Valrahmeh

Valrahmeh

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1 - 5 von 24
Valrahmeh vor 3 Jahren 19 9
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Duft
Der Tempel in der Flasche
Offensichtlich sollen die Düfte von Ella K Fernweh auslösen. Das ist in Corona-Zeiten ganz besonders fies, denn wer säße nicht gerne in der Ha Long Bucht beim Aperitif oder lauschte dem Schrei der Kalahari, was immer das ist. Ich war da nämlich mal, zumindest in der „miserable half“, also da, wo es trocken ist. Da schrie gar nichts, höchstens ein paar Nörgler in der Reisegruppe nach Wasser. Und vom Duft her würde ich auf Staub mit Sand tippen. Keine Ahnung, was Ella K alias Sonia Constant da gerochen hat. Vermutlich gar nichts, denn ihre Werbefachleute dürften sich diesen prätentiösen Kram vor dem Bildschirm ausgedacht haben. Aber hier geht’s ja um die Erinnerung an Daisen-In, also an einen wunderbar poetischen Tempel bei Kyoto. Der nach zarten Rosen duftet, so die Idee. Wenn man sich zehn Flaschen davon kaufte, hätte man immerhin schon den Gegenwert eines Tickets nach Kyoto, was bedeutend spannender wäre als Ellas teures Rosenwässerchen. Die Flasche sieht aus wie aus dem Drogeriemarkt, da hilft auch der schwere Verschluss nichts mehr. Parfümverschlüsse, die vom Gewicht her an merowingische Sargdeckel erinnern (Heeley, Different Company, etc) dürften allmählich doch out sein...
Und was ist drin? Der Duft ist eine zarte Rose, überall tragbar, durchaus frisch, sogar leicht bitter, was mich für den Duft einnimmt. Er schwebt angenehm im Raum, ist charmant und leichtfüßig. Kurz vor Gesichtswasser. Für Sommerkleider und Kostüme gleichermaßen geeignet, definitiv nicht für Jogginganzüge. Aber Daisen In hat nichts, was ihn von 100 anderen leichten Rosendüften unterschiede. Natürlich hält er lange, verändert sich nicht ins ranzig-blumige oder versackt auf der Haut seiner Trägerin. Nein, die Rose bleibt eine Rose bleibt eine Rose. Das hat seinen Preis für ein frisches, elegantes Rosenwasser ohne Alleinstellungsmerkmal. Dennoch: man kann damit nichts falsch machen, weder im Restaurant noch bei der Abendgesellschaft, noch bei Omas 80. Geburtstag noch bei seiner eigenen oder einer fremden Hochzeit. Man kann den Duft mit 18 und mit 80 tragen - und man kann sich damit zuschütten wie man will, er bleibt immer gleich zart. Vielleicht ist das sein Geheimnis: ein eingebauter Wumms-Reduzierer. Dieses Rezept könnte Ella/Sonia mal verraten. Es wäre ein Geschenk an geplagte Nasen, die an Angel, Samsara, Alien oder Amarige zugrunde gehen.
9 Antworten
Valrahmeh vor 5 Jahren 19 15
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Duft
Essensgeruch beim Inder
Müffelige Gerüche in Hotelschränken und abgestandene Kneipengerüche, die sich in Klamotten festgesetzt haben, bringen mich regelmäßig an den Rand des Todes. Kürzlich im Zug von Strasbourg nach Paris genoss ich 2 Stunden die olfaktorischen Überreste aus Zwiebeln, Munsterkäse, Speck und Qualm, die eindeutig einer elsässischen Flammkuchenbude entstammten. Und nun entströmten sie einer Jeansjacke, die direkt hinter meinem Kopf am Haken hing. Da der Zug voll war, konnte ich mich nicht umsetzen und band mir behelfsweise ein mit Chanel 22 eingesprühtes Seidentuch um die Nase. Obwohl in Frankreich die Gesichtsverschleierung verboten ist. Aber ich hätte gute Argumente dafür gehabt. Irgendwie taumelte ich nach knapp 2 Stunden am Gare de l'Est aus dem Zug und empfand sogar den staubig-süßlichen Metrogeruch als Erleichterterung. Das will schon was heißen, denn den hasse ich eigentlich auch. Zum Glück ging mein beruflicher Termin schneller vorbei als geahnt und so hatte ich unerwartet den Nachmittag frei. Also nix wie hin in den Palais Royal, in den Garten, an üblichen blöden Selfie-Touristen vorbei, unter die Arkaden - zu Lutens. Geschafft!!
Ich wollte mir El Attarine kaufen, keine Ahnung warum, vermutlich waren mir die subtilen Trockenfrucht-Noten in den Synapsen hängen geblieben.
In dem abgedunkelten Lutens-Lädchen wuselt immer eine bildschöne Verkäuferinnen-Madonna mit wallendem Haupthaar herum und sagt ihr übliches Sprüchlein auf: "Je peux vous aider?"
Ja, klar, El Attarine. Aber erst einmal musste ich die Neuheit des Hauses probieren, L'innomable, also das, was man nicht benennen kann, schwärmte die Madonna. Klang sehr vielversprechend.
Bis ich einen Spritzer davon auf die Hand bekam. Und mich fast übergeben hätte: Ein Teller Safran-Reis mit Curryhuhn beim Inder, dessen Geruch in einer Jeansjacke hängen geblieben ist. Ich war fertig, mir saß noch die Zugfahrt geruchstechnisch im Nacken, ich musste kurz vor die Tür, so ein zierliches automatisches Eisentürchen, die Verkäuferinnen-Madonna kriegte einen Schreck, ich atmete draußen tief durch und starrte in den Garten. Ich-will-keinen-Geruch-nach-Essen!! Verdammt noch mal.
Als ich wieder reinkam, belehrte mich die Madonna, das sei bestimmt das "Siam-Benzoe". Ich lächelte freundlich. Es hätte ja nix gebracht, ihr zu sagen, das sei wohl eher der Geruch einer in Curry gedämpften Siamkatze.
Also schnappte ich mein El Attarine und flüchtete. In dem schwarzen Edeltütchen fand ich auch mehrere Proben, darunter L'innomable. Die Madonna wollte mich wohl unbedingt bekehren.
Ein paar Tage später und nach überwundenem Klamottenmief sprühte ich es tapfer in die Luft. Nee, Leute. Wer will nach einem indischen Restaurant riechen? Geht überhaupt nicht.
15 Antworten
Valrahmeh vor 6 Jahren 28 11
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Haltbarkeit
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Duft
Nix ist mit Lippenstift
Ich liebe altes Zeug. Alte Bücher, alte Möbel, Handschriften, Hüte, Handschuhe und Fächer aus der Belle Epoque bis in die 50er Jahre. Bei alten Parfums bevorzuge ich allerdings nur die Original-Verpackung, denn ich hasse es, wenn mir ein öliger Tropfen umgekipptes Parfum auf die Finger tropft. Kürzlich fiel mir eine perfekt erhaltene, noch ungeöffnete Flasche Gin Fizz mitsamt Verpackung von 1960 auf dem Antiquitätenmarkt von Nizza in die Hände. Beim bloßen Betrachten der hellgelben Luftballons und der lustig verschnörkelten Schrift auf dem weißen Karton wehte mir die ganze duftige Leichtigkeit dieser Epoche entgegen, die ich nur aus Filmen kenne. Die junge Brigitte Bardot im bauschigen Sommerkleid in St Tropez, Grace Kelly im Mercedes Sportwagen auf der Grande Corniche, sie trägt ein rosa Top mit weißem Muster - oder Cécile, die junge, bösartige Hauptfigur aus "Bonjour Tristesse".
Doch zurück in die Neuzeit: Nach dem Urlaub fiel mir im Büro ausnahmslos alles, aber wirklich alles, sowas von auf die Nerven, ich brauchte Leichtigkeit, gute Laune und eine Belohnung - und bestellte mir kurzerhand blind in der Mittagspause im Internet "Lipstick on" von Margiela.
Der originelle Aufdruck "Chicago 1952" auf der Flasche hatte es mir angetan. Noch dazu "Replica"! Würde mir "Lipstick on" den Duft aus der Zeit der blonden Hitchcock-Heldinnen wiederbringen? Marnie? Oder Eve Kendall?

