11.01.2012 - 06:26 Uhr
Profumo
284 Rezensionen
Profumo
Top Rezension
27
Requiem für ein großes Chypre
Vorweg: das gute alte „Profumo“ ist nicht mehr. Entgegen anderslautender Meinung, hat der neue, gleichnamige Duft von Acqua di Parma so gut wie nichts mit dem alten von 1930 gemein, sieht man von dem wunderschönen Art-Deco-Flakon einmal ab, in diesem steckte „Profumo“ nämlich schon immer. Nur hatte er früher keinen Pump-Zerstäuber und ruhte auch nicht in einer elfenbeinfarbenen, quadratischen Box, sondern in einer bordeauxroten.
2008 lanciert, ist das neue „Profumo“ ein fruchtig-blumiger Orientale (mit dezenten Chypre-Facetten), den die Parfumeurin Nathalie Lorson meisterhaft in Szene gesetzt hat – ihm gebührte eine eigene Besprechung, da die völlige Neu-Schöpfung durchaus ihre Meriten hat.
Ich will mich hier jedoch mit dem originalen Duft beschäftigen, nicht nur weil er mein Eigen ist, sondern weil ich ihn auch für einen ganz besonderen und vor allem außergewöhnlich guten Duft halte. Daher bedaure ich es auch sehr, dass Acqua di Parma vor wenigen Jahren beschloss diesen Duft nicht mehr zu produzieren und statt seiner einen gänzlich neuen Duft zu entwickeln – es wäre nicht nötig gewesen. Der alte war so gut und der neue ist kaum schlechter, dass durchaus ein gemeinsames Dasein gerechtfertigt gewesen wäre. Ich vermute aber, der wahre Grund der Einstellung des Originals ist vor allem in den umfangreichen Regulierungsvorschriften seitens der IFRA zu finden. Es wurden nämlich nicht nur, wie allgemein bekannt, das für Chypre-Düfte essentielle Eichenmoos inkriminiert, sondern ebenso bestimmte Zitrus-Verbindungen, manch Rosen-Öl, Jasmin, Peru-Balsam, ja sogar Lavendel und vieles mehr.
Von all dem hatte das alte „Profumo“ jede Menge und noch allerhand mehr: über 300 Ingredienzien soll er beinhaltet haben, so jedenfalls lautete jahrzehntelang die Mär.
Vermutlich war in der ursprünglichen Formel auch der ein oder andere Inhaltstoff, der heute entweder kaum mehr zu haben, oder wenn dann sagenhaft teuer ist. Manche Inhaltstoffe dürften allerdings schon zu beginn der 70er Jahre ausgetauscht worden sein, so z.B. bestimmte Nitro-Moschus-Verbindungen, ohne die zuvor kaum ein Duft auskam. Anfang der 90er Jahre wurde dann schon einmal die prozentuale Verwendung des Eichenmooses limitiert, zur Jahrtausendwende dann abermals herabgesetzt, um wenige Jahre später im Grunde komplett verboten zu werden.
Harte Zeiten für die großen alten Chypres à la „Mitsouko“, „Femme“ de Rochas, „Miss Dior“, „Pour Monsieur“ von Chanel, „Parure“ und eben auch „Profumo“. Mancher Duft überlebte den tiefen Eingriff, mancher leider nicht. Jene die ihn überlebten, waren jahrelang nicht wieder zu erkennen und erst heute, wiederum einige Jahre später, nachdem zufriedenstellende synthetische Substitute entwickelt wurden, kann man langsam von einer Annäherung an einen halbwegs originalen Zustand sprechen.
Vielleicht wird der Tag kommen, an dem sich Guerlain entschließen wird „Parure“ und vielleicht auch „Djedi“ wieder aufleben zu lassen; „Profumo“ aber wird vermutlich verschwunden bleiben – ein andere Duft hat seine Stelle eingenommen, während „Parure“ und „Djedi“ Leerstellen hinterließen.
Die Hoffnung aber werde ich nicht aufgeben, dass Acqua di Parma sich doch eines Tages entschließen sollte den Klassiker wieder aufleben zu lassen, meinetwegen mit dem Hinweis „Profumo vintage“ oder „Profumo 1930“, oder wie auch immer.
Doch wie war das alte „Profumo“?
