Explosive
Provocation
1986 Eau de Toilette

Helena1411
25.09.2022 - 06:54 Uhr
42
Top Rezension
10
Preis
8
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
9
Duft

Blüten-Würz-Wummser

Es ist schon erstaunlich, wie sehr sich Duftwahrnehmungen verändern können… Das ist jetzt an sich nichts Neues, auch vielleicht nichts Erwähnenswertes, möchte man meinen, aber es verblüfft mich persönlich dennoch immer wieder aufs Neue, wenn ich das Beschriebene an mir entdecke. Und zwar in einer Gegensätzlichkeit, die mich fast (sonst könnte ich wohl kaum hier darüber berichten) sprachlos zurücklässt.

Aber vielleicht lasse ich Euch erstmal meinen damaligen Kommentar mit einer Bepunktung von 5,0 zum Duft lesen.

Das war mein ursprünglicher Kommentar vor gut 3 Jahren:

„Da sind sie, die 80er Jahre, schrill, bunt und laut. Und genauso laut ist auch dieser Duft und katapultiert uns mit einem explosiven Schub um 30 Jahre zurück.
Ich muss gestehen, ich habe mich hin- und hergerissen gefühlt, als ich ihn auftrug, denn er ließ Kindheitserinnerungen aufleben und zeitgleich mit der Nase zurückschrecken aufgrund des olfaktorischen „BÄÄHMMM“, was er unweigerlich mit sich bringt. Übrigens ganz charakteristisch, wie viele Parfums der 80er.
Die einzelnen Noten habe ich nicht ausmachen können oder - sagen wir besser - wollen, weil das Zurückschrecken doch die Oberhand gewonnen hat. Aber diese über die Maße präsente Würzigkeit blieb hängen, auch nach mehrmaligem Versuch, den Duft dann doch abwaschen zu wollen.
Wer es vom Duft laut im Stile der 80er Jahre mag, ist mit Aigners Explosive genau richtig bedient; jeder andere dürfte es als recht, nennen wir es: überwältigende Duft-„Erfahrung“ abspeichern.“

So viel zu meinem damaligen Kommentar. Und ich war - so dachte ich - noch recht gnädig sowohl im Hinblick auf die Bepunktung als auch auf meine Rezension, die de facto keine wirklich gelungene Rezension war, da ich weder den Duft sonderlich gut beschreiben noch die einzelnen Bestandteile dezidiert aufschlüsseln konnte; im Grunde fand ich diesen Duft einfach nur völlig und in Gänze unerträglich und habe das auch rein subjektiv (wie alle Duftrezensionen nun einmal sind) zum Besten gegeben.

Nun sind gute drei Jahre ins (Duft-)Land gegangen, ich habe mich vom Süßling zum Herbling entwickelt, bin zu einem absoluten Fan von Chypre-Düften avanciert und weiß um den Charme der Vintage-Düfte, auch die krachend lauten und alles umhüllenden. Und so kam mir immer öfter in den Sinn, ob nicht meine Abneigung gegen diese sogenannten Blüten-Würz-Wummser sich vielleicht mittlerweile geändert haben könnte, zumindest jedoch abgemildert.
Aus diesem Grund habe ich im Rahmen eines Tausches mit einer sehr lieben Parfuma wieder einen Flakon von Aigners „Explosive“ ergattern können. Und siehe da….

… immer noch springen mir mit dem ersten Sprüher die grünkrautigen und leicht seifigen Aldehyde gepaart mit einer recht bitteren Zitrusnote und einer doch gewaltigen Würzigkeit entgegen… und ich finde es ganz großartig! Ich kann gar nicht von meinem Handgelenk ablassen, so fasziniert bin ich. Auch die sehr schnell sich hervordrängelnde Rose, dunkelwürzig, fast schon herb, begleitet von dem helleren, hier aber kaum süßlichen Ton der Maiglöckchen, entlockt mir eher Verzückung als denn das frühere Zurückschrecken.
Es bleibt eine würzige, dunkle Aura, beinahe etwas pfefferig - auch wenn Pfeffer hier nicht gelistet ist -, die im Verlauf sogar etwas grünwürzig anmutet. Vermutlich ist das dem in der Pyramide angegebenen Moos gepaart mit Vetiver geschuldet, auch wenn ich beides im Detail einzeln so nicht herausfiltern kann, sondern nur als gesamten begleitenden Duft-Eindruck wahrnehme. Das Patchouli bringt einen dunkelerdigen Ton mit hinein, aber auf sehr angenehme Weise (ich bin tatsächlich nicht so der eingeschworene Patchouli-Fan, muss dazu gesagt sein), denn dadurch bleibt der Dufteindruck mysteriös und irgendwie geheimnisvoll.

Und so klebe ich förmlich an meinem Handgelenk (ganz im Gegensatz zu dem Abwaschzwang vor drei Jahren) und bin schier weg begeistert, dass ich diesen Duft mein eigen nennen darf. Sozusagen eine 180 Grad Kehrtwende.

Es stellen sich mir nun einige Fragen:

Bin ich olfaktorisch derart gewachsen bzw. gereift, dass ich dererlei Düfte nun zu schätzen weiß?
Muss man für bestimmte Düfte ein gewisses Alter erreichen, um sie zu mögen?
Und nimmt mich mein Umfeld entsprechend meiner Duftwahrnehmung vor drei Jahren wahr, wenn ich Explosive trage?

Und meine Antwort auf alles lautet nach kurzem Überlegen:
Egal!
Ich bin einfach glücklich, Explosive wiedergefunden und ganz neu entdeckt zu haben!

Ein Hoch auf die 80er! Und auf die Blüten-Würz-Wummser!

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Ein riesengroßer Dank geht an Amadea70, die mir mit diesem tollen Tausch diesen wundervollen Duft beschert hat!!!
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