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loewenherz’ Blog
vor 7 Jahren - 23.06.2017
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Wider den Ersatz

Es scheint manchen Menschen - und ich denke manchmal: in diesem Land hier ganz besonders vielen - ein zutiefst innewohnendes Bedürfnis zu sein, sobald sie etwas Schönes gefunden haben, sich sofort auf die Suche nach einem billigeren Ersatz dafür zu machen. Nicht den Artikel ihrer Begierde möglichst günstig irgendwo zu finden. Sondern Ersatz. Schlimmstenfalls gefälschte Gucci- oder Louis Vuitton-Handtaschen (und man erkennt es wirklich immer - wenn nicht an der Tasche selbst, dann spätestens an ihrer Trägerin), 'harmlosenfalls' Düfte vom Discounter oder aus der Drogerie, die ganz unverhohlen damit werben, dass sie wie X oder wie Y riechen. Und dann ist da so etwas zu lesen wie 'duftet nur in der Kopfnote ein bisschen anders und hat ein bisschen weniger Tiefe und Substanz in der Basis, aber kostet dafür nur zwanzig statt zweihundert Euro - Super-Preis-Leistungsverhältnis, finde ich!' Und ich bin immer wieder verblüfft, wie völlig anders Konsum doch erlebt und wahrgenommen wird.

Es geht mir nicht um den Preis. Es geht mir nur um echt. Ich habe "Lancaster (Eau de Toilette Concentrée)" in meiner Sammlung, der um die fünfundzwanzig Euro gekostet hat. Ich hab' ihn weder trotzdem, noch deswegen gekauft. Sondern weil das ein schöner Duft ist. Und ich trage ihn nicht anders als einen Tom Ford Private Blend, der das Achtfache kostet. Aber sie alle sind echt, Original. Kein Fake, kein Dupe, kein zweitklassiger Ersatz - was für eine Pest alle miteinander! Ja sicher, ich lebe - wie wohl die allermeisten hier - ein einigermaßen privilegiertes Leben - und einen Duft (oder irgendetwas anderes) bewusst nicht zu kaufen, obwohl man weiß, man könnte, wenn man wollte, fühlt sich anders als, als wenn man das nicht kann, schon klar. Aber nur das zu kaufen, was man wirklich und tatsächlich haben möchte - und vielleicht sogar ein bisschen drauf zu warten - und keinen zweitklassigen Ersatz, der sich 'so ähnlich anfühlt', das fühlt sich so viel richtiger und wunderbarer an.

Warum muss immer alles jetzt sofort sein? Warum immer nur 'Hauptsache billig'? Ich habe in meinen ganzen Zwanzigern keine Armbanduhr getragen, weil ich schon damals fand - und immer noch finde: lieber gar keine Uhr als ein billiger Ersatz für eine, die man eigentlich viel lieber haben will. Ich habe Schuhe, die zehn Jahre alt sind und schon viele Male neu besohlt wurden und neue Absätze bekommen haben - bei guten Schuhen lohnt sich das. Und deswegen kaufe ich mir lieber zweimal im Jahr ein Paar gute Schuhe als zehnmal zweitklassige. Und schließlich: wenn man in Moni oder Tom verliebt ist, geht man ja auch nicht stattdessen einfach mit Susi oder Jörg nach Hause - nur weil Susi und Jörg gerade leichter verfügbar oder 'billiger' sind. Kann man schon machen, klar - aber dann muss man auch damit leben, wie sich das eben anfühlt. Nämlich immer 'nur' nach Jörg und Susi - und es beschmutzt und beschädigt vielleicht sogar ein bisschen, was Tom und Moni für uns eigentlich mal waren.

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