Es war, wie schon gesagt, ein Chypre-Duft - und was für einer! Fruchtig, bitter, rauchig, floral, harzig, balsamisch, moosig. Wollte man eine zum Duft passende Farbe wählen, so war das dunkle Rot der Kartonage durchaus angebracht. Dieser Duft war eine Robe, eine schwere dunkle Robe. Neumodische Transparenz und Schleier-ähnliche Leichtigkeit waren ihm fremd. Stattdessen: Opulenz und Volumen, dazu eine seltsam melancholische Grundstimmung. Nein, dieser Duft hatte nichts Flirrendes, Schwebendes, nichts Heiteres und Unbeschwertes, er war ernst und gemessen, erdenschwer und dabei gelassen. Vor allem aber: überwältigend!
Ein dunkleres Chypre hat es wohl nie gegeben, vielleicht vom originalen Coty-Duft einmal abgesehen. Doch der eigentliche Bezugspunkt ist Guerlains epochales „Mitsouko“. „Profumo“ ist klar erkenn – bzw. er-riechbar ein direkter Nachkomme des Duftes von Jacques Guerlain, ohne jedoch dessen Kopie sein zu wollen. Seine Eigenständigkeit beruht in starken, rauchigen Akzenten und einer Fruchtigkeit, die viel fleischiger, viel saftiger ist als jene von „Mitsouko“. Hier bewegt sich der Duft ein gutes Stück auf Edmond Roudnitskas „Femme“ de Rochas zu, ein Duft der ihm vierzehn Jahre später folgen sollte.
Zwischen diesen beiden Großwerken der Parfumkunst steckte „Profumo“, als mit Abstand dunkelster und rauchigster, aber auch schwermütigster von den Dreien. Eine vergleichbare Bekanntheit hat er nie erreicht. Warum, dass entzieht sich meiner Kenntnis, aber ich vermute es könnte an der schon beschriebenen melancholischen Grundstimmung des Duftes gelegen haben, ganz sicher aber an einer unfassbar schlechten Vermarktung: die ganze Welt kannte und kennt das berühmte „Colonia“ von Acqua di Parma, aber wem bitte war über all die Jahre „Profumo“ ein Begriff? Außer ein paar Parfum-Enthusiasten wahrscheinlich kaum jemanden. Es wurde weder beworben, noch war es irgendwo erhältlich. Hatte eine Parfümerie dann tatsächlich mal ein „Profumo“ vorrätig, so war in aller Regel kein Tester vorhanden, und wer kauft schon gerne die Katze im Sack.
Dass ich „Profumo“ dennoch entdeckte, verdanke ich einer mutigen und fachkundigen Verkäuferin, die einstmals mit den Worten: „Moment, ich hol´ mal schnell was...“ in der Damen-Abteilung verschwand um mir gleich darauf geradezu triumphierend etwas auf den Arm zu sprühen. „Na, wie gefällt Ihnen das?“ fragte sie und ich konnte ihre Frage nur mit einem „Wow!“ quittieren. Schließlich erzählte sie, dass sie schon immer der Ansicht gewesen sei, dieser Duft entwickle sich ganz besonders gut auf Männerhaut – und sie hatte recht: er entwickelt sich großartig auf meiner Haut. Allerdings bin ich auch ein Chypre-Typ. An einer Freundin von mir offenbarte er viel deutlicher sein blumiges Herz, bei mir blieb er dunkel, rauchig und moosig. Sie, meine Freundin, fand ihn altmodisch, aber nur an sich, nicht an mir.
Vielleicht ist das auch ein weiterer Grund für sein Dahinscheiden (ein Missverständnis wenn man so will): als Damenduft definitiv ein bisschen altmodisch (aber sind „Arpège“, „No 5“ und „Joy“ nicht auch altmodisch?), dagegen als Herrenduft nicht anerkannt, bzw. niemals in Betracht gezogen. Dabei bin ich mir sicher, würde man heute „Profumo“ als Herrenduft lancieren (es gibt tatsächlich einen, der eine gewisse Ähnlichkeit hat: „Lonach“ von Castle Forbes), er fände vielleicht keine große Anhängerschar, dafür ist er dann doch für heutige Bedürfnisse ein wenig zu komplex, zu voluminös und schwer, aber sicher ein kleine und engagierte. Vor allem aber wären die Frauen die ihn tragen könnten vielleicht wieder offener und neugieriger, wie sie ja ohnehin viel zugänglicher für Neuerscheinungen im Herrensegment sind, als umgekehrt.
