Verbeene

Zuerst lugt das Blattgrün hervor; erdig, grün, strukturiert. Eilig folgt die Tuberosenblüte- cremig wie eine Lilie, eindringlich - beinahe etwas scharf und von einer schmelzenden Süße.
Dann gesellt sich Jasmin hinzu, der die Duftwolke schwerelos werden lässt.
Freesie und Orangenblüte liegen nur wie ein Farbhauch darüber, kaum einzeln zu erriechen.

Der Pfirsich ist genial dazu, er gibt fleischigfruchtige Wärme, die dem Süßen einen ernstzunehmenden Gegenpart erschafft.

Noch nie war Tuberose besser begleitet: alle Noten unterstützen ihre Schönheit und federn ihre Üppigkeit und Schwere elegant ab.

Sie war sehr schlank und bewegte sich wie ein langer Grashalm im Wind. Ihr Gang aufrecht, die Schultern ein wenig gehalten, die Füße geschmeidig und klein. Wenn sie dich anblickte, wanderte ihr Auge gern leicht seitwärts an dir vorbei, als testete es die Luft um dich herum.

Du kamst wohl ungelegen: der weisse Salbei duftete im Räuchergefäß, das Meditationskissen zeigte noch den Abdruck ihres Körpers... die konzentrierte Stille des Raumes hatte eine einladende Frische und eine distanzierende Rauchigkeit. Mit dem Rücken zu dir goß sie wortlos den Tee auf . Ihren sandfarbenen Seidenmorgenmantel zierten Kraniche und filigrane Gräser.

Eine Welt, in die du nur Zugang erhalten würdest mit größter Aufrichtigkeit.
Eine Welt voller Licht und Zartheit und Wunder, die du nur betreten könntest durch das schmale Tor der Wahrheit.....

Der Kelch glänzt matt in der Morgensonne. Die goldfarbene Flüssigkeit verströmt einen betörenden Duft
Alles ist darin: Himmel,Erde, Vertrauen, Zärtlichkeit, Erwachen,Labsal...
Du berauschst dich an der pudrigeherben Duftwolke von Iris. Darunter schwebt öffnend und belebend mit Pfeffer aufgehellte Kaffeewürze.
und dann geschieht ein kleines Wunder: der Raum öffnet sich weiter und voller Licht, frisch, mit zärtlichsten Blütentönen, die nie zu süß werden, wie ein unendlicher Himmel.
Später sendet die Erde Signale von Holz und Kräutern.
Nun bist Du mit allem glückhaft verbunden.....für viele Stunden.....

...fand sie diese leicht verstaubte kleine Schachtel. Sie blies über die Oberfläche und tausende kleine Staubpünktchen tanzten im Licht.
Sie öffnete sich ganz leicht. Briefe lagen darin... tintenbeschriebene dünne , schon bald zerfallende, gelbliche Bogen Papier.
Sie las und vergaß die Zeit: die Liebesgeschichte ihrer Großmutter, welche -bereits verlobt- dem Menschen ihres Herzens begegnet war und die nun torkelte zwischen Traum und Wirklichkeit, Angst, Leidenschaft und Vernunft.
Staubtrockene Iris , trockenes altes Holz, Papiergeruch konnten den immer stärkeren so lebendigen Rosenduft nicht überdecken, der aus allen sehnsuchtsvollen Worten strömte...
eine einsame, stolze Rose, voll erblüht, mit einem tiefdunklen , erdigen Hauch, Anflügen von Gras und Wasser

ein Hauch des Stolzes und des Verzichts...

Nun hörte sie die klagende Melodie, die unter Großmutters eisiger Disziplin erklang...

Vielfältig schimmernde Duftwölkchen, beweglich wie glitzernde Wellen
Verwoben, verzaubernd, verwirrend
Venedig
Vollkommenheit
Verfall
Verführung
Verzückung


Verse
"und an dem Neigenduft von Wein, den Blüten haben vor dem Sterben...."

darunter ein schlafendes Tierchen,
Nebel über dem Wasser
Ewiges und ganz Nahes