Apicius
4
Deutschlands größte Parfümerie?
Schon vor Jahren hat mir eine begeisterte Parfum-Promoterin, die ich bei Beck in München traf, von Schnitzler vorgeschwärmt. Dies sei das größte Parfumgeschäft überhaupt und dort bekomme man „alles“. Mit entsprechender Neugier bin ich eines Samstags hingefahren.
Wenn man zu Schnitzler geht, muss man gut zu Fuß sein. Nicht, weil der Laden so groß wäre, sondern weil sich das gesamte Sortiment auf drei Filialen rund um die Königsallee verteilt. Schnittmengen mag es geben, aber man kommt nicht umhin, alle drei Geschäfte zu besuchen, wenn man sich ein Bild machen will.
Immerhin: es gibt sehr viel, aber doch nicht alles. Ich hatte mir vorgenommen, nochmal Teck von Molinard zu testen. Zugegeben, ein seltener Duft – Fehlanzeige!
Aber man soll nicht kleinlich sein. Schnitzler ist vor allem eines von drei Geschäften in Deutschland, das die exklusiveren Düfte von Guerlain verkaufen darf. Die runde Parfumbar in der Filiale im Breidenbacher Hof ist eine Augenweide. Wie so etwas ausschaut, kann man auf der Webseite von Guerlain sehen. Und so bekommt man im charakteristischen „Bienenkorbflakon“ Chamade pour Homme, Vetiver pour Elle, Derby, L’Ame d’un Hèros, Mouchoir de Monsieur, Eau Imperiale und anderes. Doch leider fand ich auch hier nicht die diversen Habit Rouge Varianten, die Guerlain zu diesem Erfolgsduft regelmäßig herausbringt: Habit Rouge Legère, Sport, Metal, L’Extrait etc. Und das liegt an Guerlain. Man muss – falls man überhaupt eine Bezugquelle findet – blind bestellen bzw. nach Paris fahren. Sehr schade, aber kein Vorwurf an Schnitzler. Immerhin scheint es möglich zu sein, über Schnitzler diese Düfte zu ordern.
Die Filiale im Breidenbacher Hof gefällt mir am besten. Das liegt sicher auch an Guerlain; aber sie schien mir auch weniger überlaufen (ich war samstags da), und die Atmosphäre war etwas gediegener und eleganter. Auch das Personal schien mir hier kompetent zu sein.
Das war in den anderen Filialen nicht so der Fall. Vielleicht zeigt sich hieran, dass der alte Herr Schnitzler sein Geschäft längst an Douglas verkauft hat.
Stand: 2010
_____________________________________________________________________
Update März 2011:
Schnitzler hat die Filiale in den Schadow Arkaden umgebaut; ich war gestern da. Alles wirkt nun viel aufgeräumter. Statt eines zugestellten Durcheinanders von Flakons vom Fußboden bis zur Decke, werden nun vor allem die Parfums der großen Serien des Hochpreissektors präsentiert.
Da stehen dann fast alle Tester einer Marke hübsch aufgereiht und anzuschauen gruppiert in halber Augenhöhe. Darunter sorgt ein vertikaler Balken im Regal zusätzlich dafür, dass das Auge etwas Ruhe und Halt findet. Über und unter den Testern - also etwas am Rande des Gesichtsfeldes - befinden sich die zugehörigen verpackten Parfums. Die Verkaufstheken vor den Regalen sind verschwunden.
Natürlich hat Douglas - denen die Schnitzler Parfümerien mittlerweile gehören - mit Blick auf den Umsatz alles richtig gemacht. Der Kunde fühlt sich nun weniger erschlagen. Statt eines chaotischen Überangebots findet er klarer definierte Bereiche. Die zusammenstehenden Tester jeweils einer Marke machen darüber hinaus ordentlich was her.
Doch als Parfumfreund kann man sich über die Veränderung nicht freuen. Der Umbau war lange geplant - im Vorfeld konnte man unfassbare Schnäppchen tätigen. Denn Schnitzler hat sich schlicht von einem bedeutenden Teil des Sortiments getrennt. Den Verkäufern bei Schnitzler muss dies in der Seele weh getan haben.
Schnitzler galt mal als die einzige Parfümerie Deutschlands, in der es einfach "alles" gab. Parfumfreunde, aber auch Verkäuferinnen und Verkäufer anderer Parfümerien bekamen einen verklärten Gesichtsausdruck, wenn man von Schnitzler sprach - "Da müssen Sie hin!", lautete allerorts die Botschaft. Das erreicht zu haben, darf man dem Gründer und Namensgeber Frank J. Schnitzler durchaus als Lebenswerk anrechnen.
Schnitzler in den Schadow Arkaden ist immer noch eine großartige Parfümerie, die jeden Besuch lohnt. Doch den Pokal für das umfassendste Angebot wirklich anspruchsvoller Düfte hat Douglas wohl nun doch erkennbar an die Fa. Wuchsa und den Onlineshop Ausliebezumduft abgegeben. Die Reduzierung und die Bevorzugung großer Linien, gegen Vielfalt im Hochpreissegment, haben jüngst vor allem die Apropos-Stores eingeläutet, die ebenfalls vor allem große Linien in schickem Ambiente präsentieren. Das alles geht zulasten einer Parfumkultur, in der Vielfalt und Individualität mehr zählt als Massenabfertigung von Konsumenten.
Hoffen wir das Beste für die Zukunft!