Bis zu diesem hoffentlich nicht mehr allzu fernen Tag (aber, wie gesagt: das neue „Profumo“ ist so gut, dass das alte es schwer haben wird sich für eine Wiederbelebung zu empfehlen) werde ich meinen wunderschönen und noch halbwegs vollen Flakon in Ehren halten, werde hin und wieder zu besonderen Anlässen ein paar Tröpfchen auftragen, im vollen Bewusstsein seiner vergangenen, besonderen Schönheit und Größe.
2008 lanciert, ist das neue „Profumo“ ein fruchtig-blumiger Orientale (mit dezenten Chypre-Facetten), den die Parfumeurin Nathalie Lorson meisterhaft in Szene gesetzt hat – ihm gebührte eine eigene Besprechung, da die völlige Neu-Schöpfung durchaus ihre Meriten hat.
Ich will mich hier jedoch mit dem originalen Duft beschäftigen, nicht nur weil er mein Eigen ist, sondern weil ich ihn auch für einen ganz besonderen und vor allem außergewöhnlich guten Duft halte. Daher bedaure ich es auch sehr, dass Acqua di Parma vor wenigen Jahren beschloss diesen Duft nicht mehr zu produzieren und statt seiner einen gänzlich neuen Duft zu entwickeln – es wäre nicht nötig gewesen. Der alte war so gut und der neue ist kaum schlechter, dass durchaus ein gemeinsames Dasein gerechtfertigt gewesen wäre. Ich vermute aber, der wahre Grund der Einstellung des Originals ist vor allem in den umfangreichen Regulierungsvorschriften seitens der IFRA zu finden. Es wurden nämlich nicht nur, wie allgemein bekannt, das für Chypre-Düfte essentielle Eichenmoos inkriminiert, sondern ebenso bestimmte Zitrus-Verbindungen, manch Rosen-Öl, Jasmin, Peru-Balsam, ja sogar Lavendel und vieles mehr.
Von all dem hatte das alte „Profumo“ jede Menge und noch allerhand mehr: über 300 Ingredienzien soll er beinhaltet haben, so jedenfalls lautete jahrzehntelang die Mär.
Vermutlich war in der ursprünglichen Formel auch der ein oder andere Inhaltstoff, der heute entweder kaum mehr zu haben, oder wenn dann sagenhaft teuer ist. Manche Inhaltstoffe dürften allerdings schon zu beginn der 70er Jahre ausgetauscht worden sein, so z.B. bestimmte Nitro-Moschus-Verbindungen, ohne die zuvor kaum ein Duft auskam. Anfang der 90er Jahre wurde dann schon einmal die prozentuale Verwendung des Eichenmooses limitiert, zur Jahrtausendwende dann abermals herabgesetzt, um wenige Jahre später im Grunde komplett verboten zu werden.
Harte Zeiten für die großen alten Chypres à la „Mitsouko“, „Femme“ de Rochas, „Miss Dior“, „Pour Monsieur“ von Chanel, „Parure“ und eben auch „Profumo“. Mancher Duft überlebte den tiefen Eingriff, mancher leider nicht. Jene die ihn überlebten, waren jahrelang nicht wieder zu erkennen und erst heute, wiederum einige Jahre später, nachdem zufriedenstellende synthetische Substitute entwickelt wurden, kann man langsam von einer Annäherung an einen halbwegs originalen Zustand sprechen.
Vielleicht wird der Tag kommen, an dem sich Guerlain entschließen wird „Parure“ und vielleicht auch „Djedi“ wieder aufleben zu lassen; „Profumo“ aber wird vermutlich verschwunden bleiben – ein andere Duft hat seine Stelle eingenommen, während „Parure“ und „Djedi“ Leerstellen hinterließen.
Die Hoffnung aber werde ich nicht aufgeben, dass Acqua di Parma sich doch eines Tages entschließen sollte den Klassiker wieder aufleben zu lassen, meinetwegen mit dem Hinweis „Profumo vintage“ oder „Profumo 1930“, oder wie auch immer.
Doch wie war das alte „Profumo“?
Es war, wie schon gesagt, ein Chypre-Duft - und was für einer! Fruchtig, bitter, rauchig, floral, harzig, balsamisch, moosig. Wollte man eine zum Duft passende Farbe wählen, so war das dunkle Rot der Kartonage durchaus angebracht. Dieser Duft war eine Robe, eine schwere dunkle Robe. Neumodische Transparenz und Schleier-ähnliche Leichtigkeit waren ihm fremd. Stattdessen: Opulenz und Volumen, dazu eine seltsam melancholische Grundstimmung. Nein, dieser Duft hatte nichts Flirrendes, Schwebendes, nichts Heiteres und Unbeschwertes, er war ernst und gemessen, erdenschwer und dabei gelassen. Vor allem aber: überwältigend!
