit einer Bewertung größer als 8.0 zu beschränken und hin und wieder vor dem Kauf eine Abfüllung zu testen.

91 Protonen: Das Protactinium.

Dem Protactinium-User kommen erste Zweifel, ob die Begeisterung eines Pirouetten drehenden Youtubers wirklich ein Garant für einen begeisternden Duft sein kann. Seine Fragen bedürfen einer gründlichen Klärung. Und weil ihm nicht nur die Beantwortung seiner Fragen wichtig ist, sondern weil er inzwischen auch als Individuum im Forum wahrgenommen werden möchte, eröffnet er viele neue Threads, statt die Forumssuche zu bemühen, was ihm User vom Polonium-Status abwärts oft übel nehmen, womit der Proactinum-User erste kleine Feindschaften schmiedet.

90 Protonen: Das Thorium.

Der Thorium-User weiß immer noch nicht, wer dieser Nod ist, traut sich aber auch nicht, zu fragen. Bei der Gelegenheit fällt ihm auf, dass er inzwischen ausreichend Erfahrung gesammelt hat, um einen eigenen Blog zu starten. Da seine bisherigen Parfumkäufe für mehrere Leben ausreichen, sieht er sich durchaus berechtigt, seine Erfahrungen mit dem interessierten Publikum zu teilen. Typischerweise erfolgen dann mehrere Blogeinträge innerhalb weniger Tage und danach herrscht erst einmal wieder Ruhe. Außerdem verfasst er regelmäßig Rezensionen, die er mit Phrasen beginnt, wie „ich bin kein Freund von großen Worten“ oder „andere können das gewiss besser als ich“, mit denen er eventuellen Schmähungen vorbeugt, nach dem Motto „ich hab‘s euch doch gesagt“. Bei der Identifikation von Zutaten orientiert er sich stark an der Duftpyramide.

89 Protonen: Das Actinium.

Der Actinium-User hat die erforderliche Punktzahl für verkäuferische Aktivitäten im Souk erreicht. Er trennt sich ungern von seiner gemachten Beute, sieht aber ein, dass ein Duft, den er nicht benutzt, irgendwie keine Daseinsberechtigung in seiner Sammlung hat. Seine Pinnwand füllt sich mit freundlichen Rückmeldungen über gemachte Verkäufe und beigelegte Proben. Selbstredend werden jegliche Verkaufserlöse in neue Düfte investiert, so dass die Größe seiner Sammlung zumindest stabil bleibt.

88 Protonen: Das Radium.

Die Welt der Wanderpakete und Tauschspiele ist für den Radium-User kein Buch mit sieben Siegeln mehr. Und durch den regen Austausch mit anderen Parfumos entstehen Kontakte, die einem Strohfeuer oft nicht unähnlich sind.

87 Protonen: Das Francium.

Der Francium-User hat Gleichgesinnte gefunden. Übereinstimmungen betreffen nicht nur den Duftgeschmack, sondern auch Denkweisen und vor allem gemeinsame Gegner. Nichts schweißt so sehr zusammen, wie ein gemeinsamer Feind. Dabei kann es sich um Mitforisten handeln, gerne aber auch um eine Duftmarke, bei dessen uneingeschränkter Verachtung man sich einig ist.

86 Protonen: Das Radon.

Der Radon-User hält inzwischen seine Sammlung auf dem neuesten Stand. Viel wichtiger ist aber seine Merkliste, denn es gibt Mitforisten, die anhand dieser Liste entscheiden, welche Probe sie ihm als Beigabe zu seiner wiederholten Abfüllungs-Bestellung zukommen lassen. Auf seiner persönlichen Seite findet man unter „Was ich nicht mag“ häufig Seitenhiebe auf ungeliebte Forumianer(innen). Sein Signaturduft wechselt nun nicht mehr monatlich. Er lässt das Forum wissen, wie viele Sprüher welchen Duftes er heute an welche Stellen aufgetragen hat, und kann auch bereits den Mitmenschen im Ist-es-ein-Fake-Thread hilfreich zur Seite stehen.

85 Protonen: Das Astat.

Der Astat-User beteiligt sich mittlerweile leidenschaftlich an Diskussionen darüber, warum die Haltbarkeit vieler Düfte in letzter Zeit so schlecht ist, welches der beste Xerjoff sei und welche Art der Aufbewahrung den kleinen Lieblingen am wenigsten schadet … unter Berücksichtigung des Wunsches, diese stets so nahe wie möglich um sich zu haben. Außerdem gibt er Tipps im Beratungsforum, die logischerweise Teile seiner Sammlung widerspiegeln.

84 Protonen: Das Polonium.

Der Polonium-User verfasst erste Einträge im Aufgebraucht-Thread. Ähnlich wie ein bekannter Food-Blogger seine geleerten Ramen-Schüsseln (und sich selber) mit dem Ausruf „crushed!“ würdigt. Nicht ohne den Hinweis, dass nun Platz für einen weiteren Flakon frei geworden sei. Im Allgemeinen ist der Polonium-User aber recht gechillt und flippt nicht gleich aus, wenn sein Lieblingshersteller einen neuen Flanker herausbringt. Auch wartet er mit einer Bewertung des Duftes, bis er diesen getestet hat. Selbst bei seinen meistgehassten Marken macht er mittlerweile den Praxistest, eher er dessen Neuerscheinungen ausführlich abkanzelt.

83 Protonen: Das Bismut.

Der Bismut-User ruht schon fast in sich selbst. In diesem Stadium gibt es auch häufig Quereinsteiger, die ihre Hörner anderswo abgestoßen haben, und jetzt erst parfumo.de beitreten. Hierbei sind zwei Typen feststellbar: Die Einen lieben alles, die Anderen lieben so gut wie gar nichts. Die Einen haben Sammlungen mit hunderten Düften, die sie alle lieben. Die anderen vergeben selten eine Bewertung über 6.5 an ihre tausend getesteten Düfte. Käufe werden von dieser Personengruppe äußerst zielgerichtet durchgeführt und möglichst zu Preisen, für die man die Flakons im Notfall auch wieder an einen User aufwärts von Radium verscherbeln kann.

82 Protonen: Das (nicht mehr radioaktive) Blei.

Wenn es etwas wie das Nirwana gibt, den Ort absoluter Glückseligkeit, der Blei-User hat ihn erreicht. Alles ist im Fluss, nichts stört mehr. Es gibt kein Verlangen nach Unmengen von neuen Düften. Die Sammlung ist angepasst an die eigenen Bedürfnisse, an Jahreszeiten, an Situationen und Stimmungen. Der Blei-User lehnt sich zurück und wundert sich, warum die Anderen so einen Stress machen (und vergisst dabei, dass er selbst einmal instabil wie ein Plutonium-Atom war).

Der Blei-User ist daher häufiger im Off-Topic Forum zu finden, wo er Zerstreuung sucht. Sein Herz hängt an parfumo.de und er ist froh, auf seiner Lieblingsseite hin und wieder auch einmal andere Themen besprechen zu können, zum Beispiel, was es zu Essen gibt.

So, oder so ähnlich geht es zu, bei den wilden Elementen von parfumo.de ;-)

Einen guten Rutsch und ein gutes, wildes Jahr 2022 wünscht Euch

Euer Turbo

Hier noch der Link zum spannenden Video über Radioaktivität, welches mich zu diesem Blog inspiriert hat:



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