Xmichaelax

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Rezensionen
Xmichaelax vor 7 Jahren 10 4
8.5
Duft
Weisse, glitzernde Schneeflächen; Schnee in der Luft und ansonsten Stille....
Die Marke 4160 Tuesdays ist mir, das möchte ich vorausschicken, absolut symphatisch. Klein, aber fein, experimentell und innovativ und immer auch etwas schräg - was sich eben auch an den phantasievollen Titeln der Kompositionen zeigt. Da ich ein Mensch bin, der auf (Wort)Bilder anspringt, rief der Parfumname vor meinem geistigen Auge ungefähr diesen Film hervor:

Weisse, glitzernde Schneeflächen;
Schnee in der Luft und ansonsten Stille;
Baumstämme in hellem Beige (dieses imaginäre Bild kennt keine dunklen oder satten Töne);
und anschließend Zoom auf die besagte Hirschkuh.

Wie sich dieses Bild mit dem Pfirsich-Aldehyd in Einklang bringen lässt, war mir zwar nicht klar - aber ich wollte es wissen und habe den Duft blind bestellt. Pfirsich als prominente Duftnote kenne und liebe ich in Mitsouko und Rose Barbare von Guerlain. Aldehyde mag ich meistens ebenfalls - was sollte also schief gehen?

Nun, erfahrene Blindkäufer wissen, dass da noch ganz viel schief gehen kann; aber diesmal wurde mein Wagemut belohnt. Die Hirschkuh im Schnee stellte sich mit ihrer eisigen Anmutung als wunderbarer Hochsommerduft heraus. Transparent-wässrig-kühl und -trotz wahrnehmbarer Sillage- niemals aufdringlich.

Bei sommerlich hohen Temperaturen war die Fruchtigkeit des Pfirsichs deutlich wahrnehmbar; bei den nun kühleren Temperaturen zeigt sich diese Note weniger, dafür tritt der Tee deutlicher hervor. Insgesamt erinnert mich die Wässrigkeit etwas an L'Eau von Serge Lutens, wobei bei Lutens die blumige Note (Magnolie) für mich prominenter ist und der Dufteindruck ingesamt flacher, linearer und auch etwas synthetischer. Doe in the Snow ist, wie alle Düfte von 4160 Tuesdays, relativ hoch konzentriert; eine störende Synthetik (die Aldehyde zähle ich jetzt nicht dazu) nehme ich nicht wahr. Gegenüber L'Eau emfinde ihn präsenter in seiner räumlichen Ausdehnung. Damit meine ich nicht die Sillage, sondern das Gefühl für den -auch geistigen- Raum, den ein Duft erobert.

"Doe in the Snow" spielt mit dem Wiederspruch zwischen dem kühlen, sauberen Anteil und einer im Hintergrund versteckten, ganz dezenten Animalik, einer leisen Ahnung von sauberen Fell. Da huscht also tatsächlich ab und zu eine Hirschkuh durchs Bild; wobei sich der Eindruck olfaktorisch vermutlich aus dem enthaltenen Leder, Tee und Eichenmoos zusammensetzt. Dieser Anteil am Duftgeschehen holt den Duft aus eher immateriellen Spähren (schmelzender Schnee, Eiskristalle) auf die Erde zurück. Wie Angua schon schreibt, dockt dieses Parfum bei den Chypres an, definiert das Geschehen allerdings ganz neu und sehr modern.

Das ist spannend und kunstvoll und trotzdem tragbar - und erfüllt damit zwei Ansprüche, die ich an meine Lieblingsparfums stelle. Wie schön, dass ich durch dieses Forum meinen Dufthorizont dahin erweitern konnte!
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