Ein dunkleres Chypre hat es wohl nie gegeben, vielleicht vom originalen Coty-Duft einmal abgesehen. Doch der eigentliche Bezugspunkt ist Guerlains epochales „Mitsouko“. „Profumo“ ist klar erkenn – bzw. er-riechbar ein direkter Nachkomme des Duftes von Jacques Guerlain, ohne jedoch dessen Kopie sein zu wollen. Seine Eigenständigkeit beruht in starken, rauchigen Akzenten und einer Fruchtigkeit, die viel fleischiger, viel saftiger ist als jene von „Mitsouko“. Hier bewegt sich der Duft ein gutes Stück auf Edmond Roudnitskas „Femme“ de Rochas zu, ein Duft der ihm vierzehn Jahre später folgen sollte.
Zwischen diesen beiden Großwerken der Parfumkunst steckte „Profumo“, als mit Abstand dunkelster und rauchigster, aber auch schwermütigster von den Dreien. Eine vergleichbare Bekanntheit hat er nie erreicht. Warum, dass entzieht sich meiner Kenntnis, aber ich vermute es könnte an der schon beschriebenen melancholischen Grundstimmung des Duftes gelegen haben, ganz sicher aber an einer unfassbar schlechten Vermarktung: die ganze Welt kannte und kennt das berühmte „Colonia“ von Acqua di Parma, aber wem bitte war über all die Jahre „Profumo“ ein Begriff? Außer ein paar Parfum-Enthusiasten wahrscheinlich kaum jemanden. Es wurde weder beworben, noch war es irgendwo erhältlich. Hatte eine Parfümerie dann tatsächlich mal ein „Profumo“ vorrätig, so war in aller Regel kein Tester vorhanden, und wer kauft schon gerne die Katze im Sack.
Dass ich „Profumo“ dennoch entdeckte, verdanke ich einer mutigen und fachkundigen Verkäuferin, die einstmals mit den Worten: „Moment, ich hol´ mal schnell was...“ in der Damen-Abteilung verschwand um mir gleich darauf geradezu triumphierend etwas auf den Arm zu sprühen. „Na, wie gefällt Ihnen das?“ fragte sie und ich konnte ihre Frage nur mit einem „Wow!“ quittieren. Schließlich erzählte sie, dass sie schon immer der Ansicht gewesen sei, dieser Duft entwickle sich ganz besonders gut auf Männerhaut – und sie hatte recht: er entwickelt sich großartig auf meiner Haut. Allerdings bin ich auch ein Chypre-Typ. An einer Freundin von mir offenbarte er viel deutlicher sein blumiges Herz, bei mir blieb er dunkel, rauchig und moosig. Sie, meine Freundin, fand ihn altmodisch, aber nur an sich, nicht an mir.
Vielleicht ist das auch ein weiterer Grund für sein Dahinscheiden (ein Missverständnis wenn man so will): als Damenduft definitiv ein bisschen altmodisch (aber sind „Arpège“, „No 5“ und „Joy“ nicht auch altmodisch?), dagegen als Herrenduft nicht anerkannt, bzw. niemals in Betracht gezogen. Dabei bin ich mir sicher, würde man heute „Profumo“ als Herrenduft lancieren (es gibt tatsächlich einen, der eine gewisse Ähnlichkeit hat: „Lonach“ von Castle Forbes), er fände vielleicht keine große Anhängerschar, dafür ist er dann doch für heutige Bedürfnisse ein wenig zu komplex, zu voluminös und schwer, aber sicher ein kleine und engagierte. Vor allem aber wären die Frauen die ihn tragen könnten vielleicht wieder offener und neugieriger, wie sie ja ohnehin viel zugänglicher für Neuerscheinungen im Herrensegment sind, als umgekehrt.
Bis zu diesem hoffentlich nicht mehr allzu fernen Tag (aber, wie gesagt: das neue „Profumo“ ist so gut, dass das alte es schwer haben wird sich für eine Wiederbelebung zu empfehlen) werde ich meinen wunderschönen und noch halbwegs vollen Flakon in Ehren halten, werde hin und wieder zu besonderen Anlässen ein paar Tröpfchen auftragen, im vollen Bewusstsein seiner vergangenen, besonderen Schönheit und Größe.
8 Antworten