10.09.2015 - 15:50 Uhr
Mustang69
98 Rezensionen
Mustang69
Sehr hilfreiche Rezension
11
Im Atelier
Unter leichtem Ächzen ließ sich der Maler langsam in den alten Schaukelstuhl gleiten, seine sehnigen Hände stets an den abgegriffenen Armlehnen entlangführend, um stützenden Halt zu suchen. Die einzige Sitzgelegenheit im Atelier erlaubte den müden Knochen, sich etwas von der Mühsal eines Tages in gebückter Haltung vor der Staffelei zu erholen. Mit zunehmendem Alter fiel ihm das lange Stehen nicht mehr so leicht. Und dennoch, die Stunden waren verronnen, ohne dass er es bewusst wahrgenommen hätte.
Es war ein guter Tag gewesen, nach langer Zeit hatte er endlich das Gefühl, die für ihn so entscheidende Stelle im Gemälde seinen Vorstellungen wieder etwas genähert zu haben. Eine gänzliche Entsprechung würde sich nie zutragen, das wusste er. Jede Annäherung war ein Sieg.
Langsam ließ er seinen Blick durch den Raum schweifen. Wie das Licht im Tagesverlauf die Atmosphäre im Raum veränderte, erstaunte ihn jedes Mal aufs Neue. Zum Arbeiten bevorzugte er die frühe Morgensonne, kraftvoll, klar, die Gedanken einer festen Struktur unterwerfend.
Wenn er in aller Frühe die Tür zum Atelier aufschloss, war der Raum noch ausgekühlt. Die frische Luft fing das klare, balsamische Aroma des Obstes in der Schale auf und vermengte es fein differenzierbar mit den spröden Akzenten der welken Blüten und Blätter, die als Vorlage für das Stilleben auf der alten Holztruhe arrangiert waren. Der Geruch des vorangegangen Tages hing noch mit einer gewissen Schärfe im Raum, Lösungsmittel und Farben schlugen ihm beim Eintreten immer am intensivsten entgegen. Später würde die Sonne den Raum erwärmt haben, das gebeizte Holz der alten Truhe, die Balken und Streben in der Decke und der ausgetretene Boden würden die Wahrnehmung von Terpentin und Harzen überlagern. Zusammen mit der stets latent vorhandenen Feuchtigkeit in den Wänden würde sich ein leicht muffiger Grundton ergeben, der auf so manchen Gast womöglich leicht abschreckend wirken mochte, ihm aber eine eigentümliche Geborgenheit bedeutete.
Er liebte diesen Ort. Solange er zurückdenken konnte, hatte er sein Leben in dieser Abgeschiedenheit verbracht, stets darauf bedacht, dem entscheidenden Pinselstrich ein wenig näher zu kommen. Der Maler schaute auf. Die Sonne hatte das Atelier nun in goldenes Licht getaucht und der Tag würde sich bald dem Ende neigen. Es war an der Zeit, sich wieder unter die Menschen zu begeben. Langsam schritt er zur Tür, warf noch einmal einen letzten Blick zurück und trat hinaus.
Es war ein guter Tag gewesen, nach langer Zeit hatte er endlich das Gefühl, die für ihn so entscheidende Stelle im Gemälde seinen Vorstellungen wieder etwas genähert zu haben. Eine gänzliche Entsprechung würde sich nie zutragen, das wusste er. Jede Annäherung war ein Sieg.
Langsam ließ er seinen Blick durch den Raum schweifen. Wie das Licht im Tagesverlauf die Atmosphäre im Raum veränderte, erstaunte ihn jedes Mal aufs Neue. Zum Arbeiten bevorzugte er die frühe Morgensonne, kraftvoll, klar, die Gedanken einer festen Struktur unterwerfend.
Wenn er in aller Frühe die Tür zum Atelier aufschloss, war der Raum noch ausgekühlt. Die frische Luft fing das klare, balsamische Aroma des Obstes in der Schale auf und vermengte es fein differenzierbar mit den spröden Akzenten der welken Blüten und Blätter, die als Vorlage für das Stilleben auf der alten Holztruhe arrangiert waren. Der Geruch des vorangegangen Tages hing noch mit einer gewissen Schärfe im Raum, Lösungsmittel und Farben schlugen ihm beim Eintreten immer am intensivsten entgegen. Später würde die Sonne den Raum erwärmt haben, das gebeizte Holz der alten Truhe, die Balken und Streben in der Decke und der ausgetretene Boden würden die Wahrnehmung von Terpentin und Harzen überlagern. Zusammen mit der stets latent vorhandenen Feuchtigkeit in den Wänden würde sich ein leicht muffiger Grundton ergeben, der auf so manchen Gast womöglich leicht abschreckend wirken mochte, ihm aber eine eigentümliche Geborgenheit bedeutete.
Er liebte diesen Ort. Solange er zurückdenken konnte, hatte er sein Leben in dieser Abgeschiedenheit verbracht, stets darauf bedacht, dem entscheidenden Pinselstrich ein wenig näher zu kommen. Der Maler schaute auf. Die Sonne hatte das Atelier nun in goldenes Licht getaucht und der Tag würde sich bald dem Ende neigen. Es war an der Zeit, sich wieder unter die Menschen zu begeben. Langsam schritt er zur Tür, warf noch einmal einen letzten Blick zurück und trat hinaus.
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