Volja

So oder so ähnlich klingt der Moment in dem man merkt, dass man seinen Duft gefunden hat, DEN Duft, der Moment, in dem es wohlig warm wird, man den Teststreifen am liebsten auffressen würde, sich im Duft suhlen will und ihn dann nie wieder sieht. Etwas in der Art ist mir mit diesem Schätzchen passiert. Aber ich kann schon einmal vorweg nehmen: Es gab ein Happy End!

Ich wollte nach Moskau auf Geschäftsreise fliegen und wie immer bin ich gerne etwas früher am Flughafen, um den Duty-Free-Parfums einen etwas längeren Besuch abzustatten. Dabei habe ich ihn entdeckt, den mysteriös-luxuriös und edel scheinenden Flakon "Amber Musc" (ganz ohne For Her). Aufgesprüht, schockverliebt und leider nicht mitgedacht. Ich bin ohne den Duft nach Moskau geflogen - wollte ich doch auf zusätzliches Gewicht verzichten - ich war natürlich in der Annahme, dass es sich um einen "neuen" Narciso handelt, den ich nach Rückkehr problemlos überall bekommen würde. Ende der Geschichte: Ich war erfolglos auf der Jagd in Singapur, Jakarta, London und habe ihn schlussendlich in einem Pariser Sephora ergattern können. Gott sei Dank!

Jetzt aber zum Duft: Ich kann es kaum beschreiben, was er in mir auslöst. Wenn ich mich mit ihm umhülle wird mir sofort warm, Orangenblüte und Moschus sind eine unwiderstehliche Liaison, die mysteriöse Bilder von Gewürzmärkten im dampfend warmen Marrakesch hervorrufen, Oud löst ab und macht es dunkel, funkelnd, glänzend bis irgendwann die Basis von sehr zarter Vanille und kuscheligem Amber übernehmen und stundenlang für Furore sorgen.

Es gab bis jetzt keinen Tag an dem ich diesen Duft getragen habe und nicht mindestens einmal darauf angesprochen wurde. Die Sillage ist außergewöhnlich, die Haltbarkeit überdurchschnittlich, ich nehme in nach einem 10-Stunden Tag noch locker auf dem Mantel wahr. Über den Flakon brauchen wir nicht sprechen - wunderschön gold-glänzend und ganz dem wunderbaren Narciso-Konzept folgend. Ich liebe es, dass die Parfums alle nebeneinander aufgereiht einfach nur schmuck aussehen.

Mein 100ml Flakon neigt sich langsam dem Ende, ich befürchte schlimmes, denn ich glaube, dass es wirklich eine Limited Edition war. Vielleicht muss ich aber auch nur mal wieder nach Moskau ...

Im ersten Moment: Wuchtig, synthetisch, sperrig. Dann kommt etwas unsympathisches hinzu. Und irgendwann ist er sauber, rein, sahnig, cremig und bleibt. Und das für mindestens 5 Stunden.

Das Interessante sind die Gegensätze, die auf den ersten Blick so gar nicht zusammen passen wollen. Die Würze, die gleichzeitig natürlich und synthetisch ist, danach die volle Wucht aufdringlichen Holzes, welches sich langsam in Luft auflöst und absolute Sauberkeit hinterlässt. Von sahniger Crème bis hin zu leichtem Puder bleibt eine warme Wohnlichkeit zurück, die ganz am Ende sogar fast weiblich süß erscheint.

Ich bin etwas hin- und hergerissen, was ich davon halten soll. Ein bisschen wie bei einem reinen, weißen Hemd, bei dem man kurz bevor man das Haus verlässt einen klitzekleinen dunklen Fleck entdeckt und sich dann fragt "umziehen oder durchziehen?". So ganz objektiv kann ich dem ganzen allerdings auch nicht entgegentreten - ich bin ausgemachter KORRES-Fanatiker und liebe die Marke und Produkte sehr.

Abschließend kann man jedoch sagen: Überraschend, anders, speziell und vor allem kein Allerweltsdüftchen.

Eintauchen. Abtauchen. Splash! Ocean Wet Wood ist irgendwie Sommer und Winter, irgendwie rein im Herzen, aber doch auch süß im Kopf. Was man normalerweise von zitrischer Frische kennt, wird hier von etwas anderem dominiert - Wasser bleibt, Holz auch - eine perfekte Verbindung von flüssigen und festen Elementen.

Immer wieder kommt mir das Great Barrier Reef in den Kopf - jedoch weniger türkis und warm, sondern eher gepaart mit Ostsee-Nebelschwaden und knackiger Kälte.

Leider ist die Haltbarkeit nicht so hartnäckig, kommt eher wie ein zaghafter Windstoß daher.

Alles in allem sehr solide, ein treuer Begleiter, wird bei mir auf der ewigen Bestenliste stehen - ein Duft, der auch immer wieder andere verzaubert, auf den man angesprochen wird, der Interesse weckt, der aber auch wenig polarisiert. Für Aquatiker eine wahre Wonne!