Ach je, nichts davon. "Lipstick" on eröffnet mit einer holzigen Rose, nicht übel, nicht zu süß, durchaus angenehm. Wie bei Guerlains "Kleinem Schwarzen", kommt bald nach der Rose aber dann ein sirupartiger Kirschlikör herausgekrochen, der sogar etwas mandelig-gourmandiges an sich hat.
Margiela, so geht das nicht!
Neiiiiin, schreit es in mir, genau das wollte ich nicht. Ich wollte kein pseudomodisches petite-robe-noir-Gedöns im Retro-Design, ich wollte einen alten, von mir aus auch klebrigen 50-er Jahre Kitsch-Duft. So eine Mischung aus Nierentisch, Tütenlampe und Marilyn Monroe mit pappig-roten Lippen in "Niagara". Und was mixt Margiela mir zusammen? Ein modernes Rosen-Kirschwasser.
Die Gegenprobe habe ich mit Lipstick Rose von Ralf Schwieger (Malle) gemacht. DAS ist ein klebriger, authentischer Lippenstift-Geruch! Darin sind Veilchen, Himbeere, weißer Moschus. Und er hält wie Pattex auf der Haut. Man kann ihn nach mehrmaligem Benutzen zwar nur noch schwer ertragen, aber Lipstick Rose ist ohne Zweifel ein gelungenes chemisches Experiment. Vor allem die Wachs-Note ist perfekt.
Nein, "Lipstick on" ist hingegen kein Parfum zum Träumen, mit dem man auf Zeitreise zu den schicken Blondinen der 50er gehen kann. Es ist modern und in der Gegenwart verankert. Wer einen ordentlichen Duft mit Rosen, Holz und Kirsch möchte, ist gut bedient, es ist absolut kein schlechtes Parfum. Aber weder mit 1952 noch mit "Lipstick" hat es irgendwas zu tun.




