Venice
17.05.2012 - 17:20 Uhr

Massenpanik in Mekka

Dass sich die arabische Parfumeurskunst stark von der westlichen Tradition unterscheidet, das wurde schon mehrfach in den Kommentaren auf dieser Seite erwähnt. Meine erste Testerfahrung mit arabischen Parfums hatte ich mit der hochpreisigen Marke arabian Oud, und ich war schwer begeistert: Was mir da in die Nase wehte, war nicht laut, nicht wild, und wenn, dann auf eine subtile Art. Was ich roch, war sehr besonders, dabei aber ausgewogen, sehr angenehm und überraschend anschmiegsam. Das prägende element der arabischen Düfte, Oud, war deutlich herauszuriechen, aber es wurde eher balsamisch-süß realisiert, ganz anders, als die westlichen Oud-Interpretationen, die ich bis dahin kennengelernt hatte, etwa den limitierten JHAG-Duft Midnight Oud.

Gespannt erwartete ich daher die Al-Haramain-Pröbchen der lieben Sumi, und meine Erwartungen waren aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen mit Arabischen Parfums (oder besser gesagt: Mit Arabian Oud) zugegeben ziemlich hoch, so dass ich beim Aufschrauben des Deckels schon mit einer zweiten Offenbarung rechnete. Um bei der Wahrheit zu bleiben, ich hatte nicht Atar Al Kaaba, sondern affaf als ersten Duft der Marke Al-Haramain getestet (zu dem ich vielleicht noch was schreibe), den Wohlgeruch des mekkanischen Kubus nahm ich mir später vor. Inzwischen schon enttäuscht vom andernorts besungenen, bei mir aber mit Pauken und Trompeten durchgefallenen affaf, waren meine Erwartungen bezüglich Attar al Kaaba schon stark heruntergeschraubt. Laut duftpyramide ist es ein holziger Vertreter, und tatsächlich schlägt mir aus dem Rest-Flakönchen ein beißender, vulgärer Holzduft entgegen, wie man ihn vielleicht von billigen Duftölen kennt, Richtung "Sandelholz", ohne die charakteristische Cremigkeit, versteht sich. Holzig und rauchig ist dieser Duft, aber mit einer derart ätzend künstlichen Unternote, dass ich unter anderen Umständen nie auf den Gedanken gekommen wäre, dass es sich um ein Parfüm handeln könnte.

Den "Wohlgeruch der Kaaba" (so wohl in etwa die Übersetzung), falls es den gibt, fängt dieser Duft sicher nicht ein, eher die alljährliche Massenpanik während der Hochsaison der Pilgerfahrten. Somit bin ich um eine weitere Erfahrung reicher: auch bei arabischen Parfüm gibt es Qualitätsunterschiede, und Al-Haramain ist offenbar das Äquivalent zu Jean-Paul Grand & Co.
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