11 Antworten
Valrahmeh vor 6 Jahren 20 7
8
Flakon
4
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2
Haltbarkeit
10
Duft
Ich bin dann mal weg
Wein und Parfum haben ja vieles gemeinsam. Eine verschworene Klientel findet Geschmacks- und Duftrichtungen heraus, auf die ein normaler Mensch nie kommen würde und diese Klientel gibt auch noch eine Menge Geld für ein ephemeres Kunstwerk aus, das nur sie und ein paar Eingeweihte zu schätzen wissen. Und noch etwas haben Wein und Parfum gemeinsam: sie verleiten zu urlaubsbedingten Fehlkäufen.

Der eisgekühlte Rosé aus Ramatuelle, der auf der sonnendurchfluteten Terrasse in St. Tropez so zart und frisch geschmeckt hat, entpuppt sich auf dem Balkon in Hannover als flaches Gesöff, für das man keine 10 Euro pro Flasche ausgegeben hätte. So erging es mir mit Mediterraneo.

Auf meiner Italienrundreise, die sinnigerweise in Capri endete, konnte ich die Insel selbstverständlich nicht ohne eine Flasche aus dem Hause Carthusia verlassen. Das verlangt schon der Parfum-Anstand. Und so verfiel ich diesmal auf Mediterraneo, kein Wunder bei dem ständigen Zitronen-Reiz, dem man dort ausgesetzt ist: Zitronen bergeweise zum Frühstück, Zitronen im großen Marmorbrunnen im Spa, Zitronen in bunten Keramik-Schalen am Pool, Zitronen in Holzkisten in den Auslagen der Geschäfte.

Mediterraneo riecht genau so: wie aufgeschnittene, dicke, unregelmäßig gewachsene Zitronen mit knallgelber Elefantenhaut drumherum, die beim Aufschneiden so fest und schneeweiß ist, dass drinnen kaum noch Platz bleibt für allzuviel Saft. Dafür ein Saft, der aromatisch, frisch und noch nicht einmal wirklich sauer hervorquillt. Also Zitronen, die nichts zu tun haben mit den mickrigen, spanischen Industrie-Zitronen im gelben Netz im Supermarkt.
Die Dame bei Carthusia riet mit zur großen Flasche mit 100 ml, was sich als sehr nützlich erwies. Ich sprühte mich also kräftig mit Mediterraneo ein und war augenblicklich meine eigener Zitronenhain. Auch ein paar Minzestengel lagen im Zitronenhain herum. Als ich von mir selbst zitronig-minzig begeistert in Richtung Hotelterrasse zum Apéro einschwebte, dürfte ich noch ein paar Duftmarken auf der Treppe gesetzt haben, meine Familie roch hingegen - nichts. Oder nur sehr wenig. Nach einer Stunde gar nichts mehr. Bei mir entwickelt sich Mediterraneo überhaupt nicht, es ist da - und bald darauf schnell weg. Auf der Kleidung ist es nach zehn Minuten weg. Einfach aufgelöst, ausgepresst, weg.

Das ist sehr schade, da es ein wirklich unmittelbarer, frischer und echter Zitronenduft mit etwas Minze ist, der überhaupt nicht an Putz- oder Geschirrspülmittel erinnert (was Zitrus-Düfte ja manchmal so an sich haben).
Also eine Art Urlaubswein, der vor Ort großartig war und zu Hause nicht mehr viel Kraft aufbringt. Macht nichts, ich liebe Mediterraneo trotzdem, da es eine schöne Erinnerung ist und ich mir die Zitronen immer wieder gerne als Capri-Sehnsucht in die Hände und hintere die Ohren sprühe. Aber ohne diese persönliche Beziehung ist es wirklich nur ein nettes, sehr schnell verfliegendes capresisches Zitronenwässerchen.







7 Antworten
Valrahmeh vor 6 Jahren 59 14
9
Flakon
9
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10
Haltbarkeit
8
Duft
Eternity excuse
Es ist ja immer nett gemeint, wenn man von Bekannten, die wissen, dass man Parfums mag, ein Parfum geschenkt bekommt. Was diese freundlichen Menschen meist nicht ahnen können: Es gibt nichts Zickigeres als Parfumfreaks, die schon alles kennen. Die freuen sich eher über ein Stück Kernseife als über ein sinn- und zweckloses Mainstream-Düftchen aus Kaisers Drugstore.
So ging es mir kürzlich, als eine nette Kollegin sich mit einem Exemplar von Eternity Intense bei mir für eine Gefälligkeit bedankte. Mein erster Gedanke war: Gott sei Dank, nur 30 ml.
Vor allem hatte ich das Eternity-Original noch in der Nase, diese weiß-künstlichen Blüten, die sich vor 30 Jahren als freie Radikale von den Trägerinnen abzukoppeln pflegten und in den Einkaufsstraßen der Innenstädte ein grausames Eigenleben führten.
Überhaupt hatten damals die Düfte von Sophia Grojsman, allen voran Trésor, Paris und das besagt Eternity, die unangenehme Eigenschaft, nach dem ersten Sprühsstoß auf der Stelle die Lufthoheit zu ergreifen und stundenlang eine Feinstaub-ähnliche Existenz zu führen.
Und das hatte ich nun in intensivierter Form bekommen, grauenhaft. Doch bevor ich das Sprühfläschen weitergab, siegte die Neugier und ich probierte es aus.
Huch? Was war das denn? Keine trashigen Plastikblüten vom Mars, sondern da war eine solide Basis aus süßen und hölzernen Teenoten auszumachen, darüber hatte der/die anonyme Parfumeur/in eine pudrige Iris gelegt. Ich war platt. Das traf ja tatsächlich meinen Geschmack. Ein anfangs für grässlich gehaltener Mainstream entpuppte sich als tragbarer, sogar feiner und eleganter Duft, der wunderbar zu jedem gepunkteten Nachmittagskleid mit Rüschen und Spitze oder zu einem schlichten, meeresblauen Kostüm passt.
Wer auch immer diesen Duft entwarf, hat dabei ironischerweise genau das Gegenteil des aufdringlichen Originals hingekriegt. Eternity Intense riecht fast wie eine Entschuldigung, eine Art Eternity excuse: sieh her, wir können auch vornehm.
Also, ich habe den Duft behalten und trage ihn öfter, ich habe sogar schon ein Kompliment dafür bekommen (bei mir sehr selten der Fall) , ausgerechnet von einer deutschen Öko-Verkäuferin mit orangen Rastalocken in einem Naturladen : "Oh, dat is aber n jutes Paföng, wat Sie da ham."
Passt doch. Ein leicht holziger, leicht süßer, pudriger Iris-Duft, der vom grünen Öko-Laden bis zum edeln Nachmittagstee im Reids Palace auf Madeira keine Nase beleidigt. Mehr kann man von einem Tagesparfum kaum verlangen.
14 Antworten
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